Intrigen als ungenutzte Herausforderung

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Das Theater an der Wien präsentierte zum Shakespeare-Jahr Gioachino Rossinis Oper "Otello". Die Wiener Volksoper versuchte sich mit einer Operette über den Wiener Kongress, basierend auf dem Kultfilm aus den 1930er-Jahren, Regie führte Robert Meyer.

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Das Theater an der Wien präsentierte zum Shakespeare-Jahr Gioachino Rossinis Oper "Otello". Die Wiener Volksoper versuchte sich mit einer Operette über den Wiener Kongress, basierend auf dem Kultfilm aus den 1930er-Jahren, Regie führte Robert Meyer.

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Das Bessere ist der Feind des Guten. Das musste auch Rossinis "Otello" erfahren. Seit Verdis Vertonung des Shakespeare-Stoffes führt dieser vor allem seines dritten Aktes wegen geschätzte Dreiakter ein Schattendasein. Verdienstvoll, dass man am Theater an der Wien eine Renaissance versucht -auch wenn es dafür an der idealen Besetzung ziemlich mangelt.

Ungewohnte Interpretationen

So konzentriert sich Regisseur Damiano Michieletto kaum auf Personenführung - schon gar nicht beim Chor (gewohnt ausdrucksintensiv und mustergültig wortdeutlich der Arnold Schoenberg Chor), der meist nur ein statisches Bild abgibt. Vielmehr meint er, sich auf ungewohnte Interpretationen einlassen zu müssen. In seiner Deutung erschießt sich Desdemona, Otello, der im Original zuerst sie, dann sich selbst erdolcht, bleibt über. Für Michieletto ist er nicht ein erfolgreicher Heerführer afrikanischer Provenienz, sondern ein im schwarzen Aktenkoffer und mit Turban auftretender mazedonischer Geschäftsmann, womit das Sujet eine andere kulturelle Färbung erhält.

Mit Rossinis Otello hat Michielettos Titelfigur gemein, dass sie an den Vorurteilen einer ihr von Anbeginn mehr als bloß skeptisch gegenübertretenden Gesellschaft scheitert. Deswegen kann auch Otellos Liebe zu der aus einem anderen Kulturkreis kommenden Desdemona keine Erfüllung finden. Sie wird in dieser Szenerie als Tochter eines reichen Geschäftsmannes (überfordert Fulvio Bettini) dargestellt, weiter ausgeführt wird dieser Ansatz freilich nicht. Reine Spekulation ist, dass Rodrigo nur über Wunsch seines Vaters, des Dogen (Nicola Pamio) - er wird als der Welt abhanden gekommener, an den Rollstuhl gefesselter, gebrechlicher Alter karikiert -, Desdemona geheiratet hätte, in Wirklichkeit aber längst ein Auge auf Emilia (Gaia Petrone) geworfen habe. Sie wird nicht als Desdemonas Vertraute, sondern deren Schwester präsentiert. Der unglücklich intrigierende Jago, um dieses fatale Familienglück perfekt zu machen, wird, ebenso eigenwillig, in die Rolle eines Cousins gedrängt. Blass mimte Maxim Mironov den Rodrigo. Ebenso schwächelte Vladimir Dmitruk, als geradezu spastischer Jago in dieser in die Gegenwart versetzten Inszenierung, die mehr oder minder in einem, einen venezianischen Palast suggerierenden Einheitsbühnenraum mit Gaetano Previatis Francesca da Rimini-Darstellung als plakativem Blickfang abläuft.

Vom Film zur Operette

Der in der Höhe unterschiedlich strahlende John Osborn in der Titelrolle und die emphatische, mitunter distonierende Nino Machaidze als Desdemona überragten die übrige Besetzung. Geradezu militant und mit eckigen Akzenten, derart von Rossinis melodischem Charme hörbar wenig überzeugt, führte Antonello Manacorda die entsprechend gelaunten Wiener Symphoniker durch Rossinis Partitur.

Dass Intrigen immer Saison haben, zeigt sich am Geschehen des vor 200 Jahren stattgefundenen Wiener Kongresses. Er tanze, ohne sich zu bewegen, kritisierte bekanntlich einer seiner prominenten Chronisten, August Graf de la Garde-Chambonas. "Der Kongress tanzt" ist auch der Titel eines Kultfilms aus den 1930er-Jahren, zu dem Werner Richard Heymann die mit zahlreichen Ohrwürmern gespickte Musik geschrieben hat. Michael Quast und Rainer Dachselt haben daraus eine Bühnenfassung erarbeitet. Christian Kolonovits, der auch die Premiere dieser musikalischen Komödie an der Spitze des etwas derb agierenden Volksopernorchesters dirigierte, hat zusätzliche Schlager Heymanns neu arrangiert.

Eine zündende musikalische Revue mit neuem Pfiff? Das hätte man sich gewünscht. Dazu hätte es einer mutigeren Ausstattung (Eva-Maria Schwenkel) sowie auch einer fantasievolleren Regie bedurft, als sie Robert Meyer, der in der Rolle des machtgeilen Metternich mehr überzeugt, vorlegt. Gleich einer sich stetig drehenden Schallplatte lässt er Szene um Szene auf der Drehbühne filmisch ablaufen, was die spärliche Handlung -die unerfüllt bleibende Liebe des Zaren (angestrengt Boris Eder) zur Handschuhladeninhaberin Christel (bemüht Anita Götz) - noch mehr in ihre Episoden zerklüftet.

Abgesehen davon, dass sich auch die einzelnen Charaktere deutlicher zeichnen ließen, erhebt sich die gesangliche Leistung der Ensemblemitglieder selten über den Durchschnitt. Das kann auch so manche effektsicher abgeschossene, mit der aktuellen politischen Situation kokettierende Pointe nicht ganz vergessen machen. Die durchaus ernste Botschaft dieser Operette: Politik als hohe Kunst der Intrige, kommt damit zu kurz.

Der Kongress tanzt Volksoper, 2., 3., 5., 9. März

Otello Theater an der Wien, 28. Feb., 1. März

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