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Wiener Staatsoper in London

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London, Anfang Oktober 1947 Das im Anschluß an die Edinburgher Festspiele stattgefundene Gastspiel der Wiener Staatsoper brachte dem Londoner Publikum eine Auswahl der besten Repertoirestücke der letzten zwei Jahre. Den Anfang machte Mozarts „Don Giovann i“, der vielleicht den.größten Erfolg überhaupt erzielte und zusammen mit „Cosi fan tutte“ ein Musterbeispiel vom Zusammenwirken eines Operensembles gab. Es war überhaupt erstaunlich, in welch kurzer Zeit das Londoner Publikum den von den Wiener Künsdern gebotenen neuen Mozartstil richtig erkannt und begeistert aufgenommen hat. Das Orchester ist Mittelpunkt der Aufführung geworden, die Singstimmen den ersten Orchesterinstrumenten gleichgestellt. Das Hervortreten einzelner Sänger durch Aushalten von Fermaten und „Stimme zeigen“ gibt es nicht. Ebenso waren auch die Stars verschwunden, die jedes Ensemble unmöglich machen. Jeder, vom Dirigenten bis zum Choristen, ist Diener ' am Werk und wirkt mit, um eine ausgeglichene Gesamtleistung zu ermöglichen.

Daß dieses Zusammenspiel zum großen Teil dem unermüdlichen Erzieher Professor Krips zu verdanken ist, haben auch die Londoner erkannt und ihn dementsprechend gefeiert. Die Aufführungen selbst glichen in bezug auf Besetzung und Interpretation wohl denen in Wien und Salzburg, waren aber infolge eines anderen Rahmens und der neuen Atmosphäre viel spannungsgeladener. Ein auffallend impulsives und kritisches Publikum und die jedem der Mitwirkenden bewußte Bedeutung seiner Leistung waren die Gründe dafür. Bei den „C osi-fan-tutt e“-Auf f ührungen ist das wunderbare Zusammenspiel und das Auf-einander-abgestimmt-sein der Stimmen wohl am meisten hervorgetreten. In einer „Don-Giovanni“-Aufführung war nach langer Zeit wieder Richard Tauber zu hören, der die schwere Partie des Don Ottavio mit einer bewundernswerten Energie und großem Erfolg sang. Zwei Tage später war Alfred Piccaver bei „Don Giovanni“ auf der Bühne, leider aber nur als Zuhörer zwischen den Kulissen. Bei der dritten Mozart-Aufführung, der Oper „Figaros Hochzei t“, gefiel dem Londoner Publikum besonders der durch ein kleines Orchester bewirkte intime Charakter und das dadurch ermöglichte viel unbeschwertere Spiel ganz besonders. Das Spiel des Staatsopernorchesters hinterließ tiefen Eindruck und wurde auch von der Londoner Presse sehr gelobt. Trotzdem wirkt aber die Verschiedenheit der Londoner Kritiken verwirrend, wenn man über ein und dieselbe Vorstellung am nächsten Tag alle Stufen der Bewertung findet, gleichgültig, ob das Publikum minutenlang applaudierte und jubelte. Es spielen eben oft noch politische Tendenzen mit. Aber im Durchschnitt genommen, kann man mit der Kritik und dem Erfolg sehr zufrieden sein. Nicht wen'.ger mit dem der „Salome“ und dem des „Fidel io“ unter Clemens Krauß. Die „Salome“ ist in London ziemlich bekannt, wurde hier aber schon lange nicht in einer so glut- und temperamentgeladenen Art gebracht wie diesmal. Auch begeisterte die in blendender Form singende Ljuba Welitsch sowie das Spiel des Orchesters unter Krauß die Zuhörer ganz besonders. Beethovens „Fidelio“ war besonders in Chor und Orchester präzis einstudiert, ansonsten glich er der Wiener Aufführung. — Das am ersten Sonntag (an diesem Tag war keine Oper vorgesehen) gebrachte Wohltätigkeitskonzert beinhaltete ein reichhaltiges und gemischtes Programm, das unter der Leitung von Josef Krips und Clemens Krauß Werke von Weber und Mozart sowie Richard und Johann Strauß brachte. Besonders erfolgreich waren die zwei von Richard Tauber gesungenen Arien aus „Zauberflöte“ und „Don Giovanni“. Auch die von Elisabeth Schwarzkopf gebrachte Arie „Martern aller Arten“ aus der „Entführung“ und Richard Strauß' „Till Eulenspiegel“ begeisterten das Publikum, das sich auch in London erst nach dem als Zugabe gespielten Donauwalzer zufrieden gab. Wie die Opernaufführungen, fand auch dieses Konzert in dem Covent Garden House statt, einem geräumigen Gebäude in der Londoner City, dessen Akustik im allgemeinen recht gut ist, bis auf einige Stellen, an denen das besonders tief gelagerte Orchester nicht vollkommen zu hören ist.

Die Begeisterung aller jener, die Gelegenheit hatten, die durchwegs erstklassigen Aufführungen zu bewundern, war ehrlich. Die Absicht, das Gastspiel möglichst bald, vielleicht schon im nächsten Sommer zu wiederholen, dürfte Zustimmung und Unterstützung finden. Fest steht aber, daß das nun erfolgreich beendete Gastspiel eine unschätzbare Bedeutung hatte, sowohl für die Staatsoper und die einzelnen Künstler, als auch für das Ansehen Österreichs in der Welt.

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