Ein Fenster als Trennscheibe des Schicksals

Werbung
Werbung
Werbung

Anna Netrebkos fulminante Mimi und Piotr Beczalas exzellenter Rodolfo garantierten den Salzburger Festspielen ihren "Bohème“-Erfolg. Enttäuschend Dirigat und Inszenierung.

Für Puccini, fand einer der Vorgänger Alexander Pereiras, Gérard Mortier, sei kein Platz bei den Salzburger Festspielen. Salzburgs neuer Festspielintendant hatte von Anfang an vor, diesen subjektiven Bann zu brechen. Gespielt wurde Puccini freilich schon vorher an der Salzach: 1989 "Tosca“ unter Georges Prêtre mit Anna Tomowa-Sintow in einer Inszenierung von Peter Busse, 2002 "Turandot“ mit Gabriele Schnaut, dirigiert von Valery Gergiev in der Regie von David Pountney. Auch "La Bohème“ stand schon in Salzburg auf dem Programm - unter Karajan, aber eben nicht im Sommer, sondern zu Ostern.

Jetzt ist dieses Manko behoben, mit einer heute nicht zu toppenden Besetzung in den Hauptpartien: Anna Netrebko sang und spielte die Mimi mit aller nur erdenklichen Brillanz und Einfühlsamkeit. Beinahe ebenbürtig der Rodolfo von Piotr Beczala, der allerdings einige wenige Minuten brauchte, um zu bestechender Form aufzulaufen.

Auch Batman tritt auf

Nino Machaidze präsentierte sich als in den Höhen zuweilen scharfe, gleichermaßen dem Glamour wie der harten Realität des Lebens verpflichtete Musetta. Massimo Cavalletti gab einen achtbaren Marcello. Weniger auffallend der junge Alessio Arduini, ab kommender Spielzeit Ensemblemitglied der Wiener Staatsoper, als Schaunard und der routiniert agierende, stimmlich in die Jahre gekommene Carlo Colombara als Colline.

Blass Davide Fersini als Benoît, unauffällig Peter Kálmán als Alcindoro. Von Parpignol bleibt in Erinnerung, dass er als Batman auf die Bühne kommt, und zwar in doppelter Ausführung - denn Paul Schweinester lieh ihm die Stimme, über die der eindrucksvolle Akrobat Steven Forster wohl nicht verfügt.

Nimmt man die gut studierten Choristen - die Konzertvereinigung Wiener Staats-opernchor und den Salzburger Festspiele und Theater Kinderchor - dazu, so ergibt das eine durch doppelten vokalen Starglanz geadelte Aufführung auf gutem Niveau. Die Wiener Philharmoniker - abgesehen von den stets vorzüglich gestalteten Soli, darunter von Konzertmeister Rainer Honeck - wissen freilich selbst im Repertoire diesem Puccini ungleich mehr klangliche Facetten und rhythmische Pointen zu entlocken, als man es diesmal miterleben konnte. Daniele Gatti - er wird bei den kommenden Salzburger Festspielen anlässlich des Wagner-Jahrs dessen "Meistersinger“ dirigieren - erwies sich nämlich als alles andere denn als differenzierter, geschweige denn einfühlsamer Deuter von Puccinis meisterhafter, bewusst auf atmosphärische Abwechslung setzender Partitur. Er frönte vorrangig seinem Faible für kraftvolles Musizieren und harsche Akzente und vertraute nur in Maßen auf den subtilen Charme und charakteristischen Lyrismus dieser Musik. Solches strahlt auf die Leistung selbst des besten Klangkörpers aus. Gewiss, die hier dargestellte Realität ist knallhart. Doch mindestens ebenso aufwühlend sind die Empfindungen, mit denen man auf der Bühne konfrontiert wird. Offensichtlich nicht für den italienischen Maestro, wie sich bei der Premiere zeigte.

Zum einen das Luxusleben, zum anderen das sich hinter dieser Fassade verbergende Elend - was in dieser Inszenierung mit einigen wenigen herunter gekommenen Requisiten deutlich gemacht wird: Wohl dieses Bild hatte Paolo Fantin für seine durchaus originelle Bühnenbildlösung im Großen Festspielhaus vor Augen - vorrangig ein überdimensioniertes Fenster, dazwischen spielerische Hinweise auf die in Minimundus-Art nachgestellte Architektur der Pariser Innenstadt, im dritten Bild eine schmucklose Autobahn-Raststätte an der Peripherie der Seine-Metropole, die man im ersten Moment auch mit dem nüchternen Ambiente einer Skiliftstation verwechseln könnte.

Großflächige Arrangements

Immerhin klar definierte Schauplätze, in denen sich die Beziehungen und Gefühlswelten der Protagonisten wohl ungleich deutlicher machen ließen, als es Regisseur Damiano Michieletto demonstrierte. Er konzentrierte sich bei seiner Personenführung vor allem auf das Starduo Netrebko-Beczala, gab sich aber sonst mit unterschiedlich stimmigen, großflächigen Arrangements zufrieden, die nur bedingt von der jeweiligen musikalischen Aussage inspiriert waren.

Weitere Termine

10., 13., 15., 18. August

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung