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Verführung auf sevillanisch

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Der Auftakt der diesmal premierenreichen Salzburger Fest- spiele mit Mozarts „Don Giovanni“ im Großen Festspielhaus war gewiß eines der außerordentlichem Ereignisse dieser vier Wochen: in musikalischer Hinsicht, im Juwelenglanz der Stimmen, die für diese Wiedergabe gewonnen wurden, als gesellschaftliche Attraktion. Nicht zuletzt durch Maestro Herbert von Karajan selbst, der der Aufführung die Aura des Kostbaren, Monumentalen, wenn auch mit starkem Akzent auf dem eher konventionellen Großen Operntheater, gab. Indes, beim großen Publikum im Grunde alles Atouts, über denen man freilich manche problematische Lösung dieser oder jener Szene durch den Regisseur Karajan nicht übersehen konnte.

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Der Auftakt der diesmal premierenreichen Salzburger Fest- spiele mit Mozarts „Don Giovanni“ im Großen Festspielhaus war gewiß eines der außerordentlichem Ereignisse dieser vier Wochen: in musikalischer Hinsicht, im Juwelenglanz der Stimmen, die für diese Wiedergabe gewonnen wurden, als gesellschaftliche Attraktion. Nicht zuletzt durch Maestro Herbert von Karajan selbst, der der Aufführung die Aura des Kostbaren, Monumentalen, wenn auch mit starkem Akzent auf dem eher konventionellen Großen Operntheater, gab. Indes, beim großen Publikum im Grunde alles Atouts, über denen man freilich manche problematische Lösung dieser oder jener Szene durch den Regisseur Karajan nicht übersehen konnte.

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Nun, es liegt im Werk begründet, daß das von da Pontes Libretto her nicht immer logische Dramma giocoso so oft ver- und daneben- inszeniert wurde. Karajan ist da vielen Fehlern mit Geschick ausgewichen, auch wenn die Realisierung dieses Sevilla, verglichen mit anderen Aufführungen, in Wien, zum Beispiel, nicht immer die originellste ist. Daß er etwa die großen Arien, die, liin ihrer brillanten Stajták Erbschaft des Barock, keinen direkten Bezug zum dramatischen Gefüge, zur unmittelbar vorher abgelaufenen Szene spüren lassen, auf die kleinen Seitenbühnen, vor einen symbolisch dreiteilig bemalten Zwischenvorhang verlegt, erweist sich als sehr praktisch. (Man müßte da allerdings auch für lautlosen Umbau hinter diesem Vorhang sorgen, da sonst die Arien empfindlich gestört werden.)

Und in so mancher Szene, etwa in den dunklen Gewölben, wenn Anna, Ottavio, Zerlina und Masetto Don Giovanni suchen und Leporello fassen, spürt man, daß Karajan dem musikalisch und in den Aktionen überreichen Werk vielleicht gerade mit einem konventionellen, unaufdringlichen Regiekonzept, das das schauspielerische Element dem musikalischen unterordnet, eher gerecht wird, als durch krampfhafte psychologisch-artistische Zeichnung und konstruierten Beziehungsreichtum, der der Interpretation den Charakter gespreizter Modernität liehe.

So präsentiert sich Karajans Regie, die übrigens den Dimensionen der Bühne absolut überzeugend angepaßt ist, als sachlich, auch durchaus behutsam gestaltet, als Szenerie, in der das spielerische Moment erst nach dem musikantischen zum Zug kommt, in der freilich intuitiv erfaßte Passagen neben etwas mühsameren stehen, über die hinwegzusehen dank der Qualität der ganzen Aufführung man jedoch gerne bereit ist.

Günther Schneider-Siemssens Bühnenbilder, pompöse, raumfüllende Dekorationen mit reicher Verwendung plastischer Elemente, fügen sich nahtlos in dieses Konzept, obwohl sie nicht durchweg gleichwertig sind, was ihre verdichtende Wirkung auf das Geschehen betrifft. Immerhin wird die Riesenbühne des Großen Festspielhauses total erfaßt, ohne daß die Szene zum Relief wird. Optisch sehr reizvoll sind vor allem das dunkle Gewölbe, eine schier endlos wirkende Säulengalerie, Arkaden, die einander in verschiedener Höhe schneiden, wo Karajan übrigens vollendete Auftritte, Bewegungszüge, Ahgänge entfaltet; ferner die pompösen, spanisch-manieristi- schen Spiegelgalerien, die lediglich durch ein viel zu bescheidenes Mittelstück von ihrer hehren, strotzenden Pracht verlieren. Nicht ganz überzeugt die Riesengestalt des Steinernen Gastes, eines gesichtlosen Kriegerdenkmals, das plötzlich hinter durchsichtig werdenden Wänden droht, um Giovanni bei flammendem Höllenspuk im Erdboden versinken zu lassen. Monumental mutet der Friedhof an, eine Grabanlage mit Engelkaryatiden, urzeitlich schwere Blöcke tragend, die scheinbar bis in den Zuschauerraum hineinragen.

Elegant, von enormer Farbkultur sind die Kostüme von Georges Wakhewitch, kostbar, anmutig, bei den drei Masken reinster Watteau. Für eine noble, wohl austarierte Choreographie sorgte Wazlaw Orli- kowsky.

Die Sänger: Nicolai Ghiaurov, ein etwas narzißtischer, vor dem Spiegel posierender Voyeur Giovanni. Nicht sehr dämonisch, aber im Parlando, das er mit außerordentlicher Virtuosität einsetzt, von berückender Schönheit; im dramatischen Rezitativ funkeln dunkle Baßnuancen, in der „Champagner“-Arie prickelt alles in höchstem „con fuoco“. Ihm gleichwertig, ebenbürtig sind die drei Damen: Gundula Janowitz (Donna

Anna) und Teresa Zylis-Gara (Donna Elvira); beide von bezauberndem Timbre, blendender Vortragskultur, optisch geradezu perfekt; schlechthin ideal ist die Zerlina von Mirella Freni. Lyrischen Schmelz entfaltet

Alfredo Kraus als Don Ottavio, der die Partie recht konventionell gestaltet. Geraint Evans gewinnt der Rolle Leporellos eine kräftige Portion Bravour ab. Rolando Panerai singt den Masetto untadelig, spielt ihn indes auf breitspurig, tölpelhaft. Stimmlich grandios in Form Martti Talvela als Komtur.

Die Wiener Philharmoniker und der Wiener Staatsopernchor wurden bei der Premiere von Maestro Karajan mit faszinierendem Impetus geführt. Es blitzte und schimmerte da, die Details blühten in köstlicher Frische. Resümee: Der Dirigent

Karajan spielte den Regisseur glattweg an die Wand, das bald fulminante, bald behutsam in sich gekehrte Musizieren wurde zum größten Ereignis des herrlichen Abends.

Triumphaler Jubel.

Karlheinz Roschitz

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