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Zweierlei Liebe

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Der Engländer Frederick William Rolfe, zum Katholizismus übergetreten, fühlte sich zum Priester berufen, wurde aber aus zwei geistlichen Seminaren ausgeschlossen. Nachdem er sich in verschiedenen musischen Berufen betätigt hatte, schrieb er im Jahr 1904 einen Roman, in dem er darstellt, wie ihn, den in einer Dachkammer frierenden Hungerleider, zwei Kirchenfürsten holen, er empfängt die Priesterweihe, begleitet nach dem Tod des Papstes den einen der beiden hohen Herren als Kaplan zum Konklave nach Rom und wird dort zum Papst gewählt. Die Kardinäle wollten mit dieser, wie sie meinten, nutzlosen Stimmabgabe eine ungenehme Wahl verhindern.

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Der Engländer Frederick William Rolfe, zum Katholizismus übergetreten, fühlte sich zum Priester berufen, wurde aber aus zwei geistlichen Seminaren ausgeschlossen. Nachdem er sich in verschiedenen musischen Berufen betätigt hatte, schrieb er im Jahr 1904 einen Roman, in dem er darstellt, wie ihn, den in einer Dachkammer frierenden Hungerleider, zwei Kirchenfürsten holen, er empfängt die Priesterweihe, begleitet nach dem Tod des Papstes den einen der beiden hohen Herren als Kaplan zum Konklave nach Rom und wird dort zum Papst gewählt. Die Kardinäle wollten mit dieser, wie sie meinten, nutzlosen Stimmabgabe eine ungenehme Wahl verhindern.

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Ein anderer Engländer, Peter Luke, hat vor drei Jahren Rolfes Roman „Hadrian VII.“ — Hadrian VI. starb 1523 — dramatisiert, die Bühnenfassung wird nun auch im Burgtheater gespielt. Wozu alber die Fiktion von dem armen Kerl, der auf Petri Thron gelangt? Die Manifestierung einer Wunschvorsteliung, daß nach 745 Jahren wieder ein Engländer Papst wird, kann uns wenig berühren. Doch die Rasanz, mit der dieser 20 Jahre lang von „katholischen Brüdern“ und Geistlichen schlecht behandelte Dachstubenmensch als Pontifex Maximus Reformen durchführt, wäre noch vor zwei Jahrzehnten, auf der Bühne dargeboten, von mancherlei Brisanz gewesen. Der bedingungslose Verzicht auf weltliche Macht, die Ablehnung der weltlichen zugunsten der apostolischen Kirche, das Eingeständnis, „in Gottes Augen erbärmliche Versager“ zu sein, der Wille zu apostolischer Einfachheit, das sind Bestrebungen, deren Umsetzung, Verwirklichung im Gang ist. Davon lesen, hören wir täglich. Utopisch ist nur noch, wie Prälat Ungar feststellte, das Aufgeben des Kirchenstaates und der Verzicht auf die Kirchenschätze. Heute hinkt das Stück der Entwicklung nach. Bleibt der menschliche Gehalt. Die • schlechte Behandlung, die dieser Hadrian VII. erfuhr, hat ihre Ursache in mangelnder Menschenliebe, erklärt sein Beichtvater. Doch aus seiner Verbitterung gewinnt er die Energie zu den Reformen. Erst als er sie durchgesetzt hat, ist er der Liebe fähig. Sind also Erneuerungen nur von liebeleeren Menschen möglich? Die persönliche Eigenart Rolfes — Luke übernimmt es — isoliert die Gestalt als Einzelfall. Nochmals: Mangelnde Liebe als Voraussetzung für Reformen. Johannes XXIII. ist der Gegenbeweis. Der große Publikumserfolg des Stückes im Ausland ist wohl eine Folge davon, daß hier keine Probleme aufgeworfen werden, die durch Kühnheit befremden, daß es wirksame Rollen gibt und das Theater sich optisch entfalten kann. Im Burgtheater bietet der Regisseur Dietrich Haugk eine Aufführung, in der alle Rollen vortrefflich durchgezeichnet sind, nur sollte er sich einiger Zutaten enthalten, insonderheit des Panoptikums am Schluß. Josef Meinrad gibt dem Rolfe das Sonderlinghafte, die Frömmigkeit, die Besessenheit, die Kraft aus der Verbitterung und erreicht damit — nach dem Don Quichotte — abermals einen Höhenbereich seiner Darstellungskunst. Gerhard Geisler als alter, ruhig überlegener Kardinal, Klaus Behrend als klug-einsichtiger Bischof, Erich Auer als polternder Kardinal-Staatssekretär, Michael Janisch als rüd-ordinärer, puritanischer Widersacher Rolfes und Zdenka Prochazkova als lüsterne Hauswirtin bieten überaus eindrucksvolle Figuren. In den Hauptszenen läßt Roman Weyl über dem leeren, dunkelroten Bühnenraum eine riesige Tiara in jeweils verschiedener Höhe schweben.

*

Anouilh wurde, von zwei, drei wertvollen Stücken abgesehen, in Deutschland überschätzt, während man ihn in Frankreich vorwiegend als geschickten Szeniker, als „Theaterraubtier“ einstufte. Das war die Zeit, da zahlreiche Pariser Dramatiker mit einer Uberfülle von Stük-ken internationale Erfolge errangen. Seit einer ganzen Reihe von Jahren ist da aber fast völlige Ebbe. In dieser Situation nun wurde das neue Stück von Anouilh „Geliebter Antoine“ nach der Uraufführung im Oktober vergangenen Jahres von der Pariser Presse enthusiastisch gelobt. Die derzeitige Aufführung im Theater in der Josefstadt erweist es als eines seiner schwächsten. Der Anfang läßt einiges erwarten: Auf einem bayrischen Schloß, das einem erfolgreichen französischen Dramatiker Antoine gehört, treffen sich nach dessen Tod zur Testamentseröffnung seine geschiedenen Frauen, die letzte Geliebte und einige Freunde. Es gibt mancherlei Geplänkel vor allem zwischen den Frauen, vom Phonographen ertönt eine Anrede des Toten an die noch Lebenden, ansonsten wird diese Situation in einer Rückblende nur unvollkommen abgewandelt. Worum geht es? Um das scheinbare oder wirkliche Geliebtsein des „Vielgeliebten“, der selbst nicht wirklich lieben kann, um die Erkundung der wahren Einstellung zu ihm. Eine etwas powere Thematik, die zu arg billigen Aussprüchen über die Liebe führt. Ein einziger Einfall in all der Einfallslosigkeit, die nach dem Anfang dag nicht vorhandene Stück frißt: Eine junge Frau hat, obwohl sie Antoine liebt, einen anderen geheiratet, weil sie von wirklichen

Dingen umgeben sein will und nicht, wie bei ihm, stets von unwirklichen. Aber das ist in ein paar Sätzen gegesagt.

Hans Thimig entfaltet als Regisseur gewandtes Gesellschaftstheater. Hans Holt glaubt man die Anziehungskraft des Antoine auf die Frauen nicht recht. Vilma Degischer beeindruckt durch die Haßliebe einer der verlassenen Gattinnen. Als eine andere alte, abgebrühte zynische kann Helene Thimig nicht überzeugen, ihre schätzenswerte Wesensart ist im Gegenteil seelische Wärme. Guido Wieland, Jochen Brockmann, Carl Bosse bieten ihre bekannte Eigenart, Sylvia Eisenberger und Gertraud Jesserer vertreten die jüngere Generation. Rudolf Schneider-Manns Au entwarf die noble barocke Schloßhalle.

Lida Winiewicz hat Stücke geschrieben, die wesentliche Fragen behandelten, nun schaltet sie auf pure Unterhaltung um. Ihr Lustspiel „Ehe oder Liebe!“, das in den Kammerspielen uraufgeführt wurde, ist unbekümmert fingerfertige billigste Konfektion. Scheidungsanwälte haben angeblich einen Horror vor der Ehe, weshalb Stefan, der diesen Beruf ausübt und seit 15 Jahren mit der Physikprofessorin Sophie in voller Harmonie lebt, sie nur zu heiraten bereit ist, wenn sie ihm nachweist, daß es auch nur eine einzige glückliche Ehe gibt. Die Nachweise mißlingen, Spekulation auf das Wohlgefallen der unglücklich Verheirateten unter dem Publikum, die amüsiert glauben sollen, alle anderen seien auch nicht besser dran. Das flotte Spiel mit Elfriede Ott und Gerhard Riedmann, in kleineren Rollen mit Lotte Lang und Emst Waldbrunn leitet Hermann Kutscher. Da Stefan ein Pflanzennarr ist, entwarf Neumann-Spallart einen pflanzenüberladenen Wohnraum.

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