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Anschluß an „Maskerade“

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-Also, da wären wir ja wieder einmal ganz phänomenal Winkerl gestanden, wir weltbekannten, (deswegen) überall beliebten, aber nicht überall geachteten Mauerblümchen auf dem tanzenden Kongreß. Während die Weißbesmokingten in Venedig die Preise an die ganze Welt verteilen, ziehen wir in aller Seelenruhe aus was weiß ich für Gründchen und Weh-wechen — letzten Endes ja doch nur aus nationalem. Ressentiment — den Film „Ich und meine Frau“ aus dem Wettbewerb det Biennale und führen ihn hier einer restlos hingerissenen, sich selbst darin erkennenden und gefeierten Wiener Freundschaft und Verwandtschaft vor. Seis drum. Es gab einen ehrlichen, stürmischen Premierenerfolg im Apollo, am „Burgtheater“ des Wiener Films, wie noch selten in den letzten Jahren.

Denn hier sind sie wieder, die schmerzlich lange vermißten Töne und Zwischentöne aus „Maskerade“ und „Episode“, jenes gewisse Etwas, Wienerisch musikalische, Tief- und Leichtsinnige, jene

östc.....cichische Liebe und Treue zu den stabilsten

Werten des Lebens. Ein Blick auf die Fabeln des guten Dutzends von Paula-Wessely-Filmen, und es ist klar, daß sie nie anderes gewesen sind als Prüfsteine von Liebe und Treue, Lotungen auf die echten Tiefen und seichten Untiefen der Zeit. Krisen und Störungen in der natürlichen Ordnung der Geschlechter, der Ehe, der Familie. Richtig. Immer aber schwang das Pendel in die gesunde, fruchtbare bipolare Spannung ein — während die Dramaturgie des Films nahezu der ganzen übrigen Welt förmlich versessen ist auf den Dreiecks- und Vierecksaustausch: letzter Ausverkauf von Liebe, Ehe Und Treue, funebrale Selbstbespiegelung der Verwesenden.

Es ist nicht klar, welchem Spießergehirn der Verdacht entsprungen ist, die Fabel dieses Films habe einen bekannten, deutschen — übrigens auch recht guten — Film plagiiert. Es ist also wohl ein Plagiat geworden, wenn zwei deutschsprachige Filme in einem ganzen Jahr die Partner am Schlüsse nicht: einfach wie dreckige Hemden wechseln, sondern sauber zum Auftrag und zur Aufgabe der Ehe stehen?? Ach, lassen wir das'. Es ist wirklich zu dumm — angesichts der nuancenreichen, witzigen und wehmütigen Variation der „alten Geschichte“, wie sie die Autoren Rotter, Farkas und Schreyvogl hier klug und, nach Heine, „immer: neu“, zum Tränenlächeln erdacht haben; der alten Geschichte von „Er sei dein Herr“ und „Sie sei dein Dienstbot“. Ach, wie gescheit die beiden Pole zueinander- und zurechtgebogen werden: wie lieb der Haustyrann sein kann, wenn „es brennt“, wie ernüchternd die leisen Lockungen (hier: ganz unverfängliche Jugendreminiszenzen) in ,der Hausfrau nach achtzehnjähriger Ehe zerfallen, und wie nett die „Moral der Gschicht“': wenn, sich der brummige Ehemann im Schlußbild am Telephon, korrigiert: „Meine Frau und ich“ (und nicht: „Ich und meine Frau“). . „Ich ist ..Attila Horbiger,. Eine scharf kon-turierte, ideale Charakterkomödie:Leistung. Das künstlerische Wachsen dieses Mannes, das heute

schlechtweg Unentbehrliche seiner Couleur in der Palette der Wiener Schauspielkunst, herrlich verwaltetes Erbe aus schöpferisch reich gesegneter Sippe, ist erstaunlich, imponierend, bewundernswert. Er ist der notwendige zweite Schwerpunkt dieses Films, eines Films, der auch im übrigen mit der typisch wienerischen, schöpferischen Melange deutsch-ös.terreichisch-ungariseher Persönlichkeiten (vom Regisseur bis zum letzten Episodisten)-reich dotiert ist.

