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Außenseiter der Gesellschaft

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Selten wurde in Salzburg ein Schauspiel mit einer derartigen positiven Reaktion seitens des Publikums aufgenommen, wie dieser Tage die Premiere der szenischen Erzählung „Peripherie“ von Frantisek Langer. Der Titel dieses „literarischen Volkstheaters“ gilt im örtlichen wie im sozialen Sinn. Frantisek Langer behandelt darin das Thema „Schuld und Sühne des Individuums", wobei er die tragischen Verhältnisse eines vorstädtischen Unterweltsmilieus mit einem ausgeprägten Sinn für die an der Grenze der Zivilisation Marodierenden in ebenso menschlich-toleranter Manier wie mit härtester Realistik schildert. Weil aber die erste Fassung des Stückes, in der Franzi, ein vom Glück begleiteter Mörder, sein Gewissen erlöst, indem er einen zweiten Mord — er tötet seine peliebte — begeht, vom Publikum strikte abgelehnt wurde, gab der Autor seinem Werk einen neuen, und zwar „erleichternden“ Schluß, was allerdings zur Folge hatte, daß der dramaturgische Ablauf und die theatralische Wirkung naturgemäß Einbuße erlitten.

Dem jungen Wiener Regisseur Rudolf K a u t e k (Assistent Leopold Lindtbergs bei dessen Salzburger „Faust-H“-Festspiel- inszenierung) gelang es allerdings meisterhaft, den „aus der Not eine Tugend machenden" Stil des Expressionismus in seiner ganzen Bühnenwirksamkeit erscheinen zu lassen, wobei sich ein Konzept besonders auf eine grobe Darstellung des Wesentlichen sowie auf eine profilierte Charakterisierung sämtlicher Bühnengestalten stützte. Die realistischen, bewußt in primitivem Stil gehaltenen und atmosphärisch ausgeleuchteten Bühnenbilder von Günther K i 1 g u s, aber auch die milieugerechten Kostüme von Gitta Schuster gaben dieser wohlgelungenen Inszenierung noch zuzüglich eine spezifische Prägung.

Trotz der hervorragenden Gesamtleistung des auf der Bühne agierenden Schauspielerensembles müssen die Hauptrollenträger Alexander Wagner, Brigitta Köhler und Dirk Dautzea- b e r g hervorgehoben werden. Sehr gut auch Jürg Holl als Sprecher. Interessant das Debüt der bekannten deutschen Schlagersängerin Cornelia F r o b o e s s in der attraktiven Rolle eines Dienstmädchens. Die junge talentierte Schauspielerin wirkt allerdings mehr durch ihren natürlichen Charme als durch ihre vorerst noch etwas zu „harte“ Aussprache.

Als erste Opemneuinszenierung der diesjährigen Spielzeit ging Bizets naturalistisches Eifersuchtsdrama „Carmen" über die Bühne des Salzburger Landestheaters. Während das Regiekonzept Dr. Helmuth Matiaseks, der infolge anderer auswärtiger künstlerischer Verpflichtungen offensichtlich entscheidende Abschnitte der Probenarbeit seinem Assistenten Wolfgang S t o 11 übertragen mußte, an einer viel zu unpräzis profilierten Charakterisierung der Hauptpersonen sowie an einem tempoverschleppten Szenenablauf litt, versuchte der auswendig dirigierende Opernchef Mladen Basic das lyrische Pathos und die faszinierende tanzrhythmische Tiefgründigkeit des Werkes kammermusikalisch zu stilisieren. Die von Ernst Bruzek geschaffenen und nicht sonderlich effektvollen Bühnenbilder glichen einer in vier Variationen dargestellten Baustelle. Karin Hurdström als Micaela und Fred Würz als Escamillo waren offensichtlich fehlbesetzt, und der spanische Tenor Jose Maria P e r e z (Opernhaus Graz) als Don Jose sang die Partie stimmtechnisch noch viel zu unausge glichen (Preßtöne). Erfreulich die originellen Tanzeinlagen des Choreographen-Debü- tanten Manfred T a u b e r t sowie die hocheinzuschätzende Leistung der jungen amerikanischen Sängerin Sharon B 1 i s s als herrisch-kalte und nicht sinnlich-stolze Carmen.

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