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Musik im Burgtheater

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In den zahlreichen Büchern, die vom alten und vom neuen Burgtheater handeln, ist kaum jemals davon die R.ede, welche bedeutende Rolle die Musik in der Geschichte des alten Hauses gespielt hat. .Lange bevor dort (1776) das „Deutsche Nationaltheater“ eingerichtet wurde, war es fast ausschließlich für die italienische Oper bestimmt gewesen, und noch lange darnach ist die Musik dort heimisch geblieben. — Es ist sonderbar, daß es noch niemand unternommen hat, die Musikgeschichte des alten Burgtheaters zu schreiben. Wie interessant ein solches Buch sein könnte, wird vielleicht eine Auslese der Ereignisse andeuten.

Bald nachdem das Hofballhaus in das „Theater nächst der Burg“ umgebaut worden war, gab man dort „eine welsche Oper“, wahrscheinlich Vivaldis „Merope“, am 5. Februar 1742. Vier

Jahre später wurde Pergolesis „La serva padrona“ als musikalisches Intermezzo aufgeführt. Mit Glucks „Semiramide riconosciuta“ eröffnete man am 14. Mai 1748 das nochmals umgebaute Haus. Die ersten, „musikalischen Akademien“ wurden dort zur Fastenzeit 1750 gegeben, drei' in der Woche, von 6 bis 9 Uhr abends. Im Herbst des gleichen Jahres wurde bei einer italienischen Oper ein „künstliches Feuerwerk“ abgebrannt. Im Winter von 1751 auf 1752 gab es den „Krummen Teufel“ mit Musik von Haydn. Von 1752 bis 1765, als das französische Schauspiel im Burgtheater dominierte, führte man dort auch gesungene Vaudeville-Komödien auf, aber zwischendurch gab es noch italienische Opern und nach wie vor Konzerte. Von 1754 bis 1764 waltete Gluck als Hof-opernkapellmeister und als Ballettkomponist;

darüber hat Robert Haas in seinem Buche „Gluck und Durazzo“ 1925 ausführlich berichtet. Zur Hochzeit des Erzherzogs Josef, des späteren Kaisers, wurde 1760 Rousseaus „Le devin du village“ („Der Dorfwahrsager“) aufgeführt. Im Jahr darauf wurde zuerst im Burgtheater Glucks Ballett-Pantomime „Le festin de pierre“ („Don Juan“) gegeben, nach deren dritter Vorstellung im Kärntnertor-Theater dieses Haus abgebrannt ist. Am 5. Oktober 1762 wurde Glucks „Orfeo ed Euridice“ in seiner ersten Fassung aufgeführt. Von 1767 bis 1774 leitete Noverre die Ballettabende im neuen Kärntnertor- und im Burgtheater, hier auch die Ballette in Glucks „Alceste“ (1767) und „Paride ed Elena“ (1770). Des kleinen Mozarts „La finta semplice“ wurde 1768 für das Burgtheater geschrieben, kam aber nicht zur Aufführung. Von 1772 bis 1776 wechselten die Opernvorstellungen zwischen Burg- und Kärntnertor-Theater schon regelmäßig, und die Premieren fanden bald in einem, bald im anderen Hause statt. Im Winter von 1772 auf 1773 erschien die erste Händel-Oper, „II convito dAlessandro“ („Alexanders Feast“) in Wien, wahrscheinlich im Burgtheater. Eine französische Operngesellschaft, die zuerst im Schönbrunner Schloßtheater spielte, kam Anfang 1775 in die beiden Theater der Inneren Stadt, die damals unter die Regie des Hofes kamen, mit dem Burgtheater seit 1776 als „Deutsches Nationaltheater“. Das hinderte nicht, daß schon 1776/77 eine italienische Operngesellschaft abwechselnd im Kärntnertor- und im Burgtheater auftrat, und daß von 1778 bis 1783 im Burgtheater ein „Deutsches Nationalsingspiel“ eingerichtet wurde, mit Umlaufs „Bergknappen“ als erster deutscher Oper oder „Nationaloperette“. 1750 kam Goethes Singspiel „Claudine von Villa Bella“ mit der Musik von Ignaz v. Beecke zur Aufführung. 1781 wurde Neefes „Adelheit von Veltheim“ von der Kindertruppe des Regisseurs J. H. F. Müller dargestellt. Im Winter von 1781 auf 1782 gab es einen Gluck-Zyklus, mit „Iphigenie in Tauris“ als Novität. In den beiden letzten Jahren des Nationalsingspiels' wurden die Hofsängerknaben zur Verstärkung des Chores herangezogen.

