Grausam aktuell Luigi Nonos „Intolleranza 1960“  - © Foto: © SF / Maarten Vanden Abeele

Salzburger Festspiele - alles in Bewegung

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Ein spektakulärer Nono, ein gedankenvoller Feldman, ein rätselhafter „Don Giovanni“ und eine offene Frage. Alles in Bewegung bei den Salzburger Festspielen.

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Ein spektakulärer Nono, ein gedankenvoller Feldman, ein rätselhafter „Don Giovanni“ und eine offene Frage. Alles in Bewegung bei den Salzburger Festspielen.

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Nach 26 Jahren beendet Helga Rabl-Stadler dieser Tage ihre Tätigkeit als Präsidentin der Salzburger Festspiele.

In dieser Zeit hat sie mit so unterschiedlichen Intendantenpersönlichkeiten zusammengearbeitet wie Gérard Mortier, Peter Ruzicka, Jürgen Flimm, Alexander Pereira, Sven-Eric Bechtolf und Markus Hinterhäuser. Man war nicht immer einer Meinung. Dennoch hat es die aus Salzburg stammende promovierte Juristin, die als Journalistin und Politikerin begonnen hat, ehe sie überraschend an die Spitze der Salzburger Festspiele kam, stets verstanden, dass am Ende mit einer Stimme gesprochen wurde. Zudem hat sie die Funktion des Festspielpräsidenten neu definiert. Die erfolgreiche Suche nach großen Sponsoren, die Rabl-Stadler meisterhaft beherrschte, ist mittlerweile ebenso wichtig wie das Repräsentieren des Festivals.

Zu ihrer Nachfolge hält man sich bedeckt. Ob sie von einer aus Salzburg stammende Bundesministerin beerbt werden wird? Noch, heißt es, sei nichts entschieden, sondern alles in Bewegung. Damit ließe sich auch der Grundtenor der spektakulärsten Musiktheaterproduktion dieses Salzburger Festspielsommers bezeichnen: Luigi Nonos „Intolleranza 1960“. An die zweihundert Personen aus unterschiedlichsten Nationen sind auf der Bühne der Felsenreitschule, das Orchester spielt aufgeteilt im Orchestergraben sowie links und rechts der Bühne, um den Raumklang von Nonos aufrüttelnder Musik besonders plastisch abbilden zu können. Eine glänzende Idee des Dirigenten Ingo Metzmacher, der nach „Prometeo“ und „Al gran sole carico d’amore“ auch Nonos drittes großes Musiktheater bei den Festspielen an der Salzach zum heftig akklamierten Erfolg führte.

An der Spitze der exzellent agierenden Wiener Philharmoniker, eines multikulturell besetzten, hochkarätigen Sängerensembles, der brillant vorbereiteten Konzertvereinigung Wiener Staatsopernchor und stets im Einklang mit Jan Lauwersʼ choreographisch inspirierter Inszenierung. Lauwers interessieren nicht die Details des Geschehens. Ihm geht es um die Aussage dieses von den Geschehnissen des Algerienkrieges angeregten Sujets, das an Aktualität und Sprengkraft nichts verloren hat: das Schicksal von Auswanderern, die unschuldig gefoltert, inhaftiert und am Ende durch Naturereignisse gehindert werden, zurückzukehren.

Wenigstens große Teile der Öffentlichkeit wissen davon, schauen wie Unbeteiligte zu, versuchen, diese Wahrheiten aus populistischen Erwägungen als Lüge zu entlarven, wie es der Regisseur durch die von seinem Sohn Victor Afung Lauwers verkörperte, in das Stück neu eingeführte Figur des blinden Dichters unmissverständlich aufzeigt. Er stellt Fragen, lässt Antworten offen. Anstelle ihm mit Toleranz zu begegnen, wird der Dichter schließlich von einer sich selbst genügenden Schickeria zum Schweigen gebracht. Wer da nicht hellhörig wird!

Operneinakter nach Beckett-Text

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