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Von Nestroy bis O’Neill

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Nach den Höhepunkten der Mozart- Festwoche bot das Salzburger Theater 1 e b e n dem einen wie dem anderen Publikum zuerst Johann N e s t r o y s Zauberposse „L umpazivagabun- d u s“ in der Bearbeitung von L i n d t- b e r g und Weigel. Nimmt schon die Bearbeitung der Posse den schillernden Witz Nestroys, so verwandelte die Regie Adi Fischers den Witz dazu noch in die üblichen Operettenwitze, wodurch die Posse in ihren besten Phasen eher zum Märchenstück wurde. Die Bühnenbilder (Ady Fuchs) betonten dies noch durch ihren gemäldehaften Charakter.

Problematisch bleibt in den heutigen, aus allen Ländern stammenden Ensembles die Sprache Nestroys, die eben doch nur auf echt Wienerisch zwischen Schriftsprache und Dialekt auch echt nestroy- isch ist. Trotzdem gab es einige beachtliche schauspielerische Leistungen, voran der Knieriem Walter Kohnteks.

Noch n ehr, aber nicht recht beglückenden Fasching bot das Landestheater mit seiner Jara-Beneš-Operette „Auf der grünen Wiese“. Die Musik und die Schablonenhandlung ist eben zu dünn, als daß diese Operette, die keine Operette, aber auch keine Revue und kein Musical ist, Faschingslaune mit Nachsicht erzeugen könnte. Es ist eigentlich schade, daß so viele sehr gute Leistungen darauf verschwendet wurden. Die Regie Adi Fischers tat alles, um zu retten, was nicht zu retten ist. Dem Bühnenbild von Ady Fuchs gelang im ganzen die erstrebte Spielzeugs achtel- bühne recht gut.

Die dritte Premiere des Landestheaters stürzte dann das Publikum in die Abgründe der menschlichen Natur und Unnatur, in Eugene O’N e i 11 s „Trauer muß Elektra tragen“. Es ist ohne Zweifel eine bedeutende Tat des Intendanten, dieses Stück gewählt zu haben, und ein neuer Beweis für die Leistungs fähigkeit des Schauspielensembles Salzburgs. Unter Betonung der Handlungsseite, wodurch der Darstellung die psychoanalytische Aussage überlassen blieb, wurde das trilogische Drama recht glücklich auf drei Stunden verkürzt. Die Regie Klaus Heydenreichs ließ, was heute selten ist, die Schauspieler an langer Leine. Dadurch wurden mehr als sonst Darstellungskunst und Geist der einzelnen Schauspieler offenbar, aber auch ihre wahre Begabungsrichtung. Vielleicht bekam das Drama dadurch manch andersartige Lichter. Im ganzen aber glückte dieses Experiment. Freilich mehr in der Psychologie der einzelnen Rolle als in der psychoanalytischen Abgründigkeit des Dramas in seiner Ganzheit. Anneliese Stöckl gelang es in Sonderheit, in der rächenden Urgestalt Lavinia-Elektras den harten Glauben an das Recht der Gerechtigkeit durch warme menschliche Züge noch glaubhafter zu machen. Die Christine-Klytemnästra Lola Kneidingers trug von Anfang an ihren Untergang hektisch ins Gesicht geschrieben. Mehr interessant als ganz O’Neill war der Orin-Orest Peter Roggischs, da er den schwankenden Schwächling in seiner Seele in den Vordergrund stellte. Nicht ganz fand Max Lübke als General Mannon den hintergründigen Ausdruck für die Schuld puritanischer Verdrängung des Herzens. Noch weniger konnte Herbert Propst als Kapitän Brant den Ton mitreißender Leidenschaft des Abenteurers treffen. Doch dies alles wich nicht so weit vom O’Neillschen Konzept ab, daß es nicht wenigstens eine wesentliche Seite der Gestalten zeigte. Das immer neue Schuld zeugende Grauen, das der Regie so gut gelang, blieb leider dem Bühnenbild (Ady Fuchs) zumeist versagt, soweit nicht das Dunkel der Szene behilflich war. — Die psychilogistische Umwertung dieser Urtragödie des Schicksals durch O’Neill griff das Publikum. an Herz und Nerven.

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