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Die Comedie Franchise in Wien

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Die Comedie Francaise in Wien, ein Gastgeschenk der Festwochen! Wien, einst die Hauptstadt italienischer Sprache, im 18. Jahrhundert, zuvor und darnach noch eine Stätte spanischer und französischer Kultur, hat mit vielem anderem Charme den Glanz des Mediterranen und Romanischen verloren. Dankbar vernehmen wir die Töne aus einem Saitenspiel, das längst zerrissen ist. Die Comedie Franchise kam dieses Jahr mit Moliere und Giraudoux nach Wien. Mehr als eintausendsechshundertmal wurde von 1680 bis 1959 M o 1 i e r e s „Les Femmes Savantes“, „Die gelehrten Frauen“, in der Comedie aufgeführt: Tradition und Konservation sind tägliches Leben auf dieser Bühne Frankreichs. Die gegenwärtige Aufführung vereinigt die Kultur dieses ständig präsenten „Alten“ mit einigen frischen, ungezwungen wirkenden Tönen. Harmlos und heiter wirkt heute ein Spiel, das einst hochdramatisch und hochpolitische Gesellschaftskritik war. Von den Damen sind vorzüglich Andree de Chauveron, Lise Delamare und Catherine Samie zu nennen, von den Herren ragt Louis Seigner als Chrysale hervor. Der deutschen Sprache fehlen Worte, um Inhalt und Aufführung der „E1 e k t r a“ von Jean G i r a u-d o u x richtig anzudeuten. Dieses Drama spielt in einem hellen Abgrund, in dem Witze als Blitze Götter und Menschen treffen. Die Eumeniden sind vorlaute kleine Mädchen, ihr Zw;*H-ern n— ' < Mündern geht jedoch unvermittelt in das Zischen giftiger Nattern über. Eine Pariser Gesellschaft umgibt die Opfer der Tragödie: ein vergilbter Gerichtspräsident und seine von vielen Männern geliebte Frau stehen symbolisch für Generationen schwacher Politiker und libidinöser ehrgeiziger Damen. Elektra ist bei Giraudoux ein reines, Junges Mädchen, das die Wahrheit sucht; die Wahrheit über den Tod ihres Vaters Agamemnon. Auch der heimkehrende Orest weiß von nichts. Hart, grell, gleißend, banal sind die Auseinandersetzungen in dieser seltsamen Familie, wobei Klytämnestra, Elektra und Orest durch dunkle Liebes- und Haßbindunsen aneinander-hängen; Freud und die Folgen im Hintergrund. Das Schönste wird — hier ist Atem der Poesie, im Anhauch des Schrecklichen und des Todes — von zwei seltsamen, von Giraudoux erfundenen Gestalten gesagt: von dem Gärtner, der im Zwischenspiel ein hohes Lied auf die Schönheit des vergänglichen Lebens singt, und von dem Bettler, der ein furchtbarer Gott ist, der seine Gnade durch das Schwertwort nackter Wahrheit verkündet. Glückliche Fügung: Jacques Sereys als Bettler-Gott, Zeus und Apollon, und Jean Paul Roussillon als Gärtner, als Mensch unzerstörbarer Hoffnung, bilden die schauspielerischen Höhepunkte des Abends. Regine Blaess, eine schwarzlockige, junge Schöne, besitzt nicht die Wucht und Wut dieser Elektra, die alles sehen, alles wissen will: durch den Leib der Mutter hindurch. Eigenartig, uns unvertraut wirkt die Verbindung konventioneller Bühnenbilder, technischer Einrichtungen und einer kaum merkbaren Regie mit, dem ungewöhnlichen seelischen Klima und der Geistigkeit dieses Dramas, wodurch Verzauberung durch Fremdheit und Verfremdung erreicht wird.

Shakespeares „Sommernachtstraum“ im Burgtheater: ein zauberhaftes Bühnenbild von Jörg Zimmermann, das hohe Hoffnungen weckt; eine nicht sehr ambitionierte Regie von Werner Düggelin, welche die Chancen nicht nützt, die dieses Zauberstück dem modernen Regisseur bietet, womit nicht gesagt werden soll, daß eine Reprise von Reinhardts Inszenierungen des „Sommernachtstraums“ anzustreben ist. Das Elfenkönigspaar, Peter Arens als Oberon und Annemarie Düringer, deren Rückkehr wir dankbar begrüßen, ohne rechten Glanz. Achtbar und teilweise anmutig die beiden Liebespaare. Was bleibt? Die von Shakespeare und seiner höfischen Gesellschaft als Mindervolk verachtete und verulkte „Gesellschaft“ der Handwerker um Peter Squenz. losef Meinrad führt sie an als Zettel, diese armen Teufel, auf denen doch der ganze Sonnenglanz reiner Poesie und rührender Menschlichkeit liest. Sie alle sind hier zu nennen, rund um Meinrad: Günther Hänel, Johannes Schauer, Clarin, Schmöle und Janisch. Inge Konradi als Puck sprans. so weit es ihr erlaubt wurde, aus der Haut ihrer Rolle. Viel Beifall für das Bühnenbild, Josef Meinrad und die Mitbemühten.

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