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Theater am Jahresende

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Das Burgtheater hat seinen Freunden als Weihnachtsgabe eine Aufführung der österreichischen Tragödie beschert. Grillparzers „Ein Bruderzwist in Habsburg“ ist das österreichische Staatsdrama, es enthüllt alle Schwächen der Politik und der Machtübung in diesem europäischen Raum und offenbart in einer Symphonie von vollen, leisen und verhaltenen Tönen den inneren Reichtum von Menschen, die hier gewachsen sind. Dazu enthält dieses kostbare Kleinod, in edelster Sprache, die Maxime österreichischer Mission in einer Welt von Gegnern und Feinden, im Gespräch Kaiser Rudolfs II. mit Herzog Julius von Braunschweig, in der Stiftung des „heimlichen Gerichts des offenen Rechts“ des Ordens der „Friedensritter“, der unsichtbar am bloßen Herzen getragen wird, von den „Besten aller Länder“, „Männern, die nicht dienstbar ihrem Selbst, nein, ihrer Brüder Not und bitterm Leiden.“ — Die Neuaufführung, unter der Regie Gielens, könnte als ein schwacher Abglanz der großartigen Aufführung vor zwanzig Jahren, mit Aslan als Rudolf II., bezeichnet werden, wenn sie sich überhaupt mit jener vergleichen ließe. Hier und heute wird keine Symphonie gegeben, sondern, hart und scharf zurechtgeschnitten, ein historisches Schauspiel nach Schillerscher Art. Eindrucksvoll, auf seine Weise, Werner Krauß als Kaiser Rudolf, die anderen, in diesem Männerstück, in den achtbaren Grenzen ihres Könnens, wobei Skoda als Ferdinand herausragt.

Scharoff, der verdiente Leiter des Moskauer Künstlertheaters, inszeniert im Volkstheater Gogols „Revisor“ mit unerschütterlicher Treue zum kleinsten Detail und mit der peinlichen Sorgfalt eines seiner Sache, dem Theater, wie er es auffaßt, verschworenen Verehrers. Viel zu lang und viel zu naturalistisch ausgesponnnen und ausgespielt wird da dieses auf seine Weise unsterbliche Stück.

Die unpoetische Uebersetzung, die aus vertraglichen Gründen gewählt werden mußte, trägt ihr Teil dazu bei, die Heiterkeit zu mindern. Harry Fuss in der Titelrolle zieht sich am besten aus der etwas langatmig geratenen Affäre.

Zur Eröffnung des Kleinen Hauses der Josefstadt im Wiener Konzerthaus hat Florian Kalbeck einen Festprolog geschrieben, den Hilde Krahl vorträgt und auf dessen Veröffentlichung wir warten; er enthält eine kleine Philosophie, Weltweisheit des Theaters, seiner Funktion in einer Gesellschaft von Publi-kümem von heute. Ebenso hoffen wir, das erste Stück dieses Abends, wohl ein Hörspiel, „L a ß wehen die Zeit“ von Rudolf Bayr, gedruckt einmal lesen zu können. Es ist so befrachtet mit Sentenzen und Wortbildern, daß man über einen halben Satz noch nachsinnt, dieweil die vier Personen des Stücks sich in ihren Erinnerungen bereits um Jahre von uns entfernt haben. Ein reizvolles Motiv: zwei Paare, ein altes und ein junges, sinnen, nebeneinander, über die Ehe, über ihr Zusammenleben und Nebeneinanderleben nach. Gerhard Rühm hat eine scharf akzentuierte Musik dazu geschrieben. Maria Emo ragt als Erscheinung und durch ihre Kraft, Unsichtbares sichtbar zu machen, hervor. — Das zweite Stück dieses Eröffnungsabends, „D i e Stühle“, von I o n e s c o, einem gegenwärtig im Vordergrund des Pariser Theaterlebens stehenden Autor, wird durch Helene Thimig und Günther Haenel zu einem Erlebnis großer Schauspielkunst. Zwei alte Leute spielen sich die Wunschträume ihres gescheiterten Lebens vor, mit Hilfe eines Dutzend leerer Stühle, die sie mit ein-gebildeten Personen besetzten. Ein Stück, das nur aufführbar ist in allerbester „Besetzung“. Hier ist sie gegeben.

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