Am 3. März 1782 gab Mozart, der im Frühjahr 1781 schon im Kärntnertor-Theater aufgetreten war, wahrscheinlich im Burgtheater eine Akademie, die Stücke aus dem „Idome-neo“, ein Klavierkonzert und eine freie Fantasie enthielt. Am 16. Juli 1782 folgte seine „Entführung aus dem Serail“, die er manchmal selbst dirigierte. (Die „Mozart-Tage der ,Burg“' sowie „Singspiel und Oper im Burgtheater“ jener Zeit hat Oscar Teuber im ersten Teil des zweiten Bandes der „Theater Wiens“ 1903 behandelt.) In der Folgezeit ist Mozart auch öfters in Akademien befreundeter Musiker und in den Advent-Konzerten der Tonkünstler-Sozietät aufgetreten. Seine eigene Akademie am 23. März 1783 fand in Gegenwart Josefs II. statt; andere folgten 1784, 1785 und 1786. Kurz vor den Fasten 1783 war das Nationalsingspiel eingestellt worden, und nach den Osterferien zog wieder die italienische Oper ins Burgtheater, mit Paisiellos „II barbiere die Siviglia“ und anderen Werken. Am 28. März 1784 dirigierte Haydn sein Oratorium „II ritorno di Tobia“, dessen erste Fassung er schon 1775 mit Eisenstädter Musikern im Kärntnertor-Theater aufgeführt hatte. Am !?• und 15. März 1785 dirigierte Mozart seine Kantate „Davidde penitente“ in Konzerten der Tonkünstler-Sozietät, und am 19. März des gleichen Jahres wurde Haydns „L'isola disabitata“ im Konzert des Cellisten Willmann aufgeführt. Vom Herbst 1785 bis Anfang 1788 gab es wieder ein „Deutsches Singt spiel“ der Hofoper, das meist im Kärntnertor-Theater, aber manchmal auch im Burgtheater spielte. Am 1. Mai 1786 war die Uraufführung von Mozarts „Le nozze di Figaro“. Die=er Oper folgte im Juli Dittersdorfs „Der Apotheker und der Doktor“ (später „Doktor und Apotheker“ genannt) und im November Martin y Sölers „Una cösa rara“. Am 7. Mai 1788 war die Wiener Erstaufführung von Mozarts „II dissoluto punito ossia II Don Giovanni“, mit zwei Arien und einem Duett, die in Prag noch gefehlt hatten. Auch für die Wiederaufführung des „Figaro“ am 29. August 1789 komponierte Mozart zwei neue Arien. Am 26. Jänner 1790 fand die letzte Mozart-Premiere statt: „Cosi fan tutte.“

Cimarosas für Wien geschriebene Oper „II matrimonio segreto“ wurde am 7. Februar 1792 vom Komponisten dirigiert und,- nach einem Souper für die Mitwirkenden, nachts in der Hofburg wiederholt. Am 29. und 30. März 1795 trat Beethoven zum ersten Male in Wien auf, als er zwischen den beiden Teilen von Cardel-lieris Oratorium „Gioas, re di Giuda“ einmal ein neues Klavierkonzert und das andere Mal eine freie Fantasie spielte. Tags darauf wurde Mozarts „La clemenza di Tito“ konzertmäßig aufgeführt, wie schon vorher im Kärntnertor-Theater und wieder zugunsten seiner Witwe, mit einem seiner Klavierkonzerte zwischen den beiden Abteilungen, diesmal gespielt von Beethoven. Das Jahr 1796 brachte die Aufführungen einer sinfonischen Dichtung nach Goethe: „Werther, ein Roman“, mit Musik von Pugnani, und von Schenks „Dorfbarbier“, der allerdings zuerst im Kärntnertor-Theater gegeben wurde. Am 12. Februar 1797 wurde Haydns neue Volkshymne im Burg- und im Kärntnertor-Theater sowie in den meisten anderen Theatern Oesterreichs zum ersten Male „abgesungen“, anläßlich des Geburtstages Franz' IL, der im Burgtheater anwesend war. Ebenso wohnte der Kaiser am 1. April 1798 der Aufführung von Haydns Oratorium „Die sieben Worte des Heilands am Kreuze“ bei, die der Komponist auch am folgenden Tage dirigierte, wo Beethoven den Klavierpart in seinem Bläser-Quintett opus 16 spielte. In jenem Jahre 1798 wurden „Figaro“ und „Don Juan“ zum ersten Male in den Hoftheatern deutsch gegeben. Haydn, der 1798 in den Advent-Konzerten der Tonkünstler-Sozietät seine neue Militär-Symphonie dirigiert hatte, leitete 1799 nicht nur die „Sieben Worte“ noch zweimal, sondern führte auch am 19. März sein

