Musikalische Sternstunde
Mit einer glänzend besetzten „Frau ohne Schatten“ feierte das Haus am Ring sein 150-jähriges Bestehen.
Mit einer glänzend besetzten „Frau ohne Schatten“ feierte das Haus am Ring sein 150-jähriges Bestehen.
Fulminante Inszenierung
Nichts davon in dieser neuen „Frau ohne Schatten“: Erstmals erklang diese Oper an der Wiener Staatsoper in ihrer vollen Länge, auch die von Strauss autorisierten Striche wurden aufgemacht. Allein deswegen wäre es – abseits aller sonstigen an diesem Premierenabend begangenen Jubiläen – ein besonderer Abend gewesen. Aber nicht nur das bestimmte diese Gala-Premiere. Vor allem war es die dafür aufgebotene Besetzung, die selbst gegen längst legendäre Vorgänger souverän bestehen kann. Nina Stemmes hochdramatische Färberin lässt sich durchaus in einem Atemzug mit Birgit Nilsson nennen, der ebenso fulminant seine Aufgabe lösende Wolfgang Koch als Färber darf sich auf eine Stufe mit einem Walter Berry stellen. Auch die kräfteraubende, immer wieder Höhenglanz verlangende Partie der Kaiserin kann man heutzutage nicht besser besetzen als mit der für ihre intensive Interpretation gleichfalls zu Recht umjubelte Camilla Nylund.
Auf hohem Niveau Stephen Goulds wenngleich schon etwas in die Jahre gekommener Kaiser und Evelyn Herlitzius in der anspruchsvollen Rolle der in dieser Inszenierung nicht nur als böse, sondern von Beginn weg betont ambivalent gezeichneten Amme. Wie überhaupt Vincent Huguet in seiner Personenzeichnung jede Einseitigkeit meidet. Anstelle dessen richtet er den Blick auf das durch die jeweilige Situation hervorgerufene Handeln der einzelnen Personen. Damit schält er einen wesentlichen Aspekt dieses Werks heraus, den man aus dem Blickwinkel seiner Entstehungszeit als revolutionär ansehen kann: die Dominanz der Frauen gegenüber den in dieser Szenerie wenn schon nicht als schwächlich, so in vielem als unentschlossen dargestellten Männern.
Schade, dass die Regie die Choristen nur zum Teil in das Bühnengeschehen einbindet, womit der Fokus besonders eindringlich auf die beiden dominierenden Paare, Kaiser und Kaiserin und Barak und die Färberin, sowie die Amme gelegt wird, ohne damit die übrigen Protagonisten zu vernachlässigen. Auch diese waren bestens besetzt, kamen ideal zur Geltung, stets souverän assistiert vom Staatsopernorchester, das sich an diesem Abend von seiner allerbesten Seite zeigte. Wann war es zuletzt der Fall, dass das Orchester so verschwenderisch mit seiner Kompetenz prunkte, so selbstverständlich die Sänger trug, bei den Zwischenspielen vorzeigte, dass kein Opernorchester auf der Welt es ihm hier gleichtun kann? Ermöglicht wurde diese musikalische Sternstunde durch Christian Thielemann: differenzierter im Detail, spannungsvoller in den großen Bögen, packender im Ausdruck, subtiler in den Stimmungen lässt sich diese Partitur nicht darstellen. Fulminant.
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