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Zusammengwürfelt

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Es gibt mancherlei Gründe, weshalb so viele der heutigen Stücke nur wenig oder keine Handlung besitzen. Dennoch macht es Spaß, im Theater auch das Gegenteil zu erleben, etwa in einer der spanischen Mantel- und Degenkomödien ein Übermaß an Handlung. Besonders Lope de Vega versteht es meisterhaft, die Situationen wie Jonglierscheiben herumzuwirbeln.

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Es gibt mancherlei Gründe, weshalb so viele der heutigen Stücke nur wenig oder keine Handlung besitzen. Dennoch macht es Spaß, im Theater auch das Gegenteil zu erleben, etwa in einer der spanischen Mantel- und Degenkomödien ein Übermaß an Handlung. Besonders Lope de Vega versteht es meisterhaft, die Situationen wie Jonglierscheiben herumzuwirbeln.

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Dieser Luzman in seiner Komödie „Der' Ritter vom Mirakel“, die im Akadem.iethea.ter in einer Neuinszenierung herauskam, ein wortgewandter spanischer Aufschneider, Großtuer, Betrüger nützt in Rom zwei Kurtisanen und eine ehrbare Frau aus, gerät selbstverursacht in vielerlei Händel, erwartet stets Mirakel, wobei er kräftig nachhilft, macht sich die von ihm Betrogenen , zu Feinden, kriegt sie wieder herum, von ihm herbeigeführte Situationen wenden sich ins Bedrohliche, er meistert sie überraschend, plumpst aber letztlich doch hinein. Moral siegt, des Abenteurers Künste waren vergeblich. Beschwingte Aufführung unter der Regie von Otto Tausig in dem vorzüglichen Bühnenbild von Matthias Kral), .Periakten schließen sich da zu einem Hintergrundprospekt mit römischer Häuserwand. Herwig Seeböck ist ein temperamentvoller Luzman, Sigrid Marquardt, Sylvia Lukan, Helma Gautier geben den Frauenrollen Profil, Jürgen Wilke und Peter P. Jost sind die von Luzman immer wieder Hereingelegten.

Von dem Tschechen Oldfich Danek haben wir schon drei Stücke gesehen, die beeindruckten, nun führt ' das Vol/cstheater seinen abendfüllenden Zweiakter „Zwei zu Roß und einer auf dem Esel“ vor. Drei Kumpane, Söldner, ziehen durch Europa, ; bereit bei mächtigen Herren in Dienst zu treten, aber nur wenn sie , vermeinen, es gehe um Gerechtig- • keit. Prachtkerle eben. So sollen sie ; eine entführte Tochter zurückbringen. Fast geht es ihnen an den • Kragen, keine Sorge, sie kommen ; davon. Was soll's? Ist das ein Ritter-, . Schelmen-, Abenteurer- oder Volksstück? Von allem etwas. Ansätze zu Drolligem gibt es, einiges Witzige, gelegentlich eine Suada, ein weltanschauliches Wort, aber nichts schlägt durch. Rückschlüsse auf heutige Zustände ergeben sich? Das wäre eine zu gewaltsame Behauptung. Regisseur Spyros A. Evangela-tos ist merkbar bedacht, die drei

Kumpane zur Geltung zu bringen, sie werden von Gerhard Steffen, Rudolf Strobl und Uwe Falkenbach wirkungsvoll unterschiedlich charakterisierend verkörpert. Die übrigen Mitwirkenden treten nur vorübergehend stärker hervor. Einen Wald stellt der Bühnenbildner Giorgos Patsas unnaturalistisch durch ein Gewirr hängender fetziger Stoffbahnen in bräunlichen Farben dar. Ein Raum in einer Burg entsteht dann durch Zugabe von allerlei Gerumpel.

