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Teufelstanz im Redoutensaal

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Ein interessanter und kontrastreicher Abend im Redoutensaal: Nach Henry Purcells Oper in vier Bildern „Dido und Aenea s“, die um 1689 für die Mädchenschule von Chelsea geschrieben wurde, folgte Strawinskys „Geschichte vom Soldaten" (gelesen, gespielt und getanzt) aus dem Iahte 1918, für eine Wanderbühne geschaffen.

Zunächst: zweimal großartige, originelle und fesselnde Musik. Bei Purcell gerät man immer wieder in den Bann seiner iunkel-schwermütigen Lyrik, eines erhabenen Trauertones, der ergreift, und tines edlen Pathos, das, trotz seiner „Größe", auch der subjektiven und „realistischen“ Züge nicht entbehrt. ''Darin ist er Shakespeare verwandt.)

Strawinskys Partitur ist für sieben Instrumente geschrieben und zeigt eine ähnliche Besetzung wie die Dixieland- Band (Violine, Trompete, Klarinette, Posaune, Fagott, Kontrabaß und Schlagwerk, also jeweils ein hohes und ein tiefes Instrument jeder Gruppe samt Batterie). Die einzelnen Nummern (unter diesen ein immer wiederkehrender Marsch, ein Walzer, ein Ragtime, ein Tango und ein Choral) sind von originellster Erfindung, unübertrefflicher Konzentration und höchst einprägsam in ihrer harten, polytonalen Sprache. Der eminent gestische Charakter dieser Miniatursätze macht jede tänzerisch-szenische Realisierung zu einer interessanten und lohnenden Aufgabe.

Doch zurück zum ersten Stück des Abends: Hier waren alle Partien mit erstklassigen Kräften besetzt. Irmgard See- fr i e d vor allem zeigte sich in der tragischen Rolle der Dido völlig frei von Manier, ausdrucksvoll im Gesang und intensiv spielend, dabei auch stets (was aber hier keineswegs störte) auf dekorative Bildwirkung bedacht. Als ihre Freundin Belinda erfreute Anneliese Rothe n- b e r g e r durch absolute Bühnensicherheit und kluges Spiel in ihrer quasi Doppelrolle als Freundin Belinda und Spiel-Leiterin, Waldemar K m e n 11 vor allem durch seine schöne, guttragende Stimme, ebenso die Damen Laurence D u t o i t und Grace Hoffman. Das besonders klangschön spielende Orchester wurde von Günther Wich geleitet, der es auch an Intensität nicht fehlen ließ.

Der Regisseur Paul Hager mag das Gefühl gehabt haben, daß er die erhabene, statische Musik Purcells durch lebhafte optische Eindrücke kompensieren muß — und er hat dieses Konzept ohne Stil- und Geschmacklosigkeiten verwirklicht. Ebenso Stil- und geschmackvoll, vor allem in den Farben (Grau- und Blautöne bei den

Frauen, Grün bei Aeneas), waren die Kostüme Charlotte Flemings, die nur beim ein wenig planlos herumhüpfenden Ballett (dessen Choreographen der Programmzettel schamhaft verschweigt) etwas zu bunt geraten waren. — Stefan Hl a wa hatte es nicht leicht, für all das den Rahmen zu finden, der auch in den größeren des Redoutensaales paßt, aber er hat seine Aufgabe, wie immer, fein gelöst.

In der szenischen Anlage der „G e- schichte vom Soldaten“ folgte Paul Hager als Spielleiter genau den Angaben der Autoren Strawinsky und des waadtländischen Dichters C. F. R a- m u z : links auf dem Podium das Siebenmannorchester, dann die Spielfläche mit niedrigem (leider sich nur allzu oft öffnendem und schließendem) Vorhang und rechts im Vordergrund der Vorleser am kleinen Tisch, mit Lampe, Glas und Flasche.

Für dieses Werk stand gleichfalls eine erstklassige Besetzung zur Verfügung. Boy G o b e r t las und sprach, deklamierte .und kommentierte intelligent und nuanciert die einem russischen Märchen ent- stanim'enäe'' Geschichte'' vom Heimkehrer, der seine Geige (seine Seele) dem Teufel um den Preis eines Zauberbuches verschachert, den Bösen zwar überrumpelt, aber zum bösen Ende doch von ihm geholt wird (also eine Art Miniatur-Faust). — Kurt H e i n t e 1 gab in Spiel und Erscheinung ein dumpfes Soldatenwesen, Harald Kreuzberg einen faszinierenden Teufel, Christi Z i m m e r 1 eine bezaubernd aussehende und brillant tanzende Prinzessin.

Paul Hager hat auch hier die Gefahren, nämlich eine Reihe statischepischer Passagen, genau erkannt und geschickt überwunden, auch um den Preis beträchtlicher Freiheiten, die er sich nahm. Und auch in diesem Stück konnte man mit den Kostümen und Dekorationen (Fleming-Hlawa) zufrieden sein, obwohl der stärkste Eindruck von der Musik ausging, die von Hans Georg Schäfer dirigiert wurde. Natürlich „paßte“ dieses Stück mit der Jahrmarktbüihne nicht in den Rahmen des goldglänzenden und gobelingeschmückten Redoutensaales, aber man war davon — eine gute Stunde lang — so gefesselt, daß man es kaum empfand.

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