Brutal, drastisch, extrem

Werbung
Werbung
Werbung

Bejubelte Premiere von Donizettis "Lucia di Lammermoor" am Stadttheater Klagenfurt.

Blutverschmiert ist ihr Nachthemd. Genauso wie der Leichnam, den sie hereinzerrt und mit dem Kopf nach unten auf der großen Stiege liegen lässt. Über diese stolpert sie dann mit verstörtem Blick herunter und irrt mit unbeholfenen Bewegungen planlos zwischen den Umherstehenden herum. Lucia hat ihren, vom eigenen gewissenlosen Bruder Enrico aufgezwungenen Ehemann ermordet und ist dem Wahnsinn verfallen: Brutal, drastisch und extrem aufregend ist diese Schlüsselszene aus "Lucia di Lammermoor" von Gaetano Donizetti am Stadttheater Klagenfurt inszeniert. Dietmar Pflegerl hat es wieder einmal geschafft, mit einer zeitlosen, klugen und psychologisch durchdachten Opernregie das Publikum zu begeistern. Der Intendant der Kärntner Paradebühne versteht es meisterlich und sensibel, große Gefühle der Protagonisten verständlich zu machen und dadurch das Publikum aufzuregen und zu faszinieren.

All dies geschieht ohne historische Bezüge im schicken Ambiente und in Kostümen der Jetztzeit (Bernd-Dieter Müller und Annette Zepperitz) mit vielen subtilen - oft nur kleine Gesten und Andeutungen - aber auch starken Ideen und Details: mit viel offenem Feuer, einem durch Blitzschlag brennenden Baum, einem erlegten Hirsch, und sogar einem echten Pferd, dessen Kopf später in "Mafiamanier" dem Edgardo serviert wird.

In Sonora Vaice hat Pflegerl sein zerbrechliches, zartes Ideal für diese Partie gefunden. Die Lettin spielt und singt unglaublich mitreißend mit vielen Nuancen die Titelrolle. Intonationsrein und textverständlich ist sie nicht immer, dafür höhensicher. Claude Pia besitzt als Edgardo einen schlanken, in der Mittellage sehr schön klingenden Tenor, der nur manchmal in der Höhe etwas angestrengt klingt. Peter Danailov ist ein schönstimmiger Enrico, Danilo Rigosa ein Priester Raimondo voll edler Stimmkultur. Chor und Kleinrollen sind solide besetzt. Die belcanteske Klangseligkeit mit ihrem erstaunlichen Einfallsreichtum ist beim Kärntner Sinfonieorchester unter Guido Mancusi in guten Händen. Zeitweise hätte man sich weniger Lautstärke und dafür mehr Feinschliff erwartet.

Das Publikum reagierte mit spontanen, stehenden Ovationen und Jubel.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung