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Literatur und Unterhaltung

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Die beiden ersten Menschen durften, wie im ersten Buch Mose erzählt wird, nicht vom Baum der Erkenntnis essen. Geheimnisreicher Anfang: Weil sie es dennoch taten, erkannten sie, was gut und böse ist. Die Szene unter dem Baum mit ihren Folgen hat schon immer fasziniert. Sie ist in der Komödie »Adam und Eva” von Peter Hacks, die derzeit im Volkstheater aufgeführt wird, zentral gelagert.

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Die beiden ersten Menschen durften, wie im ersten Buch Mose erzählt wird, nicht vom Baum der Erkenntnis essen. Geheimnisreicher Anfang: Weil sie es dennoch taten, erkannten sie, was gut und böse ist. Die Szene unter dem Baum mit ihren Folgen hat schon immer fasziniert. Sie ist in der Komödie »Adam und Eva” von Peter Hacks, die derzeit im Volkstheater aufgeführt wird, zentral gelagert.

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Auch Komödien sind kaum noch dramatisch, hier gibt es lediglich einen sehr spärlichen Ansatz im hinhaltenden Widerstand Evas gegen die Einflüsterungen Satenaels in Gestalt der Schlange. Ansonsten besteht das Stück aius Gesprächen Gottes mit Gabriel und Satanael und vor allem aus dialektischen Auseinandersetzungen des guten mit dem bösen Engel, beider mit Adam. Worum geht es dem vor 20 Jahren in die DDR übersiedelten Hacks? Um das Problem der Freiheit.

Adams und Evas Biß in den Apfel in der Bibel ist nur von einer Frucht die Rede — erweist ihre Freiheit. Daß ihnen nun der Garten Eden mit dem Baum des Lebens verschlossen bleibt, verbürgt nicht nur, frei zu sein, sondern frei zu bleiben. Was für eine Freiheit ist das? Hatte Gott darauf gesehen, daß Stoff und Göttliches gleichwertig in den beiden wirke, meint Adam nun, nichts mehr sei in ihnen aus Gott, jedwedes aus ihnen selbst. Freiheit wird als Autonomie postuliert, Widerspruch dazu: Gott erklärte eingangs, daß er auch die Fähigkeit des Ungehorsams in die beiden gelegt habe. Eine Loslösung von dieser Voraussetzung wird durch den Biß in den Apfel nicht bewirkt, das ist eine Wunschvorstellung des Autors. Nicht mehr. Worauf das Stück hinauswill, überzeugt nicht.

Über dieses Stück wäre noch viel zu sagen. Doch zur Aufführung: Unter der kaum beeindruckenden Regie von Fritz Zecha geraten Alfred Rupprecht als Adam und Renate Bernhard als Eva mitunter in Aussagetöne. Zugegeben, der Text Blankvers — ist manchmal sperrig, aber auch klug. Peter Hey glaubt man die Überlegenheit Gottes bei leicht menschlichen Regungen. Bernhard Hall bemüht sich als Gabriel, ist aber doch etwas überfordert. Karlheinz Hackl erweist als Satanael nicht nur besondere Wendigkeit, man glaubt ihm den bösen Dämon. Der bekannte Bühnenbildner Thomas Richter-Forgäch enttäuschte nicht und wirkt wie eine Parodie auf das Konventionelle: originell und lustig. Im übrigen: endlich wieder ein neues Stück, das an Grundfragen des Daseins rührt.