„Meine Frau“, ist Paula Wessely: Ureigene Schöpferin eines „Wiener Stiles“ auf der Bühne

und auf der Leinwand, Konzertmeisterin jenes ungekrönten, unsichtbaren Philharmonikerorchesters des letzten Endes unsynchronisierbaren Wiener Films, Idealbild jener weit- und lebenerhaltenden, frucht- und segenspendenden Fraulichkeit und Mütterlichkeit, die inmitten des gott- und menschenverfluchten Weltuntergang-, Standard- und Make-up-Typs von Hollywood und den Vereinten Nationen der Nachäffer leise, ruhig, in unbeirrbarem Wachsen, Reifen, Bezeugen und Bekennen ihren Weg geht. Ein Trost und eine Hoffnung in dieser trost-und hoffnungslosen Welt (nicht nur) des Films.

Gab' es dich nicht, sagt eine ihrer 2ViHingstüchter in dem Film, man müßte dich erfinden.

' Und sie müssen es wissen, die, süßen, holden, zukunftsfrohen Zwillingstöchter. Denn sie heißen: Gloria. Und Victoria. Und das heißt Ruhm und Sieg. Zwar nicht auf dem glatten Parkett von Saturnalien und Biennalien, dafür aber dort, wo die wirklichen Entscheidungen fallen.

's- ...

Einer ungewöhnlichen Dramaturgie folgt der amerikanische Film „M eine Cousine Rachel“. Nachdem eine schöne Frau genügend in den Verdacht gebracht worden ist, erst einen englischen Adeligen in Florenz, dann seinen jüngeren Vetter auf dessen Herrensitz in Cornwall durch Gift ermordet oder zu ermorden versucht zu haben, verunglückt sie auf dem Höhepunkt der Spannung tödlich und läßt den Vetter — und ein betroffenes Filmpublikum — zeitlebens, in qualvollster Unsicherheit darüber, zurück, wer sie eigentlich wirklich gewesen sei: Mörderin oder liebende Frau. Dieses virtuose Würzen und Abschmecken, hinter dessen nervösem Aesthetizismus ein kühler, abgebrühter Amoralismus droht, mag für überfeinerte Gaumen seinen Reiz haben — dem Durchschnitt des Kinopublikums ist er bestimmt nicht zuträglich. Die rein formalen Vorzüge des Films sind bedeutend: Henry Costers atmosphärendichte Spielleitung, die sich stellenweise weit übet den Blaustrumpfrang der „literatischen“ Vorlage (Daphne du Maurier) erhebt, die künstlerisch inspirierte Kameraführung und die eindrucksvolle Darstellung der Hauptfigur durch Olivia de Havil-land.

Die trächtige Fabel von dem „Onkel aus A m e r i k a“, dessen bloßer Reichtumsmythos (er ist in Wirklichkeit ein braver, armer Schlucker aus Texas) schon genügt, in einer deutschen Kleinstadt Geld wie Gras wachsen zu lassen, ist in dem gleichnamigen deutschen Filni von Carl Boese mit recht netten, lustigen, zum Teil funkelnagelneuen, zum Teil uralten Lichtern ausgestattet worden (der Stoff ist in Deutschland mindestens schon zweimal verfilmt worden). Hans Moser überrascht durch ein völlig neues Fach: feinnuancierte, sehr verhaltene Charakterkomödie, ohne Nuscheln und Schusseln, ein gütiger, liebes- und ruhebedürftiger alter Herr. Man könnte sich das Sujet noch kräftiger,, beherzter und gescheiter verfilmt denken — etwa im Stile, der berühmten englischen Nachkriegssatiren —, denn hinter dem scheinbar harrn-losen Witz des Grundeinfalls steckt ..Tieferes, Ernsteres als das bloße Kitzeln an der Archilles-ferse des Hochkapitalismus.,.' '““

Ein netter deutscher Film, freilich mit aller ungelöster Problematik der „verfilmten Operette“ im Hintergrund, ist „Der letzte W a 1 z e r“ geworden. Fast ist das Drehbuch in dem krampfhaften Bemühen, Eigenes zu bieten, zu weit ge-: gangen. Trotzdem: brillante musikalische Bearbeitung, glänzende Episodisten, gut aussehende Hauptdarsteller (Eva Bartok, Curd Jürgens). Apropos: Jürgens. Ob es sich um solcher Filme willen wirklich lohnt, eine Burgtheaterposition aufs Spiel zu setzen?

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