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NEUES VON HOCHHUTH UND WEISS

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Eigentlich hätten die heurigen Veranstaltungen der Berliner Festwochen nach dem Willen ihres künstlerischen Leiters Nicolas Nabokov der Begegnung und Konfrontation mit Kulturen und Künstlern aus dem osteuropäischen Raum gewidmet sein sollen. Daß es nicht zur Verwirklichung dieser Absicht kam, ist nicht seine Schuld. Denn die oft in letzter Minute erfolgten Absagen von Mitwirkenden aus den Oststaaten waren das Resultat des Wirkens höherer politischer Mächte, die sich der Ingerenz eines Festspieldirektors vollkommen entziehen. Zu ihrem Wort standen eigentlich nur die Rumänen, die dann auch mit der imponierenden Inszenierung von Büchners „Dantons Tod“ durch ihren hochbegabten Landsmann Liviu Ciulei im Schiller-Theater den vielbejubelten Schlußpunkt unter die zahlreichen emotionierenden Bühnenereignisse setzten. Regisseur und Bühnenbildner zugleich, ist dieser Gast aus Bukarest souveräner Herrscher über Wort und Raum. Aufwühlend, jedoch unpathetisch peitschten die leidenschaftlichen Metaphern Georg Büchners durch die spannungsgeladene Atmosphäre über der symbolisch abgeschrägten Drehbühne, die mit ihrer Umrandung aus dunklen Blechfolien zur sieht- und hörbar beklemmenden Inkarnation des im Gefängnis seiner Zeit umschlossenen Menschen wird. Auf dieses modern-zeitlose Gerüst setzte Ciulei dann mit wahrhaft genialer Hand seine großangelegten theatralischen Kontraste turbulenter, beinahe bis zur Hysterie gestalteter Massenszenen gegen die mit lyrischer Dezenz durchfluteten philosophischen Betrachtungen. Vier Stunden lang, fast bis zur Erschöpfung, reißt er einen zwischen den Höhen und Tiefen der menschlichen Empfindungsskala hin und her und zeichnet so in ausgefeilten Konturen das Schicksal Dantons vor dem Hintergrund des Feueratems der Französischen Revolution, die aber über den zeitgebundenen Anlaß hinaus bei ihm zum vielfältigen Abbild revolutionären Strebens an sich wird.

All dies malt er mit einer inbrünstigen Liebe zum Detail in gewaltiger Breite, deren Dynamik er durch einige straffende Striche in den Kerkerszenen vielleicht noch mehr hätte intensivieren können. Ein vollsaftiger, den Genüssen des Lebens ergebener Epikuräer im Gewände eines Volkstribuns, dem man ihm bis zu der flammenden Verteidigungsrede vor dem Revolutionsgericht jedoch weniger glaubt, war Hans-Dieter Zeidler in der Titelrolle. Rolf Hennigers Robespierre dagegen hatte wenig von der eisigen Dämonie des erbarmungslosen Vollstreckers der Revolution, sondern wirkte eher als einsam-pedantischer Schulmeister, der die eigene Anämie in den immer wieder entfachten Blutströmen der Revolution auflöst. Um diese beiden Hauptfiguren aber rankte sich ein dichter Kranz ausgezeichneter Charakterdarsteller, die selbst die kleinste Episode mit ihrer Persönlichkeit durchdrangen.

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Um eine gleiche theatralische Wirkung waren ebenfalls ausgezeichnete Protagonisten der Freien Volksbühne auch bei der dramatisierten Wiedergabe zeitnaher, historisch gewordener Vorgänge, nämlich der durch einen internationalen Publicityrummel über Gebühr hinauflizitierten Uraufführung des Schauspiels „Soldaten“ von Rolf Hochhuth, mit weit weniger Erfolg bemüht. Verschiedene Ursachen und Gründe haben zu dieser nahezu einmütigen Enttäuschung über dieses schon seit Monaten heiß diskutierte Werk geführt. Zunächst waren die Erwartungen durch eine allzu rührige Propaganda viel zu hoch geschraubt worden. Weder der im persönlichen Umgang überaus bescheidene Autor noch sein Regisseur hätten ihnen je im vollen Ausmaß gerecht werden können.

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