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Mozart-Oper in zwei Teilen
Mit Mozarts „Don Giovanni“ — sicher einem der am schwierigsten zu realisierenden Meisterwerke des klassischen Repertoires — hat die Wiener Staatsoper kein Glück. Zumindest nicht seit dem großen Opernfest von 1955. Diese letzte „Neuinszenierung“ unter O. F. Schuh beweist es. Die Bühnenbilder von Teo Otto stammen größtenteils von der Salzburger Aufführung aus 1960; die schönen Kostüme von Erwin W. Zimmer sind neu; die Regie ist teils alt, teils neu; das gleiche gilt von der Besetzung. Teo Otto ist ein ausgezeichneter Künstler, aber hier scheiterte er an einem Übermaß von Einfällen und fand keinen einheitlichen Stil. Im ersten Akt gibt es noch einige hübsche Bilder; im zweiten — anscheinend unter dem Einfluß des Regiekonzepts — häufen sich die sinnlosen szenischen Komplikationen, die im letzten Bild (wo der Komtur als auf die Rückwand projizierter Riesenschatten erscheint) in einem herauf- und herunterfahrenden Gobelin kulminieren. Überhaupt hat man den Eindruck, daß der Regisseur O. F. Schuh sich beim zweiten Akt allerlei denkt, worüber der Zuschauer im unklaren bleibt, was aber die unangenehme Nebenwirkung hat, von der Musik abzulenken.
Diese war (wir sahen die zweite Aufführung) unter der Leitung von Josef Krips von edlem Wohllaut, im ganzen eher moderiert, ohne das Brio und den Impetus, den man von früheren Kripsschen Mozart-Interpretationen in guter Erinnerung hat. Sorgsame Begleitung der Sänger, Vermeiden jeder Forcierung, jedes Hetzens und dynamischer Exzesse sowie ein ruhiger Fluß der Arien und Ensembles waren die starken Positiva. Die Besetzung
ist wohl die beste, die die Staatsoper gegenwärtig zu bieten hat. Die Damen Price, Güden und S c i u 11 i waren, jede in ihrer Art, als Sängerinnen vollkommen (nur die Stimme von Leontine Price hat in der tieferen Lage eine fremdartige, zum Mozart-Stil nicht recht passende Färbung — oder sie wird hörbar schwächer). Was Grazieila Sciutti — an allzu Lieblichem und Neckischem — zuviel ins Spiel bringt, das fehlt ein wenig Hilde Güden — an Leidenschaft, Vehemenz und Abwehr. Von den Männern erfüllt Fritz Wunderlich als Don Octavio die Forderungen seiner Partie in Stimme und Ausdruck am besten. Walter Berry'als Leporello und Rolando P a n e r a i forcieren die dargestellten Charaktere ein wenig. Oder war auch dies Intention des Regisseurs? Eine Don-Giovanni-Aufführung steht und fällt aber letztlich mit der Besetzung der Hauptpartie. Eberhard Wächter gab sein Bestes: an lebhaftem und wohldurchdachtem Spiel, kraftvoll-schöner Stimme, Kultur und Bühnensicherheit. Daß er, menschlich und künstlerisch, nicht jenes bestimmte Etwas besitzt, auf das es ankommt, kann ihm niemand zum Vorwurf machen: jene Mischung von Gefährlichkeit, Tollkühnheit und aufbrausendem Zorn, jenes Spezifische und Undurchdringliche des Don Giovanni: Faszination.
Diese halbe Premiere fand eine Woche nach dem Ende der Wiener Festwochen und eine Woche vor Spielzeitende statt. Dafür begann sie an den beiden (einzigen) Abenden dieser Saison um 18.30 Uhr... Das sind so die Dinge, über die sich der Laie den Kopf zerbricht. Warum sie nämlich so sein müssen.
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