Oratorium „Die Schöpfung“ zum ersten Male öffentlich auf, das er zu Ende des Jahres zweimal wiederholte. Am 2. April 1800 gab Beethoven eine eigene Akademie, mit dem Septett, opus 20, und seiner ersten Symphonie, opus 21. Das Jahr 1801 brachte am 28. März die Erstaufführung des Balletts „Die Geschöpfe des Prometheus“ mit Beethovens Musik und am 22. Dezember die des Oratoriums „Die vier Jahreszeiten“ von Haydn, auch am 23. Dezember vom Komponisten selbst dirigiert. Cheru-binis „Tage der Gefahr“, später als „Der Wasserträger“ bekanntgeworden, wurde 1802 zuerst im Kärntnertor- und dann im Burgtheater gegeben. Im selben Jahre folgten Cherubinis „Medea“ und Heinrich v. Collins Schauspiel „Coriolan“ mit einer von Abbe Stadler arrangierten Zwischenaktmusik aus Mozarts „Ido-meneo“. Ende 1805 dirigierte Cherubini ein eigenes Kompositions-Konzert vor Napoleon im Schönbrunner Schloßtheater, und sodann zweimal im Burgtheater. 1806 wurde Mozarts „Ido-meneus, König von Kreta“ im Kärntnertor- und dann im Burgtheater ganz gegeben, und Händeis Oratorium „Judas Makkabäus“ aufgeführt. 1807 dirigierte Beethoven seine Vierte Symphonie in einer Wohltätigkeits-Akademie. Im selben Jahre wurde seine Ouvertüre zu Collins. „Coriolan“ verwendet. Glucks „Armida“ und seine „Iphigenia in Aulis“ gab man 1808 zuerst im

Kärntnertor-, dann im Burgtheater; ebenso Weigls „Waisenhaus“. Beethoven dirigierte zwei Konzerte im gleichen Jahr. Haydns „Tobias“ wurde Ende 1808, wie andere Konzerte der Tonkünstler-Sozietät um diese Zeit, unter einer großen hölzernen Resonanzkuppel aufgeführt. Weigls „Schweizerfamilie“ folgte 1809. Der automatische Trompeter Mälzeis, des Erfinders des Metronoms, produzierte sich im Mai des gleichen Jahres, das mit Napoleon wieder französische Opern und Komödien ins Burgtheater brachte. Das Jahr 1810 sah Goethes „Egmont“, von der zweiten Aufführung an (15. Juni) mit Beethovens Musik gegeben, wobei Toni Adam-berger die Klärchen-Lieder sang. Am 25. Oktober 1810 fand mit „Emerike“ von Gyrowetz die letzte Opernvorstellung und mit dem „Eigensinnigen Landmädchen“ die letzte Ballettaufführung im Bürgtheater statt, während im Kärntnertor-Theater, am gleichen Tage die beiden letzten Schauspiele gegeben wurden.

Oratorien sind auch späterhin noch im Burgtheater aufgeführt worden, bis zur Eröffnung der neuen Hofoper im Jahre 1869. Der kleine Schubert wirkte am Weihnachtsabend 1812 als einer der zehn Hofsängerknaben bei den Chören Maximilian Stadlers zu Collins „Polyxena“ mit. Beethovens Musik zu Kuffners Schauspiel „Tarpeja“ wurde 1813, die zu Treitschkes Festspiel „Gute Nachricht“ 1814 aufgeführt, das • letztere zuerst im Kärntnertor-, dann im Burgtheater gegeben. Von Händeis Oratorien wurden 1815 das „Alexanderfest“, 1820 „Samson“, 1825 „Solomon“, 1830 „Messias“ und 1837 „Athalia“ aufgeführt; Beethovens „Christus“ 1817, Haydns „Sturm“'und Beethovens „Preis der Tonkunst“ („Der glorreiche Augenblick“) 1839; von Mendelssohn „Paulus“ 1856, „Elias“ 1857, „Athalia“ 1860, „Lobgesang“ 1861 und „Walpurgisnacht“ noch 1869; Beethovens Messe in C 1863 und Schumanns „Missa sancta“ 1864. Webers Musik zu Wolffs Schauspiel „Preziosa“ kam 1825 zur Aufführung, Mendelssohns Musik zum „Sommernachtstraum“ 1854, Beethovens Musik zu Kotzebues „Ruinen von Athen“ konzertmäßig 1864 (Teile davon waren schon 1849 aufgeführt worden). Bemerkenswert waren auch Mosels und Seyfrieds Musikstücke zu Grillparzers „König Ottokars Glück und Ende“ 1825, Mosels Arrangement eines Schubert-Marsches für Michael Beers Schauspiel „Die Paria“ 1827, das sechste und das achte der Wiener Konzerte Paganinis 1828, Karl Steins Musik zu Baumanns „Versprechen hinterm Herd“ 1848, und Lindpaintners Musik zu Schillers „Glocke“ 1854, anläßlich der Hochzeit Franz Josefs und Elisabeths gesprochen.

Als eine Erinnerung an die musikalische Vergangenheit des alten Burgtheaters mag Tilgners „Don-Juan“-Gruppe am neuen Hause angesehen werden, gegenüber dem Volksgarteneingang, in einer der Nischen des Erdgeschosses. Es heißt, daß dort Calderons „Richter von Zalamea“ dargestellt werden sollte, daß aber Dingelstedt, früher Hofopern- und zuletzt Burgtheaterdirektor, den „Don Juan“ durchgesetzt habe.

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