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Frys Dame etwas ohne Feuer

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Es ist das Verdienst der Josefstadt, Wien, Christopher Frys Schauspiel „Die Dame ist nięsb.t f.įkrs Fe liier»',, („The Lady is- not. for burning") vorzustellen. Wer dieses Stück liest, im Original, aber auch noch in der Uebersetzung des früh verstorbenen Hans Feist, empfängt den Eindruck: hier liegt eine der schönsten Dichtungen unserer Zeit vor. Im Gewand einer Komödie, fast ein Fastnachtspiel, in Masken des englischen Spätmittelalters, wird hier das große Thema unserer Zeit behandelt, gewandelt: die Angst vor dem Tode, die Angst vor der ‘Verfolgung, die Angst vor der Gemeinheit, der Lüge, der Brutalität, der Menschen. Die Angst nicht zuletzt des Dichters, des Denkenden, des Liebenden, erdrosselt zu werden von der Feigheit, der grausamen Banalität der „Zeitgenossen", die das Ungewöhnliche verdammen, wenn es in Menschengestalt an sie herantritt und sie alle in ihrer Fragwürdigkeit enthüllt. Fry gelingt es, was nur einem Dichter gelingen kann, und in dieser Form vielleicht nur einem Landsmann Shakespeares oder einem Romanen von hoher Kultur der Seele, die ernstesten Tatsachen, die Verfolgung also der wertvollsten Menschen, jener nämlich, die zu lieben, zu leiden und zu denken wagen, in der lichten Form der formvollendeten Komödie zu behandeln. Ein junger Mann, entlassener Soldat, will sein Leben für ein Mädchen geben, das als Hexe verbrannt werden soll, weil die Angst, die Unwissenheit, die Geldgier und die Lüsternheit einer Stadt hinter ihr her sind. Die höhe Obrigkeit, die ihr Leben vor dem „gesunden Volksempfinden", vor der Angstwut. der Massen schützen sollte, entlarvt sich selbst als fahrlässig, feig, den unteren Trieben verfallen. Nachdem dieses Werk der Enthüllung geschehen (nicht ganz so grausam wie im „Abraxas" Werner Egks), klingen Todesangst und Liebesjubel des erwählten Paares in einer unvergeßlichen Melodie zusammen. In den Schauern der Aprilnacht gelingt ihm die Flucht: gerettet das nackte Leben, für einen harten Lebenskampf auf dieser wunderschönen Erde, auf der die Menschen als Raubtiere lauern. — Die Aufführung, betreut durch ein sehr ansprechendes Bühnenbild von Käut- ner und durch Liebeneiners Regie, läßt etwas den Schmelz der Dichtung vermissen, diesen unsagbar süßen Klang, in dem Ironie, ein glühender Intellekt und ein sehr kluges Herz sich verbinden. Hilde Krahl, diese hervorragende Könnerin, umgibt manchmal mit einem Eishauch, kalt glitzernd wie ihre Staatsrobe im letzten Akt, die zarten Verse, die dann zu totem Prunk erstarren. Selten nur flammt die tiefe Zärtlichkeit und Menschlichkeit des Dichters auf. Leopold Rudolf als ihrem Partner gelingt es nur in seltenen Momenten, an jenen tief dunklen vibrierenden Unterton sich heranzutasten, der breit strömend das Drama tragen muß, soll es nicht zum Kunst-Stück vergilben. Wie schade! Diese Dichtung verdient es, Wiens schwerfälligem Theaterpublikum nicht nur vorgestellt, sondern nahegebracht zu werden. Es gibt wenige Dichtungen des modernen Theaters wie diese…

Mit viel Beifall wurde im Akademiethe'ater ein amerikanisches Schauspiel von Samson R a- p h a e 1 s o n, „J a s o n", in der deutschen Bearbeitung „Die Zwickmühle" genannt, in der Regie von Joseph Glücksmann' aufgenommen. Fast eine Komödie, halb eine gesellschaftskritische Studie, immer ein auf Wirkung wohlbedachtes Bühnenstück, vereinigt „Jason" drei Hauptthemen zu einem wirksamen Ragout: den „ewigen" Konflikt zwischen Dichter und Berufskritiker, die Kluft zwischen „unten" und „oben", upper class und lower dass, Oberschicht und unterster Unterschicht, und den seelischen Zwiespalt einer Frau, die aus der „Gosse“ des „tiefsten Südens” sich emporgearbeitet hat zur Ehefrau eines angesehenen Mannes in New York. Wiexman sieht, hat der Autor mit Erfolg und mit warmem Herzen Psychologie undSoziologieanameri- kanischen Colleges studiert, er weiß aber sein Wissen geschickt in attraktive Rollen und Masken einzukleiden. Der Held des Stückes, Jason Otis,- gewinnt das Goldene Vlies auf seiner Argonautenfahrt, indem er, ein prominenter Theaterkritiker, sowohl den Dichter, einem Mann aus dem Niedervolk, der das Heil aus dem ungebrochenen Untergrund beruft, überwindet, wie auch seine Frau zurückgewinnt, die dem Dichter bereits verfallen schien. Diesem Dichter, der mit seinem Erstlingswerk „Reißt die Mauern nieder" in das Haus Jasons eindringt, war es im ersten Ansturm gelungen, die Gattin (prächtig Susi Nicoletti) für sich zu erobern, indem er ihr gespanntes Oberflächenbewußtsein zerriß und ihren Untergrund freilegte: die Erinnerung an die elende Kindheit im Elendsquartier einer kleinen Stadt im Süden und im Banne eines Vaters, der ein Taugenichts und Trunkenbold war und dennoch das ehrgeizige Mädchen tief beeindruckte. Zugleich zerbricht der Dichter, ein genialischer Flegel (Josef Meinrad), die Kruste von Blasiertheit, Eitelkeit und Oberflächlichkeit, die der Kritiker (Robert Lindner) in einem langen Leben erfolgreicher Schreiberei um sich gebildet hat, und führt ihn durch die Angst, seine Frau zu verlieren, zu jener Menschlichkeit und Tiefe zurück, derer er bedarf, um sein hohes Amt gerecht verwalten zu können. Das Stück endet mit einem dreifachen Triumpf dei Theaterkritikers. Jason ringt den Dichter nieder, handgreiflich und geistig, indem er ihm die Eitelkeit, das Schwarmgeistige, Unfertige und Brüchige in der eigenen Brust aufzeigt, gewinnt durch diese Höllenfahrt (zuerst‘durch die eigene Brust, dann durch die des Dichters) seine Frau zurück und diktiert endlich in dritter und gültiger Fassung seine Kritik an ..Reißt die Mauern nieder" — ein wohlabgewogenes Elaborat, das Anerkennung und Kritik vereint. — Das sehr flott gespielte Stück dürfte ein großer Kassenerfolg werden und sich lange im Repertoire halten.

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