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„Cosi fan tutte“ — „11 Campiello“

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Im Unterschied zu anderen deutschen Bühnen — mit Ausnahme Münchens — hat Mozarts letzte Opera buffa „Cosi fan tutte“ an der Wiener Staatsoper eine glorreiche Tradition. Seit der Jahrhundertwende, als Gustav Mahler (am 4. Oktober 1900) das ironisch-anmutige Werk als erstes auf die Drehbühne der Hofoper stellte, dirigierte und selbst die Rezitative begleitete, wurde „Cosi“ genau 20 Jahre später von Richard Strauss inszeniert und dirigiert. Ihm folgten, 1929, Clemens Krauss mit Lothar Wallerstein als Regisseur, 1943 Karl Böhm, assistiert von O. F. Schuh und Caspar Neher (im Redoutensaal) mit der Übertragung von Georg Schünemann. Unvergessen ist auch die erste Aufführung Im Theater an der Wien unter Josef Krips am 9. Oktober 1945.

Alle diese Neuinszenierungen benützten (verschiedene) deutschsprachige Fassungen. Darnach kam die italienische Originalfassung in Mode, aber Dr. Günther Rennert, der Regisseur der letzten Staatsopernpremiere, hat wieder auf den deutschen Text (von Hermann Levi) zurückgegriffen — wofür man ihm dankbar sein muß. Auch mit einer gewissen marionettenhaften Symmetrie, wozu die Handlung und die beiden verschiedenen, aber letzten Endes so ähnlichen Paare samt Kammermädchen und „Spielleiter“ Don Alfonso verlocken, hat Günther Rennert erstmalig 1960 in Salzburg Schluß gemacht. Es geschah auf weite Strecken mit Glück, im Ganzen jedoch mit einer gewissen Anstrengung, die da und dort noch fühlbar ist, bei wiederholten Aufführungen vielleicht schwinden wird. Den parodistisch-spielerischen Charakter den von Lorenzo da Ponte geistvoll erfundenen Intrige betonen ein in hellsten Farben gehaltenes, unwirklichduftiges Bühnenbild sowie die Kostüme von Leni Bauer-Ecsy: die nur angedeuteten Türen und Ameublements, schließlich auch ein Zwischenvorhang, auf den wiederum ein Vorhang gemalt ist.

Es ist vor allem Sache des Regisseurs, dafür zu sorgen, daß der „Philosoph“, Don Alfonso, kein Zyniker oder Hanswurst ist, sondern nur ein Skeptiker voller Charme und Bonhomie. Und daß Fiordiliigi und Dorabella mit soviel Anmut und Humor geführt werden, daß — wie es vor einem Menschenalter Alexander Berrsche formulierte, „weder zwei Luder noch zwei Gänse daraus werden“. Dieser Sorge war der Regisseur durch die beiden glänzenden Hauptdarstellerinnen Hilde Güden und Christa Ludwig von vornherein enthoben, die als Typen und gesanglich das ungleiche Schwesternpaar heute in wohl kaum zu überbietender Vollkommenheit verkörperten. Ein Kabinettstück, auch in ihrer Adjustierung, Graziella Sciutti als Despina, den Damen fast ebenbürtig: Walter Berry und Waldemar Kmentt als Offiziere und Karl Dönch als Philosoph, über dem freilich der mächtige Schatten Paul Schöfflers lag. Karl Böhm und die Philharmoniker als Cosi-Interpreten zu loben, hieße Eulen nach Athen tragen…

Die vierte Goldoni-Oper des Deutschitalieners Ermanno Wolf- Ferrari wurde 1936 in München uraufgeführt. Zehn Jahre darnach ist der gebürtige Venezianer, dessen Bühnenerfolge ausnahmslos von Deutschland ausgingen, in Venedig gestorben. Das Textbuch von Mario Ghisalberti ist in venezianischem Dialekt abgefaßt, der bei der Münchener Premiere ins Bayerische transponiert war. Die Neuübertragung für die Wiener Volksoper durch Dr. Marcel Prawy bleibt im Hochdeutschen … Das Eigentümliche und die besonderen Qualitäten von Wolf- Ferraris Musik sind bekannt: ihre Leichtigkeit und Diskretion, das Fehlen jeder handfesten Grobheit, das quasi Parlando der Orchestersprache und deren kaleidoskopartig wechselnde Farben, ihre Beweglichkeit und Geschmeidigkeit sowie die vom witzigen Secco zur gefühlvollen Cantilene geführten Singstimmen. So entstehen Eindrücke mehr zuständlicher als dramatischer Art, die hier freilich auch noch besonders durch das Sujet bedingt sind. Denn der „Held“ dieser komischen Oper ist ein kleiner Platz in Venedig, „II Campiello“ (im Unterschied zu der großen Piazza samt Piazetta, kleiner auch als der „Campo“) und das Kollektiv seiner Bewohner. Von dem 1756 geschriebenen Volksstück, das die Römer eine „Tabernaria“ nennen würden, sagte Goldoni: „Der Campiello hat die allergrößte Freude erregt,, denn ich' hatte meine Schauspieler dazu erzogen, die Einfachheit dem hohlen Klang und die Natur allen erzwungenen Einfällen vorzuziehen.“

Diesen Prinzipien huldigte der Regisseur der letzten Volksopernpremiere, Otto Schenk, keineswegs. Er schien vielmehr der Meinung zu sein, daß man sowohl Goldoni wie seinem Komponisten erst so richtig auf die Sprünge helfen müsse, um alles richtig zur Geltung zu bringen. Daher gab es neben zahlreichen hübschen, geistreichen Einfällen, auch mancherlei Grobes und allzu Handfestes. Zwei als alte Weiber verkleidete Tenöre (Peter Klein und Kurt Wehofschitz) sind an sich schon komisch und grotesk genug, da soll man nicht mehr outrieren! Und die Raufszenen hatten Meistersinger- Format, wirkten also leider cam- piellosprengend … Das freundliche, milieuechte und realistische Bühnenbild von Günther Schneider- Siemssen sowie die Kostüme von Ronny Reiter, gehörten zum Gelungensten der Aufführung. Das runde Dutzend Schauspieler-Sänger war so vorzüglich und homogen, daß es ungerecht wäre, einzelne hervorzuheben. Nennen wir daher nur die drei jungen Damen Renate Holm, Colette Boky und Monique Lobasa sowie ihre Verehrer William Blankenship, Oskar Czerwenka und Claudio Nicolai. Am Dirigentenpult stand Argeo Quadri, der nicht nur wie immer, temperamentvoll und zuverlässig seines Amtes waltete, sondern auch orchestrale Feinarbeit, gewissermaßen Millimeterware, produzierte.

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