Das Theater in der Josefstadt brachte die deutschsprachige Erstaufführung des 1875 in London spielenden Stücks „Der Fremde” von Robin Maugham, einem Neffen Somerset Maughams. Man denkt in manchem an Anouilhs „Passagier ohne Gepäck”. Zu den begüterten Headleighs kommt einer, der behauptet der Sohn zu sein, der seit zwanzig Jahren als tot gilt. Lady Head- leigh, die herrschsüchtige Mutter, die nie an den Tod ihres Lieblingssohnes glaubte, anerkennt den Fremden sofort Ist er es, ist er es nicht? Die Untersuchungen füllen das Stück, bis es am Schluß, nach einer Gerichtsverhandlung, zur Aufklärung kommt. Mit den Mitteln traditioneller Dramaturgie gelingt es dem Autor, den Zuschauer dauernd in Spannung zu halten, nur geht man dabei leer aus. Die Figuren bleiben einem völlig gleichgültig, da sie um der Spannung willen nicht vpn innen gezeigt werden. Selbst die verschiedenen Aspekte der egoistischen Mutterliebe Lady Headleighs kommen erst in den allerletzten Szenen heraus. Doch da erweist Joana Maria Gorvin unter der präzisen Regie von Herbert Kreppei ihre starke Persönlichkeit. Sieghardt Rupp gibt dem Fremden eine nur selten bedrohte Sicherheit. Erik Frey, Harald Harth und Hans Holt sowie Christine Böhm und Marion Degler zeichnen einprägsam weitere Gestalten. Vom noblen Hellgrau und Weiß des repräsentativen Raums von Gottfried Neumann-Spallart setzt sich das fast ausschließliche Schwarz der Kostüme von Eva Sturminger wirkungsvoll ab.

Sollten wir die Technik abschaffen können? Trotz ungeahnter Vorteile, die sie bietet, wird sie immer bedrohlicher. hi dem derzeit im „experiment theater am lichtenwerd” gespielten Stück „Der Lechner-Edi schaut ins Paradies” von Jura Soyfer, der in Wien lebte und 27jährig im KZ an Typhus starb, wird der Versuch, sie abzuschaffen, unternommen. Hier allerdings — ein längst widerlegtes Motiv — weil sie Arbeitslosigkeit verursacht. So nun reisen der arbeitslose Lechner-Edi und der personifizierte, ebenfalls arbeitslose Elektromotor „Pepi” in die vergangenen Jahrhunderte zurück, zu Galvani und anderen Erfindern, auch zu Columbus, um sie zu bewegen, auf alle Neuerungen zu verzichten. Vergeblich, andere Galvanis würden an ihre Stelle treten, also darf der Mensch nicht geschaffen werden. Aber auch diese Forderung läßt sich nicht erfüllen, prallt an den Pforten des Paradieses ab. Da gelangt der Lechner-Edi zur Einsicht: „Auf uns kommt’s an!” Ein Aufruf voll Hoffnung. Auch heute kommt es auf uns an, aber weshalb bannt die Menschheit die viel größeren Gefahren nicht? Soyfers Stück ist mit leichter Hand, mit kabarettistischen Verkürzungen hingeworfen und wird unter der Regie von F. F. M. Sauer mit Fritz Holy als Edi und Josef Pechhacker als „Pepi” und weiteren vier Darstellern unbeschwert gespielt. Mehr als der spärlichen Büh- nenbildandeutung von Erwin Bail bedarf es diesfalls nicht.

Morde in Kriminalstücken berühren, uns nicht mehr, sie bewirken allenfalls detektivische Instinkte. Ein derartiges Stück kann durchaus auch eine Komödie sein, so „Wer hat den Weihnachtsmann gekillt?” des Engländers Terence Feely, die in der „Kleinen Komödie” zur deutschsprachigen Erstaufführung gelangte. Weihnachtsparty bei einem weiblichen „Showstar” für Kindersendun gen. Spannung wird erweckt: Eine geheimnisvolle, tonverzerrte Stimme im Telephonlautsprecher kündigt der Attraktiven für heute den Tod an. ‘Unter den Geschenken befindet sich ein kleiner Sarg mit ihr als Puppe. Schon ist der Kriminalinspektor da, um den Mord zu verhindern. Wir, versiert in Kriminalstücken wissen, er wird es nicht. Erhöht die Spannung. Geschenke für die Anwesenden, spiritistische Sitzung mit Gei- sterbefragung, Maskerade, ungerufen taucht ein junger Photoreporter auf. Und dann Mord vor uns, freilich ‘ im Dunkeln. Entwirrung des Verwirrten bei Einbau von Überraschungsmomenten. Perfekte Mache des nicht restlos Glaubhaften, perfekte Aufführung unter der Regie von Herbert Pendl. Tilla Hohenfels wirkt als die Attraktive überzeugend, Walter Scheuer gibt mit Gelassenheit den Inspektor. Beachtlich in weiteren Rollen Jutta Heinz und Gustav Elger, Hellmuth Hron und der junge Alexander Wächter. Wolfgang Müller-Karbach entwarf den stagnierten Wohnraum.

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