Oberflächlich laut - und spritzig aktuell

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Zwei Wiener Häuser feierten in diesen Tagen zwei ganz unterschiedliche Premieren: Die Staatsoper versuchte sich an Giacomo Puccinis "Turandot". An der Volksoper hat unter der Regie von Anatol Preissler ein neuer "Bettelstudent" erfolgreich Einzug gehalten.

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Zwei Wiener Häuser feierten in diesen Tagen zwei ganz unterschiedliche Premieren: Die Staatsoper versuchte sich an Giacomo Puccinis "Turandot". An der Volksoper hat unter der Regie von Anatol Preissler ein neuer "Bettelstudent" erfolgreich Einzug gehalten.

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Bei der jüngsten Staatsopernpremiere galt das vorrangige Interesse nicht der Regie, sondern dem Dirigenten Gustavo Dudamel, der damit sein Hausdebüt feierte. Denn der venezolanische Senkrechtstarter wird zum Jahreswechsel das Neujahrskonzert dirigieren. Einen so jungen Maestro haben die Wiener Philharmoniker für dieses berühmteste aller Konzerte noch nie eingeladen. Wie er diese Herausforderung meistert, wird man in mehr als einem halben Jahr wissen. Bei seiner ersten Aufgabe in der Staatsoper blieb er ziemlich unter den Erwartungen.

Was nützt es, ein Werk auswendig zu dirigieren, wenn die Einsätze unterschiedlich klappen, man es den Sängern alleine schon durch die vom (gut studierten) Orchester häufig geforderte, übertriebene Lautstärke schwer macht? Natürlich lässt sich damit Effekt erzielen, aber Effekt ist nicht alles. Die Buh-Rufe am Ende der Vorstellung sollten dem von Energie überströmenden, hochbegabten Jungstar zu denken geben. Puccinis letzte, unvollendet gebliebene Opernpartitur (sie wurde mit dem Schluss von Franco Alfano aufgeführt) hat mehr lyrische, vor allem innige Momente, als es Dudamel mit seiner oberflächlichlautstarken Darstellung zeigte.

Ein Pech, dass der ursprünglich angesetzte Calaf, Johan Botha, nicht auftreten konnte. Yusif Eyvazov besitzt für diese Aufgabe eine zu kleine, in den Höhen zu wenig Glanz entfaltende Stimme. Enttäuschend die ebenfalls erstmals in dieser Partie in der Staatsoper zu hörende Lise Lindstrom als forcierende, nicht nur die Spitzentöne scharf artikulierende Prinzessin Turandot, was die Besucher beim Schlussapplaus entsprechend quittierten. Am überzeugendsten: Anita Hartigs schließlich berührende Liù und Heinz Zedniks vor allem auf dessen Greisenhaftigkeit und Gebrechlichkeit zielende Darstellung des Chinesenherrschers Altoum. Solide das übrige Ensemble.

Bagschierlich und wohltönend

Und die Inszenierung? Drei Jahrzehnte hat sich Marco Arturo Marelli mit diesem Stück auseinandergesetzt, zuletzt in Graz und Bregenz. Nicht eben erfolgreich, was auch für diese Arbeit gilt. Sie wartet mit sich unterschiedlich erschließenden, farbenfrohen Bildern, meist bunten Kostümen (Dagmar Niefind), zuweilen Theater am Theater auf, drängt den Chor (unterschiedlich artikulationsklar) in die Funktion des Betrachters eines Spektakels. Wie wenn es hier nicht um weit mehr ginge: nämlich Liebe. Läppisch der Schluss: Turandot und Calaf beim "Dinner for two".

Operette, hört man seit Jahrzehnten, könne man nicht mehr spielen. Wenn, nur in aktualisierter Form. Es geht aber auch anders, wie die Wiener Volksoper mit dem Carl-Millöcker-Klassiker "Der Bettelstudent" beweist. Gewiss, Oberst Ollendorf, souverän verkörpert durch Martin Winkler, nutzte die Chance, in zwei Couplets die Nöte der beiden Regierungsparteien angesichts der Niederlage ihrer Kandidaten bei der Bundespräsidentenwahl zu kommentieren. Regisseur Anatol Preissler hat die Dialoge gekürzt, in heutige Alltagssprache gebracht, lässt im zweiten Akt das Wiener Staatsballett (Choreographie: Marga Render) zu Klängen der Mazurka von Léo Delibes "Coppélia" tanzen.

Das aber sind schon alle Modifikationen. Denn Bühnenbild (Karel Spanhak) und die dazu passenden, dem Klamauk nicht abholden Kostüme (Marrit van der Burgt) lassen keinen Zweifel, dass die Handlung gleich dem Original im 18. Jahrhundert abläuft. Dass sich so manche Szene auch heute so abspielen könnte, zeugt nicht nur von der Aktualität des Librettos, sondern auch von der Hand des Regisseurs, es nicht bei einer witzigen Nacherzählung des Sujets zu belassen, sondern dem heutigen Zuschauer so manchen Spiegel vorzuhalten.

Unter Wolfram-Maria Märtig spielte das Volksopernorchester spritzig auf. Anja-Nina Bahrmann gab eine bagschierliche Laura, Lucian Krasznec einen wohltönenen Bettelstudenten, Alexander Pinderak ebenso seinen sich am Ende als Polen-Herzog Adam entpuppenden Kammerdiener, Boris Eder einen verschlagen-plumpen Enterich. Rollendeckend und spielfreudig die übrige Besetzung dieser achtbaren Neuproduktion.

Turandot

Staatsoper, 5., 8., 12. Mai

Der Bettelstudent

Volksoper, 5., 8. Mai, 3., 7. Juni

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