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Schauspiele hatten in Bregenz Vorrang

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Nach opern-parodistischer Eröffnung mit Donizettis „Das Debüt der Mamma Agata“ und dem Spiel auf dem See, diesmal mit „Hoffmanns Erzählungen“ von Jacques Offenbach, lagen die attraktiven Schwerpunkte der weiteren künstlerischen Darbietungen der jetzt zu Ende gehenden Bregenzer Festspiele 1976 offensichtlich auf dem Sektor der Schauspiele und Sprechstücke.

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Nach opern-parodistischer Eröffnung mit Donizettis „Das Debüt der Mamma Agata“ und dem Spiel auf dem See, diesmal mit „Hoffmanns Erzählungen“ von Jacques Offenbach, lagen die attraktiven Schwerpunkte der weiteren künstlerischen Darbietungen der jetzt zu Ende gehenden Bregenzer Festspiele 1976 offensichtlich auf dem Sektor der Schauspiele und Sprechstücke.

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Gromes Interesse und puouBums-trächtig stärksten Widerhall fand dabei zweifellos die von Leopold Lindtberg mit dem Ensemble des Wiener Burgtheaters beschwingt und ansprechend ziselierte Neuinszenierung des „Originalzaubermär-chens“ von Ferdinand Raimund „Der Verschwender“, dessen Besetzung direkt als ein „Fest der Persönlichkeiten“ gefeiert wurde. Mit Attila Hörbiger als einem von der Güte und Weisheit des Alters überstrahlten dienstbaren Geist Azur, Josef Meinrad und Inge Konradi in ihren Paraderollen des Bedienten Valentin und des Kammermädchens Rosa sowie Waltfier Reyer als männlich-verschwenderischem Flottwell, nicht zu vergessen die köstlich-altjüngferliche Koketterie von Alma Seidler in der Figur des Holzweiberls und die würdige Noblesse Fred Liewehrs als Herr von Klugheim feierten alle 'guten Geister des zweihundertjährigen Burgtheaters im Bregenzer Theater am Kornmarkt, dem sie zwei Jahre lang aus den verschiedensten Gründen ferngeblieben; waren, berückende Wiederaufers tehung.

In der wunderbar stimulierenden Atmosphäre und Renaissancearchitektur des Hofes im Gräflichen Palast zu Hohenems fand das Hugenotten-Drama „Donadleu“ von Fritz Hochwälder, anläßlich seines 65. Geburtstages, stilgerechten Schauplatz und eine durch ihre konzentrierte Geschlossenheit ansprechende szenische Wiedergabe unter der Leitung von Wolfgang Glück, wobei vor allem Klaus Behrendt in der Rolle des verkannten Dichters Escambar-lat und Ullrich Haupt als Interpret der Titelfigur durch die Intensität ihres überaus menschlichen Spiels zu überzeugen wußten.

Dritte im Bunde der Freilichtaufführungen war die im Stil eines Pawlatschenspiels aufgezogene

Inszenierung der in unseren Breiten ziemlich unbekannten Komödie „Der Herr im Haus“ von Carlo Goldoni auf dem von mittelalterlicher Fachwerkromantik umwehten Martinsplatz in der alten Bregenzer Oberstadt. Unter seinem wendigen und einfallsreichen Prinzipal Bruno Felix war das Ensemble des Theaters für Vorarlberg bemüht, ein unterhaltsames Scherflein zum Gelingen der heurigen Festspiele beizutragen.

Den Beschluß in diesem nach schauspielerischer Güte und literarischem Wert unterschiedlichen Schtauspielreigen machte dann die

deutschsprachige Erstaufführung des ireiaktigen Schauspiels „Das Interview“ von Hdns Krendlesberger wieder auf der Bühne des Theaters am Kornmarkt, die der Surrealist Leherb zum interessanten Tummelplatz seiner eigenwilligen dekorativen Ideen voll symbolistischer Hintergründigkeit gemacht hatte. Auf Sitzgelegenheiten übereinanderge-sdhlagener Hände und breitspurig ausgereckter Beine, vor der imponierenden Weite eines extravagant ausgestatteten Salons mit allen technischen Finessen von geheimnisvoll aufleuchtenden Filmprojektionen und überlebensgroßen Rollenporträts vollzog sich das Todgeweihten-schicksal einer alternden Diva in .all seiner oberflächlichen Banalität und Trivialität, der die hartnäckigen Fragen einer ehrgeizigen jungen Reporterin alle künstlich-konventionelle Gesellschaftstünche bis hin zum endgültigen Verfall unbarmherzig abräumen. Die um die Transparenz des realistisch-hintergründigen Spiels bemühte Inszenierung'Jürgen Wilkes, angefüllt mit allen Ingre-

dienzen zeitgenössischer Illustrierten-Reportagen und Prominenten-Memoiren von der Homosexualität bis zur Hörigkeit, bot Joana Maria Gorvin jede Möglichkeit, alle Facetten ihres sensiblen Spiels und ihrer ausdrucksstarken Persönlichkeit brillieren au lassen. Von gleicher darstellerischer Intensität war auch Erni Mangold als hörig-aufsässige Gefährtin und Betreuerin. Etwas übertrieben Christine Böhm in der schwierigen Rolle der jungen Reporterin, die sich iam etwas überraschenden Schluß gleichsam als Sendbotin des Todes entpuppt. Einziger Mann im Trifeminat Albert Rueprecht als dezent-liebenswerter Arzt und See-lenfreuni Ein gelungener Balanceakt zwischen theatralischer Psychoanalyse und romantisierender Kolportage — und ein hochinteressantes, gelungenes Theaterstück.

Nicht in allen Phasen befriedigend verlief schließlich die Konfrontation mit den tänzerisch-akrobatischen Darbietungen des Polnischen Tanztheaters aus Posen unter dem autodidaktischen Tänzer und Choreographen Conrad Drzewiecki, wobei vor allem die absonderliche Verfremdung des Balletts „Der wunderbare Mandarin“ nach der Musik von Belo Bartök Verwunderung und sogar gewisse Ablehnung auslöste.

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