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Schwärzester Shakespeare

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„Macbeth“ ist die kürzeste und dun-kelste aller Shakespeare-T ragödien, ist knapp, geradlinig, einfach wie eine Bai lade, ein Stimmungsgedicht von furcht' barer Gewalt. Die Schottensage monumentaler Mythos und barbarische Adelsethik aus kaum christlich gezähmtem Boden emporwachsend, springt uns als Gleichnis über ein Jahrtausend hinweg an. Die Macht als Ungeheuer, das den, der ihm verfällt, immer weiter-zumeucheln zwingt, während die regierende Sanftmut und Güte die Meuchler geradezu herauszufordern scheinen — das ist aktuell bis in unsere unmittelbare Gegenwart. Macbeth ist kein großer Verbrecher, sondern wird, vom Dämon seiner Leidenschaften überwältigt, eher zum Opfer des Bösen. Phantasie, Gefühl, Ahnung jagen ihn durch die Einsamkeit seiner Verdammnis. Damit ist der Regie die Richtung gewiesen: Die über alle Maßen grausige Haupthandlung ist in gespenstiger Jagd zum Ende zu führen. Ihr sind in Gegenbewegung die lichten Mächte gegenübergesetzt, die ethische Gegenstimme des Jünglings Malcolm, des Mannes Macduff. Im Verein mit den anderen schottischen Edlen stellen sie die zerrissene Welt wieder her.

In der Inszenierung des Burgtheaters unter Günther Rentiert waren wohl noch die heilen, die gesunde Kraft des Lebens rettenden Mächte spürbar, weit weniger aber die dumpfe, düstere, von dunkler Kraft erfüllte Welt des Macbeth. Das lag nicht zuletzt an Will Quadflieg, der den aus dem Gleichgewicht seiner Natur geschleuderten Helden eher rhetorisch anlegte. Wohl gelangen diesem ausgezeichneten Sprecher einige Höhepunkte, etwa, wenn er in jenem großartigsten aller Monologe den blutigen Dolch seiner Tat als Gespenst vor Augen in Seelenqualen hin und her gerissen wird, ehe er sich zum unseligen Königsmord entschließt. Aber Angst, Grauen und Größe der Melancholie umgaben ihn, der doch ein Teufel in Menschengestalt ist, immer nur wenige Augenblicke lang. Heidemarie Hatheyer als Lady Macbeth, die realistische Mordgefährtin des Phantasten, kam nie über das Mittelmaß hinaus; die berühmte Nachtwandlerszene war mit konventioneller Routine erspielt. Verfehlt auch die Hexenszenen, nachdem man den Auftritt der Oberhexe Hekate gestrichen und zwei Schauspieler (Ernst Anders, Peter P. Jost) und eine Schauspielerin (Blanche Aubry) die Hexenbeschwörungen sprechen ließ. Ihre Kostüme 1 uhd magischen Stahlbesen gemannten^ 'ehir an Teahnikercxäe^'1 cHthrn nischen Bereiches, die — allgegenwärtig — Macbeth nur noch als willenlos Getriebenen zu lenken schienen. Heinz WOester gab den gütigen König Duncan, Achim Benning Duncans Sohn und Nachfolger Malcolm; Walter Reyer war der edle Macduff, Erich Auer der wackere Banquo. Theo Otto hatte ein magisches Bühnenbild entworfen, das nur in den Hexenszenen bisweilen zuviel Kunstgewerbe bot. Die Klangkomposition stammt von Gottfried v. Einem und Hans Totzauer. Lebhafter Beifall.

Das Theater in der Josefstadt brachte überraschend bald nach der Pariser Uraufführung im vergangenen Herbst die Kriminalkomödie „Und die Hölle, lsa-belle?“ von Jacques Deval, Die seltsame Frage wird seitens des Staatsanwaltes an die hübsche Frau Isabelle Angelier gerichtet, die bereits dreimal hintereinander verwitwet ist und dabei jedesmal eine Lebensversicherung auf 100.000 Francs einstrich. Die Untersuchung wegen Gattenmordes muß mangels Beweisen eingestellt werden. So bleibt nur der vage Hinweis auf die Höllenstrafe. Schuld scheint ein zauberkräftiger Ring zu sein,den jeder der Gatten eine Zeitlang tragen mußte. Für todbringende Gedanken oder Wünsche gibt es jedoch noch keinen Gesetzesparagraphen. Deval, ein gewiegter und witziger Boulevardschriftsteller, versteht, attraktive Rollen und Situationen zu schaffen, doch sind vier Akte für den an sich originellen Einfall entschieden zu lang. Johanna v. Koczian als Isabelle lächelt das Stück hindurch liebenswürdig und hintergründig, sehr zum Leidwesen des unermüdlichen, aber erfolglosen Untersuchungsrichters (Robert Dietl). In Episodenrollen gefielen Ursula Schult, Elfriede Ott und Elfriede Irrall, Erik Frey führte Regie. Freundlicher Beifall, auch für den Autor.

Das Kleine Theater im Konzerthaus der Josefstadt bringt als österreichische Uraufführung fünf tragische Szenen von Walter Lieblein unter dem Gesamttitel „Pendelschlag des Bösen“. Der Autor meint in einer kurzen Einleitung im Programmheft: „Um nicht ins Alltägliche und Banale zu geraten, muß der Dramatiker aus dem bekannten und allgemein gültigen Problem die .letzten tragischen Konsequenzen' herausarbeiten und damit einen .tragischen Grenzfall' gestalten. Dadurch wird auch bei den kurzen tragischen Szenen das erreicht, was die Aufgabe der Tragödie überhaupt ist: für das Wirken und den Sinn des (Schicksalhaften' einen neuen, zeitlosen Ausdruck finden.“

Das ind große Worte, denen freilich keine adäquat gestaltende Kraft gegenübersteht. Szene 1: Die Geliebte ersticht bei der letzten Umarmung ihren Liebhaber, der sie verlassen will, und dann sich selbst. 2: Der Bettler erschießt den reichen Jferrn, der ihn beschenken will/ '3: Neid-. Auseinandersetzungen zwischen“ zwei' ehemaligen Schulkölleginrien: die eine arm und hübsch, die andere reich und gealtert. Das geraubte Kind wird zurückgestellt. Also ohne tödlichen Ausgang. 4: Das alte Fräulein nimmt den Landstreicher aus Mitleid in ihre Wohnung. Es kommt zu Zärtlichkeiten, worauf der Mann sie erwürgt. 5: Ein ältlicher Herr hat seine junge Frau nach der Hochzeitsnacht umgebracht. Sie hatte knapp vorher mit ihrem früheren Geliebten ein Hotel aufgesucht. Nach vier enthüllenden Telephongesprächen erschießt sich der Herr. — Die „tragischen Grenzfälle“ entpuppen sich als banale Kolportage. Neben einigem Treffenden steht Plattes, Alltägliches; zuwenig für eine verdichtete Kurzszene. Der Erfolg des Abends ist ausschließlich den Leistungen der Schauspieler zu danken. Unter der Regie von Friedrich Kallina waren ausgezeichnet: Elfriede Irrall als verlassene Geliebte, Erne Seder als böse, neiderfüllte Rivalin, Gret Elb in der ungemein heiklen Rolle des alten Fräuleins und Guido Wieland als ältlicher Herr im Alleingang des letzten Bildes. Ein Abend der Schauspieler.

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