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Der langlebige Mimus

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DAS DURGTHEATBR. Wirklichkeit und Illusion. Von Friedrich S o h r • F v o r I. — Speldol Vcrlftf, Wien IMS. MS Sellen mit reiehOB Bildichmuck in Farbe und Schwan weis. Praia S US.-. - SCHICKSAL SlIROTHEATER. Von Konrad SohrS( ndor- (ar. Stia ny.Bücherei, 101 Oral, IMe. 1 8 Selten. Prell S 18.-. - HANS MOSER. VolkikOBlker und Meniohendarataller. Von Dakar Mauru Fontana. Variai Kremirr nn Schönau, Wlaa UMS. SS Seiten alt 10 Bildtafeln. Preis S 11S.-.

Für einen neuen Beitrag zur überreichen Burgtheaterliteratur bringt Friedrich Schreyvogl als erblich belasteter Ungroßneffe eines der bedeutendsten Grundsteinleger des künstlerischen Burgtheaters, als Lyriker, Romancier und Dichter u. a. von sechs „Burgtheaterstücken”, als Konsulent der Bundestheaterverwaltung, Kritiker, Lehrer der Schauspielakademie und des Sehönbrunn- seminärs, zuletzt als zweiter Direktor und Chefdramaturg des Burgtheaters 1954 bis 1961 eine „Identitätskarte” mit einem Dutzend Stempeln (Karas cho — Passiert!) mit. Ein seltsames Bucht Wissenschaft und Roman zugleich lm 18. und 19. Jahrhundert, atembeklemmendes Drama etwa von den beiden Wildgans-Aren an, mündet es fast in eine anzügliche Historie republikanischer Hofintrigen und Direktionskrisen, bei denen nach Schreyvogl immer drei Motive mitwirken: ein ständig wachsender Widerstand der Presse, das plötzliche Ende einer entscheidenden Unterstützung des Direktors durch höhere Instanzen oder die Gewißheit, daß ein neuer Mann, insgeheim gewählt, schon zum Einzug bereit ist” (S. 191). Und: „Wer sich ln die Geschichte des Burgtheaters vertieft und das Schicksal seiner Direktoren überlegt, lernt das Fürchten” (S. 197). Um so höher ist es dem Verfasser anzurechnen, daß er über seine Erlebnisse als Mitdirektor so nobel hinweggeht, beim Nennen eines bestimmten Namens nicht „rott sieht” und im übrigen den Leistungen seines Erbfeindes eine so umfangreiche sachliche Anerkennung zollt.

Eine kleine Richtigstellung zu S. 140: Wildgans’ denkwürdige „Rede über Österreich” war wohl für eine Vorlesung am 12. November 1929 in Stockholm vorgesehen, konnte aber von dem Dichter wegen einer schweren Erkrankung erst am 1. Jänner 1930, und zwar nicht in Schweden, sondern im Radio Wien gesprochen werden.

Das Bildmaterial ist üppig und vielfältig und reicht von der guten Mutter und schlechten Schauspielerin Maria Theresia bis zu den brillanten Darstellerinnen unserer Zeit Judith Holzmeister, Johanna Matz und Aglaja Schmid.

Ein „Epilog” stellt die Zukunft des Burgtheaters in die gesellschaftlichen Wandlungen unserer Zelt und ln die empfindliche Konkurrenz durch Film und Fernsehen. Obwohl er mit des Sterndeuters Seni dunklen Worten aus dem „Wallenstein” beginnt: „Es wird eine schwere und unsichere Zukunft sein”, endet er nicht „mit Fluch der Sang”, sondern — und das wird niemanden überraschen, der Schreyvogls These von dem zählebigen Mimus kennt, der allen gemeinsam 1st: Theater, Film, Rundfunk und Fernsehen — zuversichtlich, voll Vertrauen auf den Immensen geistigen Fundus instruc- tus und die „geheimen Kräfte” der Entwicklung des Burgtheaters: „Glück und Gnade”.

„Die Quadratur des Zirkels, das Perpetuum mobile und ein Idealer Burgtheaterdirektor, das sind drei unlösbare Probleme.” Mit diesen bitteren Worten charakterisiert ein Mann, der ganz und gar nicht zum Zynismus neigte, der Hamburger Alfred Frhr. v. Berger, als Erzähler, Lyriker und Dramatiker („Oenone”!) weniger erfolgreich, seine Tätigkeit als unmittelbarer Nachfolger M. E. Burckhards und Sohlen thers als Burgtheaterdirektor 1910—1912. Er hinterließ ein paar Inszenierungen In Dingelstedt’schen Naturalismus, wie sein Biograph Schrögendorfer soeben in einem sauberen Büchlein in Erinnerung bringt, trieb Raubbau an seiner Gesundheit und starb schließlich, wie viele seiner Kollegen, „am Burgtheater”.

Wohl nicht mit dem großen Haus, aber wenigstens mit dem Akademietheater und den Salzburger Festspielen, wie übrigens mit fast allen anderen Bühnen Wiens, verbunden waren das Leben und Schaffen des nun schon wieder fast zwei Jahre toten Schauspielers Hans Moser (1880 bis 1964). Zu Lebzeiten des in seiner Art einzigartigen Voitoskomi- kers und noch mehr nach seinem Tode mag sich mancher verständnisvolle Freund seiner Kunst besorgt, gefragt haben, wem wohl einmal die Würdigung dieses Originals in die Hände fallen werde. Habemus papam, wir haben ihn, denn bei O. M. Fontana, einem Theater- Polyhistor unserer Tage, ist sie wahrhaftig in guten Händen.

Gleich das erste Kapitel greift weit aus (bis zu Aristophanes, Plautus und Terenz und dem Kasperl, dem verwandelten „Kaspar” der Heiligen Drei Könige) und macht aus Mosers „Wurzeln des Humors” eine kleine Kulturgeschichte des Spaßmachers, Moser scharf abgrenzend von seinen unmittelbaren Vorgängern Girardi, Thaller und Pallenberg und seinen Zeitgenossen Chaplin, Paul Hörbiger, Karl Valentin, Theo Lingen, Hans Rühmann u. a. Hier besticht auch in dem auch sonst sehenswerten und mit Unica aus Privatbesitz gespickten Bilderteil der Versuch, durch Porträtbilder aus 64 Jahren die Entwicklung eines Schauspielerantlitzes sichtbar zu machen. Die weiteren Kapitel führen Moser, den eigentlich spät Erkannten, über Bühne und Film (1935: 11 Filme, noch nach 1947: 54 Filme: „Viel gab ihm der Film, viel blieb er ihm schuldig”).

Es ist kaum ein Zugeständnis an Verlag und Leser, wenn 15 Seiten den zu Hunderten kreisenden Moser- Anekdoten gewidmet sind; sie gehören zu ihm wie das Nuscheln zu „seinem” Duden. Von ihnen bleibt die klassische wohl jene, nach der Moser beim Moser-Kopien-Wettbewerb eines Faschingsfestes unerkannt nur den dritten Preis machte und die Richter darob selber trösten mußte: „Im Kopieren war i immer schwach. Daß i aber den Moser auch net mehr treff, mein Gott, was wird der Moser dazu sagen?” Ein Rollenverzeichnis von zirka 100 Bühnen- und 125 Filmrollen (zum Vergleich: etwa 80 Operetten- und nicht viel mehr Lustspielrollen Girardis), das verschämt trotz allem Bemühen seine Unvoilständigkeit gesteht, beschließt das prächtige Buch. Was für ein Mensch! Was für ein Leben! Was für ein beseligendes Schmunzeln und Lächeln des unsterblichen Mimus 1

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