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Weihnachtspremieren

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Die Josefstadt bringt als Weihnachtspremiere Franz W e r f e 1 s Lourdei-Buch, dramatisiert von Richard Miller (wohl ein Pseudonym): „Das Lied von Bernadett e.“ Dieses Stück ist . formal nicht schlechter gebaut als hundert andere, die sich die Bühne erobert haben. Die Schauspieler sind mit Hingebung bei der Sache: Helene Thimig, Anton Edthofer, Chariklia Baxevanos. Wenn dennoch ein so angreifbarer Eindruck dieser Aufführung entsteht, dann wohl aus zwei Gründen. Seit dem Scheitern des Barocks und der Entsakralisierung des Auges ist es in unseren Zonen unmöglich, spirituelle Wirklichkeit im Theater direkt zu präsentieren. Wenn es gewagt wird, wird aus dem Mysterium eine unglaubwürdige Mär, aus dem Wunder ein Mirakel, aus gläubiger Ergriffenheit Sentimentalität; aus dem Wagnis der gottsuchenden und gotterfahrenden Seele wird Banalität, Phrase. Dazu kommt ein anderes: unsere Schauspieler wissen, mit wenigen Ausnahmen (Raoul Aslan war eine solche Ausnahme), von der himmlischen und der irdischen Hierarchie viel zuwenig, um beide darzustellen. So wird eben hier Anton Edthofers Bischof ein freundlicher Greis, Fräulein Baxevanos bleibt, bei ehrlicher Anstrengung, ein lieber Backfisch. Ueberfordert wie die Spieler ist das Publikum: der Glaube der Gläubigen fühlt sich gekränkt, der Unglaube der Ungläubigen weiß sich bestärkt und assoziiert wieder einmal Kitsch und Kult, wozu ja leider nicht nur auf der Bühne Schaubilder nicht fehlen. Lothar Müthel als Regisseur ist um Diskretion bemüht, sucht zu retten, was nicht zu retten ist. Glaubwürdig eine einzige Person: Gretl Elb als Mutter Soubirous.

Ein gewagter Stoff wird im Volkstheater in der Regie Heinrich Trimburs zu einem großen Bühnenerfolg: „Mein Busenfreund“ (Patate) von Marcel A c h a r d. In einer weniger glücklichen Besetzung kann dieses Stück leicht ins Peinliche, Widerwärtige zerfallen. Zwei ungleiche Freunde bilden die beiden Pole der Ellipse; um sie rotieren drei Frauen. Der eine, Rollo, ist ein „Kümmerer“„ ein „ungeschickter“, im Innersten hilfloser Mensch, der von seinem schönen Schulfreund, Monsieur Carradine, zeitlebens betrogen wird; zuletzt auch noch durch eine Liebschaft mit seiner von ihm vergötterten Ziehtochter. Fritz . Muliar besitzt jedoch solche Kräfte, daß er, der „Schwächling“, der „Uri-tam“,'zuletzt alle an sich fesselt: die drei Frauen, den allzeit untreuen Freund, das Publikum. Wobei ihm vorzüglich assistiert wird: durch seine schöne, liebenswürdige Gattin (Traute Wassler), die trotz seiner .Schwäche' zu ihm steht; durch die Gattin Carradines (Helmi Mareich), nicht zuletzt durch seine Ziehtochter Paola Loew, die einen gewissen Typ“niöderner Mädchen' (intellektuell, leicht ehtzüfitP lieh,' östehtativ selbstsicher und im Innersten'unSichW5' in die Zukunft äugend) sehr anziehend gestaltet. Der Bonvivant, Louis Soldan, hat es nicht leicht, neben diesen Personen und Persönchen zu bestehen. — Achard versteht es, die Spannung bis zum Schluß zu steigern, ja in einen vollmenschlichen Akkord ausklingen zu, lassen. Ein Erfolgsstück.

Das Burgtheater hat im „König Hirsch“, einer Komödie, frei nach Carlo G o z z i, von Otto Zoff ein Stück gewonnen, das Italiens klassische Comrhedia ' dell'arfe. in der Wiedergeburt durch Gozzi, mit der Wiener Tradition Raimunds und einer zart angedeuteten Gegenwartsbeziehung vereint. Gozzi, durch die „Turandot“, seine Wirkung auf Schiller, Grillparzer, die Romantik und Moderne ein Altvater unseres Theaters, legt mehr Wert auf das Magische und Moralistische der orientalischen Fabel. Zoff überträgt ins Raimundsche. Leopold Lindtberg, von dem die Bühnenfassung und Regie stammt, erinnert an Max Reinhardt. Märchen und Komödien dieser Art mit Bedeutung sind nicht zum Berichterstatten, sondern zum Anschauen. Die Schaulust kommt denn auch auf ihre Rechnung. Teo Ottos Bühnenbilder und Sepp Nordeggs technische Einrichtung entsprechen den Wünschen von Goethes Theaterdirektor. Das 16köpfige Ensemble wird von Theo Lingen (Tartaglia) und Erich Auer (König Hirsch), Aglaja Schmid (Angela), Inge Konradi und Christiane Hörbiger angeführt. Der Fasching und die Jugend, Alt-Wien und Jung-Oesterreich dürften mit der Aufführung und ihrer Fabel zufrieden sein.

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