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Atemberaubend

stadttheater, klagenfurt

Am Anfang ein kahler Kirchenraum, am Schluss ein schmutzig-düsterer Hinrichtungsraum hinter dessen Milchglasfenster Tosca zu Tode stürzt: Dazwischen rollt das Drama um politische Schurken und unzerstörbare Liebe mit atemberaubender Spannung ab. Mit Puccinis "Tosca" gelang dem Stadttheater Klagenfurt ein großer, fast ungetrübter Wurf.

Dietmar Pflegerl führt sein Ensemble vorbildlich durch die Handlung, da gibt es keine Geste, keinen Schritt, der nicht aus der Musik abzuleiten ist. Die Versetzung in die Gegenwart durch Bühnenbild (Bernd-Dieter Müller) und Kostüme (Anette Zepperitz) ist diskret, die deutschen Übertitel allerdings erzählen etwas Anders als die Inszenierung.

Lada Biriucov in der Titelpartie geht manchmal an die Grenzen ihrer stimmlichen Möglichkeiten, Evan Bowers als Cavaradossi hat schönes Forte, Pianotöne sind nicht sein Metier. Boris Trajanov ist ein eindrucksvoller, stimmlich präsenter Scarpia. Alexander Joel dirigiert sein gut disponiertes Orchester mit Delikatesse.

Christa Höller

Besessen

filmmuseum, wien

"Er sprach Kino, wie ein Chinese chinesisch", meinte André Bazin, für Luis Buñuel, für Jean Renoir, für Sergej Eisenstein, für Billy Wilder war er das Maß aller Dinge: Erich von Stroheim. Das Österreichische Filmmuseum unter seinem neuen Direktor Alexander Horwath zeigt ab 10. Jänner die bisher umfangreichste Retrospektive zum Werk des Regisseurs, der zwischen 1918 und 1929 einige der ewigen Meisterwerke des Kinos drehte: "The Merry Widow", "The Wedding March" oder "Greed".

Stroheims Produktionen übertrafen alles, was das Kino bis dahin an Naturalismus, Drehaufwand und künstlerischer Besessenheit erlebt hatte. Mit bösem Spott in allen Details der Gemeinheit und Verlogenheit entwarf er sarkastische Panoramen der amerikanischen, aber auch der altösterreichischen Gesellschaft, der der Sohn eines jüdischen Hutmachers aus Wien-Neubau entstammte.

Hollywoods Studiodirektoren verstümmelten seine Werke und hinderten ihn an der Arbeit: von 1932 bis zu seinem Tod 1957 durfte Stroheim keinen Film mehr inszenieren.

Michael Krassnitzer

Theorielastig

volksoper, wien

Zeitgenössisches Ballett in seiner sprödesten Form bietet die Wiener Volksoper mit "Nodding Dog". Überaus theorielastig spiegeln sich in ihm plakativ Strömungen der jüngeren Tanzgeschichte.

Das Choreografenteam Michael Klien, Nick Mortimore, Davide Terlingo und der Komponist Volkmar Klien sind interdisziplinär erprobt. Sie arbeiten ansonsten im Londoner Künstlerkollektiv Barriedale Opera House. Ein Computer steuert per Zufallsgenerator einzelne Tanzmodule und selbstverständlich sind die Tänzer nicht nur passive Empfänger vorab erarbeiteter Schrittfolgen, sondern haben Freiräume. Trotzdem entwickelt sich der Abend zunächst vielversprechend. Im kargen Bühnenraum, in dem Projektionen sparsame Zeichen setzen, entsteht eine artifizielle Welt, in der Soli, Duette und Formationen nach eigenen Regeln ablaufen. Einzelne wiederkehrende Elemente kristallisieren sich heraus. Bald kann man allerdings feststellen, dass den technisch ausgezeichneten Tänzern ein sehr beschränktes Bewegungsvokabular zur Verfügung gestellt wurde. Die Aufführung verliert zunehmend an Spannung und versickert geradezu.

Annemarie Klinger

Lauwarmer Liebestrank

opernhaus, graz

Die vorweihnachtliche Premiere am Grazer Opernhaus galt Donizettis Melodrama "L'elisir d'amore", das sich im Spannungsfeld von typisierender Opera buffa und romantisch-lyrischer Intensität bewegt. Es ist das Verdienst der Grazer Aufführung, die Nähe des Werkes zu Mozarts Buffo-Opern und Wagners Version des Stoffes spürbar werden zu lassen. Mit komischem Talent und sängerischer Brillanz überzeugte Alexandra Reinprecht als prätentiöse, hübsche Adina, Marlin Miller gewann als über beide Ohren verliebter Nemorino mit seiner ausdrucksvollen Darbietung auch die Herzen des Publikums. Stimmlich hervorragend Egils Silins' Dottore Dulcamara, etwas blass Igor Morozovs Sergeant Belcore, dem die undankbare Rolle zukam, einen Militärgeneral in halbem Piratenkostüm verkörpern zu müssen. Auch das Grazer Symphonische Orchester agierte mit Witz - für den aufmerksamen Zuhörer erklang sogar der Tristan-Akkord -, um Schwung und Temperament bemüht Maestro Lodovico Zocche. Schade, dass die Balance zwischen Stimmen und Orchester doch mehrmals deutlich zu wünschen übrig ließ.

Wurden die mit viel Applaus bedachten Protagonisten der witzigen Fabel und deren psychologisch realistischen Zügen auf beachtenswerte Weise gerecht, war die lnszenierung (Stephen Lawless) der Wirkung weniger förderlich: Das Ambiente, eine sommerliche Landidylle (Bühne und Kostüme: Johan Engels), litt unverkennbar an einem Zuviel des Guten und verriet Hang zum Kitsch. Hier liegt der Verdacht nahe, man wollte die Weihnachtsstimmung der Grazerinnen und Grazer nicht unnötig strapazieren, allerdings mit dem Resultat, dass der Liebestrank insgesamt doch eher lau statt brennend heiß geriet. Ob eine solche Rezeptur beim Publikum nachhaltig die erwünschte Wirkung zeigen wird, bleibt abzuwarten.

Susanne Kogler

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