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Vor dem Bildschirm

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VIEL ZU WENIG geschieht int Kampf gegen Rassenhaß und Rassenvorurteile (die es auch bei uns noch geben soll!). So muß es als doppeltes Verdienst des Fernsehens gewertet werden, das packende Schauspiel „Das Leben meines Bruders“ von Lida Winiewicz in einer vorzüglichen Aufführung des Theaters der Courage wenigstens als Aufzeichnung an weitere Kreise herangetragen zu haben. Hans Joachim Schmiedel, Kurt Sobotka, Heinz Payer, Charles E. Johnson, Henriette Hiess und Rudolf Rösner gestalteten zusammen mit Antonio Lepeniotis (Bühnenbild) und Wolf Harnisch und Georg Lhotzky (Inszenierung) einen eindrucksstarken Abend. Wenn auch manches Detail der sehr sorgfältigen Bühneninszenierung (etwa Mienenspiel und Gesten der an dem Gespräch gerade nicht beteiligten Darsteller) im Fernsehen durch den vorwiegenden Einsatz von Nah- und Großaufnahmen verlorengehen mußte, so wurde doch gerade auf diese Weise — bis auf einige versäumte Pointen — eine atmosphärische Dichte erzielt, die das Erlebnis des Fernsehzuschauers dem des Theaterbesuchers gleich werden ließ.

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WIE EIN ORIGINALFERNSEHSPIEL wirkte Fritz Hochwälders Komödie „Der Unschuldige“ in einer Eigenproduktion des Österreichischen Femsehens; womit wohl das höchste Lob für die Fernsehinszenierung eines Bühnenwerkes ausgesprochen ist. An dem Zustandekommen des Erfolges waren die vorzüglichen Darsteller (allen voran Attila Hörbiger, Friedl Czepa und Christi Hörbiger) ebenso beiteiligt wie die Dekorationen (Gerhard Hruby) und die Regie (Wolfgang Glück).

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FERNSEHSPIEL NANNTE SICH die Aufführung von Anouilhs Schauspiel „Thomas B e cket“ oder „Die Ehre Gottes“ durch den Süddeutschen Rundfunk: So gut auch die darstellerischen Leistungen waren, das Fernsehgemäße blieb uns die Inszenierung vielfach schuldig. Etwa die in dem Schauspiel verwendeten, den Stilmitteln des Films entnommenen „Überblendungen“, also Szenenwechsel und Zeitsprung auf offener Bühne, waren nicht in die bildsprachliche Form des Fernsehens zurückverwandelt worden. Die bühnenmäßige Form aber, im Theater außerordentlich eindrucksvoll, wirkte auf dem Bildschirm nur befremdend. Gut hingegen war die Bewältigung einiger Szenenübergänge durch harte Schnitte. Von dem vorzüglichen Ensemble seien nur Heinrich Schweiger als König Heinrich, Heinz Baumann als Bcchet, Klaus Schwarzkopf als König Ludwig und Margit Saad als Gwendoline genannt. Regie führte Rainer Wolffhardt.

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DER WIDERSPRUCH, den die Übertragung von „Wir sind noch einmal davongekommen“ aus dem Düsseldorfer Schauspielhaus allenthalben hervorgerufen hat, mag dem Fernsehen die Richtigkeit setner Wahl bestätigen. Denn neben den ablehnenden Stimmen derer, die hinter der äußeren Mischung aus Kabarett, Farce und Drama die große Tragödie der Menschheit nicht erkennen konnten (oder nicht erkennen wollten), steht das dankbare Schweigen aller jener, denen so die einzige Gelegenheit geboten wurde, dieses berühmteste Werk des amerikanischen Dramatikers Thornton Wilder kennenzulernen. Von den vielen Mitwirkenden, die in der Inszenierung von Karl Heinz Stroux eindrucksvolle Leistungen boten, seien nur Attila Hörbiger, Gerda Maurus. Nicole Heesters, Evelyn Baiser und Martin Benrath genannt. Ihr intensives Spiel wurde durch die Kameraführung auch auf dem Bildschirm zu eindringlicher Wirkung gebracht.

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DIE BESTE SENDUNG ihrer Art, die wir je gesehen haben, brachte das Österreichische Fernsehen mit dem Bericht von Hermann - Langbein „Zum Jahrestag der Befreiung des Hinrichtungslagers Auschwitz“. Sehr gut waren der Beginn mit den Aufnahmen der heutigen Situation, die Mischung von persönlichem Bericht, Film- und Bildmaterial und unmittelbarer Diskussion, die Auswahl des Bildmaterials (auch quantitativ) und der Sprecher selbst sowie seine Diskussionspartner. Sehr gut war auch der Gedanke an sich, die Menschen an eine Zeit zu erinnern, die schon wieder allzusehr in Vergessenheit geraten ist.

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ANDERS ALS ALLE ANDEREN Reportagen von Heinz Fischer-Karwin war die erste Sendung seiner neuen Reihe „Anders als alle anderen“, die einen Einblick in Leben und Wesen der. Engländer zu geben sucht. Aus sehr guten Aufnahmen ist da ein ansprechender Bildbericht gestaltet worden, mit einem treffenden, manchmal witzigen, manchmal sarkastischen Kommentar. Die Interviewten waren alle vorzüglich ausgewählt: Sie sprachen ein fast akzentfreies Deutsch und überraschten durch ihren gewinnenden Charme. Die Zahl der Interviews blieb auf ein erträgliches Maß beschränkt, und der Reporter selbst kam nur ganz selten ins Bild.

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ZWEI KUNSTWERKE zu einer Einheit zu verschmelzen, ist — ähnlich wie beim „Weihnachtsoratorium“ — auch mit der Sendung „Kleine Kostbarkeiten großer Meister“ nicht gelungen. Die völlig unmotivierte Begleitung von Liedern aus „Schem'ellis Gesangbuch“ mit einer Folge von Bildern, die größtenteils mit dem Inhalt der Gesänge wenig zu tun haben, wird dadurch nicht besser, daß es sich bei den Bildern um Aufnahmen des Wiener Neustädter Altars im Wiener Stephansdom handelt} Bild und Ton laufen nebeneinander her und bringen einander gegenseitig um die Wirkung: Schade um die Gesänge von Johann Sebastian Bach, schade um den Wiener Neustädter Altar!

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ABSCHIED NEHMEN hieß es von Küchenchef Franz Ruhm. Nach 88 Fernsehsendungen hat er — aus gesundheitlichen Gründen — seine aktive Fernsehtätigkeit eingestellt. Mit Franz Ruhm tritt eine, der so seltenen echten Fernsehpersönlichkeiten vom Bildschirm ab.

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NACH WIE VOR UNERFREULICH sind die häufigen Programmänderungen, die oft erst am Tage der Sendung und oft ohne Angabe einer Begründung bekanntgegeben werden. Wie will man die Zuschauer dazu bewegen, „selektiv zu sehen“, also aus dem Programm auszuwählen, wenn sie dann, vor dem Empfänger sitzend, öfter als ausnahmsweise einmal feststellen müssen, daß die gewählte Sendung nicht stattfindet!

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