So schön kann Sterben sein

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Giacomo Puccinis "La Bohème" am Klagenfurter Stadttheater.

Dietmar Pflegerl ist nicht nur ein erfolgreicher Intendant am Stadttheater Klagenfurt, das über eine Auslastung verfügt, über die andere Länderbühnen nur träumen können, sondern auch ein exzellenter Regisseur. Vor vier Jahren hat er sich auch dem Genre Oper zugewandt und einen Erfolg nach dem anderen, überregional beachtet von Publikum und Presse, errungen. Nach "La Traviata", "Manon" und "Madame Butterfly", letztere wird diesen Mai bei den "Wiener Festwochen" gezeigt, folgt nun sein vierter Streich: Giacomo Puccinis Meisterwerk "La Bohème". Mit seinem unglaublichen Sinn für Stimmungen schafft er es stets, subtiles Gefühlstheater vom Feinsten zu inszenieren, ohne dabei zu dick aufzutragen. Wie Rudolfo begreift, dass seine geliebte Mimi bereits verschieden ist und er sie nochmals mit größter Leidenschaft vom Bett hochreißt, voll Trauer an sich presst und seinen Schmerz hinausschluchzt, muss man erlebt haben.

Nie gegen Text und Musik, mit viel Liebe zum Detail umschmeichelt Pflegerl mit fragiler Behutsamkeit die Welt der Mimi, stellt andererseits die Albereien der vier Bohemiens mit berstender Vitalität und unbändigem Witz zeitlos auf die Bühne. Dies geschieht in einer passend schäbigen Mansarde (Bühne: Bernd-Dieter Müller), einem zweistöckigen, sehr ästhetischen, mit viel Glas und Neonlicht ausgestatteten Cafe Momus, das von schön gewandeten Menschen (Kostüme: Annette Zepperitz) bevölkert wird und wie ein heutiges "In-Lokal" wirkt, sowie im dritten Bild an einer etwas zu schäbigen Hinterhofladerampe.

Schon seit Jahren hat das Stadttheater den Ruf, immer wieder qualitätsvoll herausragende, junge Sänger aufzuspüren und zu engagieren. So auch diesmal: Sonora Vaice singt und spielt die Mimi ergreifend und kann sich, nur selten in der Tiefe zu vibratoreich, stimmlich facettenreich und durchschlagskräftig voll entfalten. Claude Pia verfügt als Rudolfo über einen schlanken, in der Mittellage wohltönenden Tenor mit wenigen Intonationsproblemen in der Höhe. Peter Danailov als Marcello hat einen nobel klingenden Bariton. Den Part des Colline singt Alex Esposito mit seinem profunden Bass wunderbar. Erla Kollaku ist eine kokette Musetta, die über einen schlanken, eleganten Sopran verfügt. Einzig Giuseppe Altomare singt den Schaunard etwas hohl und unschön. Die Unstimmigkeiten zwischen Orchester und dem insgesamt voluminösen, homogenen Chor des Hauses (Einstudierung: Alexander Kowalski) sollten sich bald nach der Premiere legen.

"Wenn man sich nicht fest in der Gewalt hat, wird man allein vom Feuer dieser Musik fortgerissen", urteilte Claude Debussy über das Werk. Guido Mancusi, der designierte Chefdirigent der kommenden Saison, entfacht dieses Feuer. Er wählt teils breite Tempi und lässt nur selten etwas zu laute Töne zu. Überwiegend leuchtet Puccinis süffige, herrliche Meisterpartitur im Kärntner Sinfonieorchester mit wunderbaren Farben auf. Es erklingen subtile Klangmischungen mit viel Wärme des Ausdrucks ebenso wie große leidenschaftliche Ausbrüche. Zum Schluss gab es uneingeschränkten Jubel für alle Beteiligten.

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