Romantik, diesmal ganz ohne Poesie

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Gioachino Rossinis heute wenig gespielte Oper "La donna del lago“ am Theater an der Wien: Der Versuch einer Wiederentdeckung - doch mit dieser Besetzung verlorene Liebesmüh.

Am Schluss kommen Elena und Giacomo, jener geheimnisvolle Fremde, der sich schließlich als König von Schottland zu erkennen gibt, zusammen und werden ein Paar. So schließt bei Christof Loy diese Geschichte nach Sir Walter Scotts Erzählung "The Lady of the Lake“ - bekanntlich haben die beiden einander am idyllischen See Katrine im schottischen Hochland kennengelernt. Poetisch und effektvoll nannte Rossini das Sujet seines zweiaktigen Melodramas. Kaum etwas davon verrät diese Inszenierung, deren eigentliche Finallösung unverzüglich an Mozarts "Titus“ denken lässt: Der Schottenherrscher verzichtet auf seine Liebe zu Elena, gibt sie frei für seinen Widersacher Malcom. Loy schien gerade diese Person zu viel. Deshalb deutete sie der Regisseur um zu einem Alter Ego, einer Art Traumfigur von Elena.

Eine Bühne auf der Bühne

Aber nicht nur dem ursprünglichen Plot misstraut Loy. Er vermeidet sowohl bei den Einzelauftritten als auch den Chorszenen - prächtig wie stets der von Ottokar Prochazka einstudierte Arnold Schoenberg Chor - zusätzlich jeden Anflug von Poesie. So hat er sich auf der Bühne von Herbert Murauer - der auch für die Kostüme verantwortlich zeichnet - eine weitere Bühne bauen lassen, auf der er die Naturszenerie wenigstens andeutet. Den so gewonnenen zusätzlichen Zuschauerraum nutzt er gleichermaßen für Ensemble- wie Einzelszenen, die er immer wieder mit gestischen Details, die er aus den Texten gewonnen hat, anreichert. Nicht ohne Ironie, vor allem sarkastische Komik. Eindringlich lässt sich mit dieser Bühnenlösung auch das zeitweilig geforderte gleichzeitige Miteinander von Bühnenmusik und Orchestergraben zeigen.

Alles wohl überlegt gesetzte Steine, die sich aber nicht zu einem stimmigen Mosaik fügen. So konstruiert, vor allem ohne Charme wirkt dieses Bühnengeschehen, dass es sich, trotz aller zeitweiligen Pointen, der angestrebten Romantik von Rossini immer wieder entgegenstellt. Noch dazu, wo es auch sängerisch in dieser Produktion nicht zum Besten steht. Malena Ernmans Elena beeindruckt schauspielerisch weitaus stärker denn gesanglich. Ihre beste Zeit, lässt sich nach dieser Premierenleistung urteilen, hat sie bereits hinter sich. Wie, noch gravierender, Gregory Kunde als schließlich das Nachsehen habender Rodrigo. Er muss nicht nur erkennen, dass seine Elena längst einen anderen Mann favorisiert, sondern fällt auch noch im Kampf mit seinem Rivalen, dem Schottenherrscher, den Luciano Botelho ebenfalls nur höchst mühsam und damit alles andere als "königlich“ erstemmt. Da haben es die übrigen Protagonisten leicht, auf sich selbst mit durchschnittlichen Vokalleistungen aufmerksam zu machen: wie der routinierte, an zahlreichen italienischen Opernhäusern gastierende Maurizio Muraro als Elenas Vater Douglas d’Angus, die französische Sopranistin Bénédicte Tauran als Albina oder der schwedische Tenor Erik Årman in der Episodenrolle des Serano. Überragt wird diese enttäuschende Sängerriege von der exzellenten Darstellerin des Malcom, der armenischen Altistin Varduhi Abrahamyan, die bisher vor allem in französischen Opernhäusern und Konzertsälen gastierte. So technisch perfekt, klug und ausdrucksreich phrasierend wie sie hätte man sich auch ihre Mitkombattanten auf der Bühne gewünscht. Es sollte nicht sein.

Gestaltungskraft am Pult

Aber noch jemand war, wenigstens für Wien, zu entdecken: Leo Hussain, seit 2009 Musikdirektor des Salzburger Landestheaters. Ein gebürtiger Engländer, der, wie heute nur mehr wenige, betont langsam seine Karriere angeht, die ihn bereits zu mehreren bedeutenden europäischen Häusern geführt hat. Sorgfältig hatte er mit dem entsprechend differenziert musizierenden ORF-Symphonieorchester Rossinis Partitur erarbeitet, erwies sich als idealer Sängerbegleiter, beeindruckte gleichermaßen mit stilistischer Kompetenz wie gestalterischer Eigenpersönlichkeit.

Nicht auszudenken, hätte er entsprechende Partner auf der Bühne zur Verfügung gehabt, auf eine mit der Musik korrespondierende Szene zählen können. Dann hätte diese "Dame vom See“ wohl die angestrebte Renaissance erlebt.

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17., 19. August

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