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Salzburg: Feste und Wagnisse

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Die Eröffnung der Salzburger Festspiele begann mit ernsten Tönen: Bundespräsident und Kanzler ließen die dramatische Spannung der Weltlage in ihren Reden aufklingen, in denen Salzburg wie ein Turm des geistigen Europas aufgerichtet steht. Und es begann mit einem Werk königlichen Geistes in der Musik, mit M flzart s „I domene o“. Der Salzburger „Idemeneo" ist unter Ferenc F r i c s a y s Hand zu einem Triumph der Musik selbst geworden. Denn hier lebt das Drama ganz in der Musik und aus der Musik, hier ist Größe und Würde, Schmerz und Erlösung von der Musik allein verstanden und getragen. Leidenschaftlich und dennoch hingegeben deutet Fricsay diesen Mozart aus und deckt dabei alle Schönheit und Kühnheit, aber auch alle Gefühle und infitfrstofi Aussagbh Stärksten HelftfWWse?IMuSIt8Än Blifikeftbilä''iStefan Hh a Weites'' däfs’ Meer und die sparsame Größe der Architektur wie einen Resonanzboden der Musik wirken läßt. Aber es ist auch die in ihrer Unaufdringlichkeit sehr gekonnte Regie Paul Hagers, die das Werk ganz aus sich leben läßt. Der Choreographie Heinz Rosens gelang nicht ganz so vollgültig die adäquate Ausdeutung des Tänzerischen, das dadurch auch ein wenig zu breit ausgespielt wurde. Auch die Kostüme Charlotte Flemmings entscheiden sich nicht recht zwischen Klassik und Barock. Doch Waldemar K m e n 11 offenbart in Ausdruck und Kantilene einen Idomeneo in Leid und Leidenschaft, der zugleich auch ein königlicher Mensch ist. Die andere große Erfüllung dieser Oper ist wohl Elisabeth G r ü m m e r als Elektra. Sie stand ebenso wie Kmentt ganz zur musikalischen Formung Fricsays: Ihre Elektra ist nicht in Bewegung und Erscheinung der tragisch-leidenschaftliche Mensch, sondern allein in ihrer musikalischen Überzeugungskraft. Ernst Haflinger als Idamantes blieb dabei um ein wenig blasser in seiner Gestaltungskraft, und Pilar Lorengar als Ilia brachte nicht ganz die überzeugende musikalische Darstellungskunst, manchmal auch nicht die ganze Reife der Stimme mit ins Spiel. Aber auch Haflinger und Frau Lorengar sind nur ur,

diese Nuancen gedämpftere Stimmen dieses Festes der Musik an sich. — So wurde diesmal Mozarts Idomeneo zum Festspiel der Festspiele, überwältigend aus der Größe der Musik, der Bühne und der Darstellung.

Einen großen Raum, die Felsenreitschule, hat auch ein Kammerspiel und Zauberstück, Ferdinand Raimunds „Der Bauer als Millionär“, auszuspielen. Der Versuch ist gelungen, aber das Problem blieb doch. Die zarten Töne dieses oftmals polternd lauten Stückes gingen nicht unter, weil sie gleichsam in die Größe der Natur gestellt sind, deren Spielraum nicht nur der grünende Baum der Felsenreitschule, sondern auch die fein- gliedernde Inszenierung Rudolf Steinbocks, das naive Bühnenbild Lois Eggs und die liebenswürdig phantastischen Kostüme Erni Kn i e p e r t s ist. — Problematisch dagegen war nicht, daß dieses Zaubermärchen in die diesjährigen Festspiele aufgenommen wurde. Es ist eine wienerisch-österreichische Ausprägung des geistlichen Spieles vom „Jedermann“, weise und menschlich in seiner Philosophie der Bescheidung und Zufriedenheit, tief sittlich inmitten der Allegorie der menschlichen Tugenden und Untugenden. Ein wahres Aufgebot großer und starker Schauspieler trägt noch dazu dieses Spiel in den Festspielen. Josef Meinrad als Fortunatus Wurzel, vielleicht mehr wienerisch als bäuerlich, gelingt die Verhärtung des Menschen im Geld ebenso wie die innere Einsamkeit des Alternden, Käthe Golds Lacrimosa ist eine Fee voll weiblich-menschlichen Gefühls, Paula W e s- s e 1 y s Zufriedenheit hat sprachlich und seelisch stärkste Ausstrahlung, Kurt S o w i n e t z als Neid formt ein Wesensbild aus einer überzeugenden Sprachgestalt, um nur die auffallendsten Leistungen auszuwählen.

Ist Raimunds „Bauer als Millionär“ ein Versuch dieses Zauberspiels als Festspiel, so ist Gottfried Reinhardts „Jeder- m a n n“ das Wagnis eines Versuches. Das Wagnis fesselt, aber wird es gültig werden? Da der Premierensonntag verregnet war, entfaltete sich das Spiel vom Sterben des reichen Mannes auf der breiten Bühne des neuen Hauses und im Dämmerlicht der Regie. Es ist ein anderer „Jedermann“ und doch nur neu durch sein Anderssein. Es ist üh ,„JbtfdftriJnh“ vbfP'hdàte in seiner dia- anen1 SWf'itbafkVft. ‘Wn Fehlen aller erzi'gkbit Wd Güte'm der Umwandlung des Leichtsinns in böse Kälte und ebenso in der Bilderschau einer Revue. Der Tod ist ein König der Vernichtung, ja sogar die Stimme Gottes ist schärfer geworden, und der Glaube wurde zur großen Seinsmacht, zur überwältigenden Kraft. Der Aufzug der ein wenig süßlichen Engel und der stilisierten Kirchenfahnen sollte bei künftigen Aufführungen, allenfalls im nächsten Jahr, weggelassen werden. Die Musik Ernst Kreneks ist in ihrer Aussage von unterschiedlicher Stärke, am überzeugendsten, wo sie Liturgisches und wo sie Musikgut der Gotik verwendet. Walter R e y e r s Jedermann zersplittert im Sinne der Regie die Verse zu dramatisierter Prosa, der Tod Kurt H e i n t e 1 s ist hart und kalt, der Glaube Paula Wesselys ist objektiv, ganz unsentimental kühl, die Guten Werke Sonja Sutters dagegen weiblich-warm. Die Buhlschaft Ellen S c h w i e r s’ betont die natürliche Lebensfreude und im Schrecken den Schmerz. Viele Gestalten wirken blaß, wie der Schuldknecht, oder umgedeutet, wie der Mammon. Dieser „Jedermann“ ist ein bedeutender Versuch, der zu weiterer Ausformung anregt, eine echte Erneuerung, und doch dem großen Erbe verpflichtet.

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