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Vor dem Bildschirm

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EINE BEDEUTUNGSVOLLE SENDUNG war die Life-Über- tragung von der „Eröffnung der Fortsetzung des Vatikanischen Konzil s“. Hier wurde nicht nur Millionen interessierten Menschen die Möglichkeit geboten, an diesem Ereignis teilzunehmen — dessen Bedeutung wir heute noch gar nicht abschätzen können — sondern es zeigte sich auch die Weltoffenheit der katholischen Kirche, die nicht nur die Massenmedien duldet, sondern sich ihrer bewußt bedient; und es wurde wieder einmal deutlich, welche Möglichkeiten dem Fernsehen innewohnen.

BESONDERES LOB gebührt dem Österreichischen Fernsehen für die Eigenproduktion des Stückes „Biedermann und die Brandstifter“ von Max Frisch. Die Geschichte von dem Biedermann, der es nicht wahrhaben will, daß sich die Brandstifter in seinem Haus niederlassen, ist so voll aktueller Beziehungen und zugleich so zeitlos und allgemeingültig, daß dieses Stück Anspruch auf jene Verbreitung hat, die nur das Fernsehen bieten kann. Helmuth Matiasek (Fernsehbearbeitung und Regie) hat dieses Theaterstück sehr gut als Fernsehspiel inszeniert. Problematisch war nur der Versuch, den „Chor der Feuerwehrleute“ — von Leopold Rudolf vorzüglich gesprochen, aber leider etwas zu sehr mit Nachhalleffekten belastet — durch Folgen von Filmausschnitten zu unterlegen. Diese Bilder kamen zwar optisch gut zur Wirkung, entsprachen aber in ihrer Realität nicht ganz der Ebene des Stückes, die an der Grenze zwischen Realität und Irrealität liegt. Auch die in den Filmfolgen einmontierten Stehbilder konnten diese Erscheinung nicht ganz wettmachen. Ein schauspielerisches Kabinettstück war der „Biedermann“ von Fritz Muliar, seine ihm ebenbürtige Gattin gestaltete Grete Zimmer. Die Rollen der beiden Brandstifter lagen bei Helmut Qualtinger und Kurt Sowinetz in bewährten Händen. Die übrigen Darsteller fügten sich gut in das Ensemble ein, Rudolf Schneider Manns-Au hatte vorzügliche Dekorationen geschaffen. Ein bemerkenswerter Abend.

MIT ETWAS MEHR SELBSTKRITIK wäre es leicht zu ver- hindern, daß eine Sendung von Niveau über ein so interessantes Thema, wie es dem Fernsehbericht „Auf den Spuren von Ivo Andric“ von Karl Bednarik und Otto Anton Eder zugrunde lag, allein durch die übergroße Länge so viel an Reiz einbüßt. Die schon zum Gemeinplatz gewordene Regel von der Beschränkung, in der steh der Meister zeigt, ist gerade bei solchen Sendungen ganz besonders beherzigenswert. Es erhöht weder die Qualität der Sendung, noch nützt es dem Zuschauer, wenn er mit einer solchen Fülle von Bildern und Gedanken überschüttet wird und ihm obendrein nicht die Zeit bleibt, das Gesehene und Gehörte-auch richtig aufzunehiuęn und für einige Zeit. zu behalten.

EINE EINDRUCKSVOLLE und sehr fernsehgemäße Interpretation erfuhr Arthur Millers „Der Tod des Handlungsreisenden“ in einer Inszenierung des Bayerischen Rundfunks unter der Regie von Michael Kehlmann. Leopold Rudolf war der Willy Loman, der wurzellose Mensch, der an der Tragik seines Wunschtraumlebens zugrunde geht. Neben ihm boten Charlotte Schellenberg, Klaus Jürgen Wussow, Horst Frank und andere weitere vorzügliche wie auch ergreifende und erschütternde Leistungen.

NICHT GANZ GELUNGEN ist die Umsetzung einer Inszenierung der Münchner Kammerspiele von Kleists „Amphitryon"in die Dimensionen des Fernsehens. Das Wort, auf der Bühne von der Persönlichkeit der dem Zuschauer unmittelbar gegenüberstehenden Schauspieler getragen, verlor viel von seiner hier sehr wesentlichen Wirkung. Die äußere Ähnlichkeit der beiden Figurenpaare, auf die Distanz des Zuschauerraumes abgestimmt, ging durch die Nähe der Fernsehkamera fast völlig verloren. So konnte man sich nur an die Leistungen der einzelnen Darsteller halten, von denen hier Antje Weisgerber, Carla Hagen, Peter Pasetti, Horst Tappert, Rolf Boysen und Romuald Pekny genannt seien.

.EIN BEMERKENSWERTER VERSUCH war die Folge des von der Condor-Film in Zürich als Gemeinschaftsproduktion des Bayerischen, Schweizerischen und Österreichischen Fernsehens hergestellten Fernsehfilms „Napoleon und Eugeni e“. Unter der Regie von Niklaus Gessner wurden hier mit den Mitteln des Films statische Bilder zu eindruckvollem Leben erweckt; und wenn auch manchmal des Guten etwas zu viel getan war, so ist doch der Mut zu loben, neue Wege zu gehen, jener Mut, dem man auf unseren Fernsehschirmen leider nur ganz selten begegnet.

DIE PROBLEMATIK einer Verlängerung der Sendezeit wird besonders deutlich, wenn man Sendungen wie „Der Onkel vom Land“ sieht. Was hier an Niveaulosigkeit geboten, was hier an abstoßenden Charakteren auf den Bildschirm gebracht wurde, ohne jeden tieferen Sinn und Zweck, das spottet jeder Beschreibung. Und das alles noch dazu am Beginn des Abendprogramms, wo sicher sehr viele Kinder und Jugendliche zusehen! Hier muß man die Frage stellen: Wer ist dafür verantwortlich, daß solche „Sendungen“ in unser Fernsehprogramm Eingang finden?

AUF DIE MINUTE GENAU wird das Fernsehprogramm jetzt angekündigt. Die Sendungen beginnen nicht etwa um 18.35 Uhr oder um 18.40 Uhr, sondern um 18.37 Uhr oder um 18.38 Uhr. Das ist besonders originell, wenn in dem Programmablauf Verspätungen von zehn Minuten und mehr an der Tagesordnung sind! Daß man sogar eine Verspätung von 55 Minuten beim Österreichischen Fernsehen offenbar als normal empfindet, ist daraus zu schließen, daß man es nicht einmal für notwendig findet, sich am Beginn einer derart verspäteten Sendung zu entschuldigen. So geschehen am 9. Oktober 1963.

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