Was hat es mit Titus’ Milde auf sich?

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Durchwachsen präsentierte sich die Premiere von "La clemenza di Tito“ an der Wiener Staatsoper: Enttäuschend das Dirigat, unentschieden die Regie.

Wie mild, vor allem tolerant ist Titus? Wie authentisch ist er in seinen Handlungen? Wie sehr sind sie ihm durch äußere Umstände aufgezwungen? Welche Auswirkungen hat die ihm vom Volk nicht zugestandene Liebe zur jüdischen Prinzessin Berenice? Von diesem Ansatz geht Jürgen Flimm bei seiner Inszenierung dieser Koproduktion des Hauses am Ring mit der Berliner "Linden“-Oper, deren Intendant er ist, aus. Fahrig und nervös zeichnet er die Titelfigur, der man rasch abnimmt, dass ihre Beziehung zu Frauen weniger durch Liebe als durch dynastische Überlegungen geprägt ist.

Und die Nebenrollen?

Deutlich in dieser Inszenierung, in der die Protagonisten in historischen Kostümen wie in heutigen Alltagskleidungen auftreten, wird die von Anfang an gespannte Beziehung zwischen Sesto und Vitellia. Hin- und hergerissen auf der sparsam möblierten Bühne - im Wesentlichen zwei verschiebbare Wände, die einen schon in die Jahre gekommenen Palast suggerieren - präsentiert sich Vitellia, die damit weniger als Intrigantin denn als potenzielle psychiatrische Patientin erscheint.

Weniger Augenmerk wird den übrigen Protagonisten gewidmet, deren Auftritte daher meist belanglos und zufällig über die Rampe kommen. Wäre es aber nicht ebenso reizvoll gewesen, auch diese, von Mozart differenziert gezeichneten Charaktere in ihrer Psychologie deutlich zu machen - noch dazu in dieser Besetzung?

Angefangen vom Annio der damit ein glänzendes Hausdebüt feiernden jungen italienischen Sopranistin Serena Malfi über die ebenso stets präsente Servilia der in der Höhe zuweilen spitzen Amerikanerin Chen Reiss bis zum untadeligen, klar artikulierenden Adam Plachetka als seriös im schwarzen Anzug auftretenden Prätorianerpräfekten Publio. Singschauspieler, deren schauspielerische Fähigkeiten man ungleich besser hätte nutzen können, als es diese Regie vorzeigt.

Dass Michael Schade ein glänzender Mozart-Interpret ist, hat er in der Vergangenheit oft bewiesen. Als Tito vermochte er nicht völlig zu überzeugen. Dafür fehlte es ihm im Lauf des Abends immer mehr an kraftvollem Ausdruck, aber auch an beredter Phrasierung, was sich durch so manchen exzentrischen Ausbruch, wie ihn diese Inszenierung von ihm verlangt, nicht wettmachen ließ. Wenigstens kam er mit seiner durchdachten Darstellung großen Vorbildern in dieser Rolle nahe. Von Juliane Banses Vitellia lässt sich das nicht sagen. Nicht allein in der variierenden Treffsicherheit bei hohen Tönen zeigte sich die Anstrengung, die ihr diese Parte bereitet. Mit der Servilia wäre sie besser beraten gewesen.

Das Ereignis des Abends war Elina Garanˇca als Sesto: Klarer in der Artikulation, klüger in der Phrasengestaltung, perfekter in Technik und Ausdruck, selbstverständlicher in der Gestik lässt sich diese Partie nicht gestalten. Selbst wenn man spürte, dass sie bei ihrer Deutung nicht immer auf die entsprechende musikalische Assistenz zählen konnte.

Schwachpunkt Dirigent

Denn der ärgerliche Schwachpunkt dieser Produktion ist der Dirigent, Louis Langrée. So sehr seine Entscheidung überzeugte, das Stück zu straffen, so wenig konnte er mit der Wahl seiner Tempi überzeugen, noch weniger als Begleiter. Eigenständige interpretatorische Ideen blieb er vollends schuldig. Überraschend bei einem Dirigenten, der seit Jahren das New Yorker Mostly Mozart-Festival sowie seit Kurzem die Camerata Salzburg leitet. Nicht auszudenken, wären ihm weniger kompetente Partner als das souverän musizierende Staatsopernorchester (brillant die Klarinettensoli Ernst Ottensamers) und die gut studierten Staatsopernchoristen zur Verfügung gestanden …

Weitere Termine

24., 27. Mai, 1. Juni

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