Das Glashüttenmärchen „Und Pippa tanzt“ von Gerhart Hauptmann hat man seit Jahrzehnten nicht mehr gespielt. Im Ateliertheater wird der Versuch unternommen, es uns wieder nahezubringen. Es erweist sich als ausgesprochenes Verdienst. Das Stück mit den vier Mannskerlen um Pippa, um dieses fast unwirkliche Geschöpf, ergreift gerade weil es poetisches Theater in neuen Bühnenwerken schon lange nicht mehr gibt. Aus Naturalistischem erhebt es sich schichtenweise in mystische Bereiche, der Zauber unerfaßbarer Zusammenhänge umfängt uns. Man merkt, daß heutige Autoren weite Gebiete der Seele brach lassen. In der Aufführung unter der Regie von Gerhard Eis-necker, der auch die andeutenden Bühnenbilder entwarf, bemüht sich Judith Estermann die Titelrolle glaubhaft darzustellen, die besondere Ausstrahlung fehlt allerdings. Gut zeichnen Erfiart Pauer den Michel Hellriegel, Bertram Mödlagl den alten Huhn.

Im Theater der Courage wird derzeit das erste, im Jahr 1962 urauf-geführte Stück von Edward Bond gegeben: „Die Hochzeit des Papstes.“ Titelgebender „Papst“ ist Scopey, der Star einer Kricketmannschaft, neben ihm gibt es noch vier Kerle, die sich nicht wie Sportler, sondern wie Rowdys benehmen, trinken, faulenzen. Die „Hochzeit des Papstes“ ist auch als unmögliche Situation zu verstehen, denn Scopey erträgt die Ehe mit Pat nicht, wird unausstehlich, sieht sein Lebensideal in dem von der Gesellschaft losgelösten Dasein eines alten Einsiedlers, der in

einer Wellblechhütte haust. Als er aber erkennt, daß sich der Alte lediglich deshalb zurückgezogen hat, weil er von den Leuten im Ort nicht „angenommen“ wurde, erwürgt er ihn. Nur allenfalls glaubhaft. Doch sind die Figuren gut gezeichnet. Vor allem aber zeigen sich in dem Stück Ansätze, die sich dann wirksam in „Gerettet“ entfaltet haben. Unter der Regie von Heinz Kreidl werden diese Rowdys, zwei Mädchen und der Alte überzeugend dargestellt. Hervorzuheben sind Otto Clemens als Scopey, Marika Adam als Pat, Karl Augustin als Alter. Wieder bewährt sich Günther E. Tayrich als Bühnenbildner.

International gesehen ist es der Kommunismus, der gewaltig vordringt. In Italien allerdings machen sich die Faschisten reichlich bemerkbar. Da sieht man nun in der „Werkstatt“, Theater am Kärntnertor, eine musicalartige Montage, „Dolce Duce“, die dieses, Team nach einem Stück von Rene Kaliski erarbeitete: In lockerer Form werden die letzten Tage Mussolinis, seine Beziehungen zu Petacci, zu einer Antonella, zu seiner Frau, zu Ciano sowie zu einem ihm von den Deutschen aufgedrängten SS-Obersturmbannführer vorgeführt. Mit Songs zu zwei Gitarren, mit girlhafter Bloßstellung weiblicher Reize, mit einigem Spott, einiger Ironie, mit Einschub sachlicher Berichte entsteht eine Mixtur, die an Revuen gemahnt. Allzu leichtgewichtig wii-d der ernste Vorwurf, der einen Shakespeare erfordern würde, dargeboten. So gibt es auch nichts Aggressives, kaum Pfeile ins zentral Politische, nur die Behauptung „Morgen sind wir wieder da“ und den höhnischen Zuruf „Schlaft in Ruhe!“ Regisseur Hans Gratzer bereitet das alles attraktiv zu, Peter Giljum hat als Bühnenbildner popartig Mussolini, Hitler, Stalin als Riesengestalten auf die Hintergrundwand gemalt. Alle Darsteller wirken gleich verdienstvoll: Hanno Pöschl als Mussolini (ohne Maske), in den weiteren Rollen die attraktive Christine Jirku, Sue Widl und Inge Lepin sowie Erwin Neuwirth und Erich Götzinger, der auch für die Musik und als Texter zeichnet.

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