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Klagenfurter Theaterjahr

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Man ist nur zu gern geneigt, den Bestand einer Provinzbüihne leicht zu nehmen, vergißt aber, daß gerade ihr Aufgaben übertragen sind, die oft schwerer ins Gewicht fallen als das Repräsentieren und Herausstellen großer Leistungen. Sie, die mit der oft mehr als kärglichen Hilfe ihr Auslangen zu finden hat, ist sozusagen Baumschule für jene Schößlinge, die später in den Himmel der Staatstheater wachsen. Auf der Szene der kleinen Landestheater bildet sich heran, was seinen Weg machen wird; Namen könnten dies zur Genüge beweisen, doch gilt es hier nur mit wenigen Zeilen zu zeigen, wie eine solche Bühne — das Klagenfurter Stadttheater im ersten Jahr der Intendanz Otto Hans Böhms und im 49. Jahr des Bestehens — ihre kultureile und soziale Sendung ernst nahm; sozial, weil sie es verstand, durch kluges Wirtschaften Gagenerhöhungen, 45-Stunden-Woche und vierzehntes Gehalt vorerst zu überstehen, kulturell, weil es nicht nur ein Routinetheater, sondern auch Mutproben und Uraufführungen gab.

Unter der musikalischen Oberleitung MD Gustav W i e s e s zeigte die Oper ein nicht zu übersehendes Format: Aufführungen wie jene des „Fidelio“ und der „Aida“, der „Lucia di Lammermoor“ mit italienischen Gästen und der schönen „Tiefland“-Inszene sind ebenso zu bejahen wie der „Evangelimann“, dem das Publikum gerührt lauschte. Eine „Entführung aus dem Serail“ soll nicht vergessen sein; ein musikalisch imponierender „Lohengrin“ (mit Gästen) versuchte das Publikum mit einer entromantisierten Inszenierung Curt Hampes als Gast zu befreunden; manche trauerten dem Glanz des Gralsboten nach, manchen gefiel, was stilgewandelt geboten wurde.

Daß man den vielen Anhängern der Operette zu gefallen suchte, ist klar. Unter den Dirigenten K. H. Brand, Gernot Schwickert und mit Hilfe des Chorbetreuers Franz Gerstacker kamen in der Spielleitung von Theo Knapp oder Fred Schulze-Holz Aufführungen zustande, die namentlich im Bereich des Klassischen erfolgreich waren: „Der Zigeunerbaron“, „Die schöne Helena“ und „Gasparone“ waren bemerkenswerte Stationen auf dem Weg durch die Spielzeit. Mit „Paganini“ freute man sich, „Die ungarische Hochzeit“ sagte zu, der „Obersteiger“ gefiel. Sidney Jones' „Geisha“ und der „Walzertraum“ blieben auf der Strecke; sie fanden, teils verstaubt, teils durch eine Neufassung der süßen Sentimentalität entrissen, weniger Anhang. In der Mehrzahl der Inszenierungen, denen der Bühnenbildner Architekt Spurny einfallsreiche Schauplätze stellte, bewährten sich Gina Klitsch und Richard Zimmermann im seriösen Sektor. Jugendlicher Übermut fand sich durch Rotraut Völkel und Viktor Martis köstlich vertreten. Als nimmermüder Theodor bot Knapp seine komödiantisch geheizte Komik dar.

In Ehren bestand als wichtigste Sparte des Theaters das Schauspiel, das im großen Haus und in den Kammerspielen zu wirken hatte. Im Dienste der Klassik hatte es unter der Regie Walther Nowotnys mit „Kabale und Liebe“ und Shakespeares „Maß für Maß“ starken Eindruck erzielt, hatte mit dem „Zerrissenen“ durch die im Geiste Nestroy agierenden Hertha Fauland, Hans Eybl und Thomas Rauchenwald eingeschlagen und mit dem unverwüstlichen „Raub der Sabinerinnen“ (Regie und „Striese“: Curt Hampe als Gast) die neue Fassung von Curt Goetz erstmals in Österreich gespielt.

Das Stück von heute kam nicht zu kurz: Die österreichische Erstaufführung von Ugo Bettis „Ziegenin e 1“ mit Susanne Polsterer als Gast sei gerühmt. Problemstücke wie „Der Arbeiterprie6ter“ und „Die schmutzigen Hände“ kamen in sauberer Auslegung zu Publikums- bzw. Achtungserfolgen. „Kennen Sie die Milchstraße?“ von Wittlinger war eine feine Aufführung — Eybl, Haberkorn — und fand doch wenig Zuspruch. Weiter Raum wurde der ernsten und heiteren Unterhaltung gegeben: Georg Bucher als Gast machte den „Meisterboxer“ zu einem Kassenschlager. „Ninotschka“ und „Meine Nichte Susanne“, beide mit der vielseitigen Hertha Fauland prächtig besetzt, kamen großartig an. Im „106. Geburtstag“ von Sarment war Grete Bitt-ners Leistung bewundernswert; neben ihr setzten sich Karin Sehröder und Karlheinz Schmidt durch. „Die erste Frau Selby“ lernte man mit Gefallen kennen. Priestleys „Und das am Montagmorgen“ und Hayes' seriöser Reißer „An einem Tag wie jeder andere“ konnten trotz starker Leistungen nicht „ziehen“.

Aber auch an Uraufführungen hatte man 6ich gewagt: Terramares „Therese Krone s“ mit Susanne Cronau als Gast konnte einen relativen Erfolg erreichen, welcher der Fassung von Puschkins „Postmeister“ versagt blieb. Mit einer österreichischen Erstaufführung des gleich von drei Autoren inspirierten und geformten Lustspiels „Unter uns beiden“ konnte man sich nur zum Teil befreunden. Einer beachtlichen Leseaufführung von Genets „Unter Aufsicht“ folgte nur ein starkes Dutzend Interessenten.

Gastaufführungen des Burgtheaters

— „Torquato Tasso“ — und der Berliner Schaubühne

— „General Quichotte“ von Anouilh mit Matthias Wiemann — dienten dem Kontakt mit der großen Welt der Bühne; jener mit begabten Schülern wurde durch das Mozarteum Salzburg („Geld ohne Arbeit“ von Colantuoni) aufrechterhalten.

Soweit die Tätigkeit des Stadttheaters in gedrängter Übersicht. Nun tritt es in sein fünfzigstes Jahr, wenn die Ferien vorüber und die angehängte Sommerspielzeit im August überstanden ist. Man hat sich manches vorgenommen; daß es verwirklicht werden wird, ist nach den Erfahrungen im ersten Spieljahr unter O. H. Böhm nicht zu bezweifeln.

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