6718926-1965_03_14.jpg
Digital In Arbeit

Vor dem Bildschirm

Werbung
Werbung
Werbung

IN EINER NAHEZU HARMONISCH ausgewogenen Mischung von Besinnlichkeit und Vergnügen führte uns das österreichische Fernsehen durch die jüngst vergangenen Feiertage hinüber in ein neues Jahr, dessen Stunden wie ein Buch mit sieben Siegeln vor uns liegen. Dieser noch unbeschriebenen Zukunft galten auch die mahnenden ernsten Worte und Gedanken von Kardinal König, mit denen er die Österreicher über die beiden Massenmedien Fernsehen und Rundfunk zu menschlicher und politischer Besinnung aufrief. Eindringlich und aufrüttelnd waren die mahnenden Feststellungen des geistlichen Oberhirten, und wir können nur hoffen, daß seine Wünsche und Empfehlungen bei allen Angesprochenen auf fruchtbaren Boden fallen werden. Den stärksten Eindruck im Reigen der weihnachtlichen Sendungen hinterließ ohne Zweifel die von Prälat Dr. Leopold Ungar eingeleitete Wiedergabe einer von farbigen Künstlern gesungenen, getanzten und mimisch gestalteten Darstellung des Mysteriums der Geburt Christi. Gleich einem ekstatischen Hymnus, aber getragen von tiefer Innerlichkeit strahlte diese „Black Nativity — Schwarze Weihnacht“ ihre menschversöhnende Kraft in die von weihnachtlicher Stimmung erfüllten Häuser. Das von den verschiedensten Chören und aus wechselnder Umgebung dargebotenen Lied „Stille Nacht — Heilige Nacht“ verdichtete die Atmosphäre naiver Gläubigkeit.

ETWAS UNTERSCHIEDLICH in bezug auf Qualität und künstlerischen Elan war das festtägliche Vergnügungsprogramm bestückt. Einer ansprechenden urwienerischen Inszenierung von Hermann Bahrs „Die Kinder“ in der Akademietheaterbesetzung mit Attila und Christiane Hör-biger, Wolf Albach-Retty, Hans Thimig, Ernst Anders, Michael Janisch und anderen folgte eine weniger überzeugende Operettenübernahme aus Münchens Gärtnerplatztheater mit Franz von Suppes „Banditenstreiche“, bei denen Regisseur Kurt Pscherer nicht recht wußte, ob er dieses eigentlich nur musikalisch liebenswerte Werkchen mehr in den Gefilden des Musicals oder der Operette ansiedeln sollte. Stimmlich gefielen vor allem Anton de Ridders bravouröser Tenor als Räuberhauptmann Malandrino und die füllig-bezaubernden Soprantöne von Hedi Klug und Dorothea Chryst.

TAGS DARAUF ZEIGTE ES SICH, daß dem einst so entzückenden musikalischen Lustspiel „Meine Nichte Susanne“ von Hans Adler in der Vertonung Alexander Steinbrechers die Taufe mit Spreewasser, die ihm der Sender Freies Berlin in einer eigenen Fernsehbearbeitung zuteil werden ließ, keineswegs gut bekommen ist. Trotz dem Aufgebot von Hannelore Schroth, Karl Schönböck, Peter Vogel und Peer Schmidt wurde aus der luftig-vergnüglichen Seifenblase pariserisch angehauchter Frivolität ein ziemlich grob konturierter Schwank ohne jenes Flair spritzig-charmanten Humors, dem man manches nachsieht und verzeiht.

DA WAR EINEM SCHON die faschingsmäßig aufgezäumte Löwingeriade „Der Vizekönig“ oder „Liebe ist keine Krankheit“ noch lieber, die wieder einmal bewies, daß der Prinzipal aus der Neubaugasse mehr Charakterkomiker ist, als seine schon zu einem gewissen Klischee erstarrten bäuerlichen Wastlfiguren ahnen lassen.

REICHHALTIG UND WOHL FÜR JEDEN GESCHMACK unterhaltsam präsentierte sich schließlich der letzte Abend des vergangenen Jahres auf dem Bildschirm. Der spätnachmittägliche Auftakt mit Robert Lembkes heiterem Beruferaten und dem köstlichen Film „Der Hund, der Herr Bozzi hieß“ mit Peter Ustinov und dem kleinen Pablito Calvo fand seine besinnliche Fortsetzung in der Heinz-Conrads-Sendung „Wie's einmal war“ aus dem Altersheim Lainz. Karl Farkas in oft erprobter Simpl-Umrahmung mit Maxi Böhm, Ernst Waldbrunn, Elly Naschold und Franca Steinberg schlug dann mit seiner witzig treffenden „Bilanz des Jahres“ die Brücke zu jener lauteren Fröhlichkeit, mit der Schlager- und Schallplattenstars aus Hamburg in „Schau hin — Show her“ ihre mehr oder minder jugendlichen Fans in die ersten Stunden des neuen Jahres hineintollen ließen.

ALS EIN „MAGAZIN FÜR ANSPRUCHSVOLLE“ entwickelte sich die Sendung „Europa — hier und heute“, deren schauspielernden Kommentator wir uns jedoch in Zukunft mit weniger moquantem Lächeln und arrogant herabgezogenen Mundwinkeln wünschen würden.

AUS DER RECHT DÜNN GESÄTEN EIGENPRODUKTION an Fernsehspielen blieb vor allem die von Walter Davy stilsicher geformte Inszenierung von Anzengrubers „Das vierte Gebot“ im Gedächtnis haften, wenn es einem zuweilen auch schien, als ob der vollsaftige Helmut Qualtinger für die Gestalt des alten Schalanter und mit Walter Kohut als mißratenem Sohn doch noch etwas zu jung sei.

ERFREULICH UND AMÜSANT war die Begegnung mit Fritz Eckhardt nicht nur in der Aufzeichnung seiner Komödie „Minister gesucht“ aus den Kammerspielen, sondern auch in seinen „Schwäbischen Geschichten“, mit denen er so manche menschliche Schwäche und manchen amtlichen Mißstand erfrischend und couragiert aufs Korn nimmt.

IN DIESEM JAHR, das mit Jubiläen überreich gesegnet ist und in dem auch das österreichische Fernsehen auf das erste Dezennium seines Wirkens zurückblickt, haben die Zuschauer nur den einen Wunsch: Laßt die mächtige Devise „In memoriam“ nicht allzusehr die Inangriffnahme und Erfüllung noch vieler unerledigter Aufgaben am Bildschirm überschatten.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung