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Vorhang verbot und Claque

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Das letzte, soeben im Herold-Verlag erschienene Buch von Fred Hennings führt den Titel „Heimat Burgtheater“. In diesem ersten Teil einer geplanten Trilogie schildert der Autor, wie er 1906 von seinem Vater, dem Bezirkshauptmann Alexander Ritter von Pawlowski, nach Wien gebracht wird, wo er bis 1914 die Theresianische Akademie besuchte. Als Theresianist kommt er zum erstenmal — und .viele spätere Male — in jenes Haus, das ihm ab 1923 zur zweiten Heimat werden sollte. — Hennings hat sich einen nach Hunderttausenden zählenden Leserkreis erworben. Dieses vorläufig letzte Buch ist vielleicht Sein interessantestes und ansprechendstes. Das hier wiedergegebene dritte von 23 Kapiteln möge als Probe dienen. F.

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Das letzte, soeben im Herold-Verlag erschienene Buch von Fred Hennings führt den Titel „Heimat Burgtheater“. In diesem ersten Teil einer geplanten Trilogie schildert der Autor, wie er 1906 von seinem Vater, dem Bezirkshauptmann Alexander Ritter von Pawlowski, nach Wien gebracht wird, wo er bis 1914 die Theresianische Akademie besuchte. Als Theresianist kommt er zum erstenmal — und .viele spätere Male — in jenes Haus, das ihm ab 1923 zur zweiten Heimat werden sollte. — Hennings hat sich einen nach Hunderttausenden zählenden Leserkreis erworben. Dieses vorläufig letzte Buch ist vielleicht Sein interessantestes und ansprechendstes. Das hier wiedergegebene dritte von 23 Kapiteln möge als Probe dienen. F.

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Gerüche sind wie nichts anderes imstande, Erinnerungen in mir wachzurufen. Auch meine früheste Erinnerung an das Burgtheater prägte sich mir über den Geruchssinn ein. Unvergeßlich jenes ganz eigenartige Gerücherl, das mich umfing, als ich vor 65 Jahren zum erstenmal in meinem Leben das Burgtheater betreten habe. Es war ein Kompositum aus dem Geruch spiegelblank gescheuerter, mit Wachs eingelassener Parkettböden, dem Duft edler Hölzer und Bespannungen sowie einer Unzahl von auf Leinwand gemalter Fresken und Porträts, die mit ihrem Dreiklang von Farbe, Lack und Firnis jenes Parfüm erzeugten, das man in jeder der berühmten Bildergalerien Europas zu verspüren bekommen. Wie dort, gab es für mich bei meinem ersten Besuch im Burgtheater noch lange vor dem Aufgehen des Vorhangs unendlich viel zu schauen. Beim Anstieg über eine der Feststiegen wurde der Blick immer wieder in die Höhe gerissen, um die Deckenfresken von Matsch zu bestaunen Im Halbrund des Hauptfoyers verhielt man vor den Schauspialerporträts den Schritt, während über einem die Figuren aus Charlemonts „Sommernachtstraumfresko“ dahinschwebten. Dann ging es in eine der Logen des ersten Ranges. Denn wir Theresianisten erlebten das Burgtheater nicht wie die meisten Jugendlichen von der Höhe der IV. Galerie oder von der Niederung des Stehparterres aus, sondern saßen, wie es sich eben für die Jeunesse doree von Wien gehörte, entweder in den Logen oder auf Parkettplätzen.

Der ursprüngliche Zuschauerraum des Hauses am einstigen Franzensring ließ keinen Zweifel darüber, bei wem man zu Gast war. Uber dem Bühnenausschnitt befand sich in der Mitte einer plastisch modellierten Draperie, des sogenannten „Harlekins“, ein Lambrequin mit dem österreichischen Doppeladler und dem kaiserlichen Wahlspruch „Viribus unitis“. Über den Proszeniumslogen zu beiden Seiten des Bühnenportals und über der großen Festloge im Mittelteil des Zuschauerraums waren Kaiserkronen angebracht. An der Stirnseite des Hauses gegen den Ring zu stehen heute noch, in Stein gemeißelt, die Worte: K. K. Hofburgtheater. Es war das erste Theater der Haupt- und Residenzstadt Wien und rangierte zu Kaisers Zeiten stets vor der Oper. In allen Amtskalendern und offiziellen Ankündigungen hatte es den Vorrang. Diese Priorität des Burgtheaters leitete sich aus den Zeiten her, da es architektonisch, noch ein Bestandteil der Hofburg war. In einer Eingabe anläßlich der letzten Großrestaurierung des alten Hauses am Michaelerplatz im Jahre 1845 wird das Burgtheater als das „eigentliche Hoftheater“ bezeichnet, wo sich sozusagen unter den Augen der kaiserlichen Familie täglich der Adel und die Elite des gebildeten Publikums versammeln. Die räumliche Nähe zum Herrscherhaus spiegelte sich auch in der sozialen Stellung der Burgschauspieler wider. Sie waren die Schauspieler des Kaisers, hausten mit ihm unter einem Dach und waren daher in des Wortes vollster Bedeutung Hofschauspieler. Den hervorragendsten Mitgliedern des Hauses wurde dieser Titel vom Kaiser als Auszeichnung verliehen. Etwas Höheres gab es, abgesehen von den Funktionen eines Oberregisseurs und Regisseurs, nicht.

Daher gab es bis zum Zusammenbruch der Monarchie im Burgtheater auch keine Ehrenmitglieder. Wohl aber in der Oper. Dies zeigt den Unterschied in der Beziehung des Kaiserhauses zu Burg und Oper auf. Eine Ehrenmitgliedschaft im eigenen Haus wäre ein Nonsens gewesen. Es gab eben keine größere Ehre, als ein Schauspieler des Kaisers zu sein. Dieses Privilegium räumte den Regisseuren und Hofschauspielern von einst verschiedene Rechte ein, legte ihnen aber auch verschiedene Pflichten auf. Zu den letzteren gehörte vor allem das vieldiskutierle Vorhangverbot, also der Verzicht, nach dem Spiel vor das Publikum treten zu dürfen, um für den Beifall zu danken. Auch diesen Brauch gab es in der Oper nicht. Ein neuerlicher Beweis für den ganz eigenartig distanzierten Charakter des Burgtheaters. Die Einrichtung des Vorhangverbots wurzelt in der direkten räumlichen Verbindung des alten Hauses am Michaelerplatz mit der Hofburg. Wenn sich der Kaiser durch einen eigenen Verbindungsgang aus seinen Appartements in die Loge des alten Burgtheaters begab, war er noch immer bei sich zu Hause. Man begrüßte ihn als den Herrn des Hauses bei seinem Eintritt mit Applaus.

Im § 19 einer Dienstordnung für das Burgtheater vom 1. Februar 1800 heißt es: „Das dreimalige Applaudieren ist bloß eine Ehrenbezeichnung des Publikums gegen den Allerhöchsten Hof; dasselbe wird daher gegen das Theaterpersonal untersagt.“ Als anläßlich der Erstaufführung von Heinrich Laubes Schauspiel „Die Karlsschüler“ am 24. April 1848 die Zuschauer begeistert tobten und stürmisch nach dem Hauptdarsteller Fichtner riefen, stand der damalige Burgtheaterdirektor, Franz von Holbein, hilflos die Hände ringend, hinter den Kulissen und wußte nicht, was er tun sollte. Trotz der Revolution, die das k. k. Hofburgtheater in ein k. k. Hof- und Nationaltheater umgetauft hatte, welchen abnormen Namen es bis zum 1. August 1852 geführt hat, hielt sich Holbein an das Vorhangverbot gebunden. Schließlich trat der Dichter und Regisseur Laube vor den Vorhang und brachte die tobende Masse mit der Erklärung, daß er an Stelle der durch das Verbot am Erscheinen verhinderten Schauspieler danke, zur Besinnung. Die heute noch geübte Gepflogenheit, daß bei Erst- oder Uraufführungen nicht der Autor als erster vor den Vorhang tritt, um für den Beifall zu danken, sondern dies vorerst ein Regisseur in Frack und Ordensschmuck stellvertretend mit den Worten: „Ich habe die Ehre, den Dank N.N.s auszusprechen“, besorgt, ist ein Relikt aus jenen frühen Tagen, da das Burgtheater noch tatsächlich ein kaiserliches Appartement war. Und zwar ein unbeschreiblich intimes Appartement mit einer idealen Akustik. Auguste Wilbrandt-Baudius, die noch siebzehn Jahre lang im alten Haus am Michaelerplatz gespielt hat, meinte einmal, „daß dort der Applaus gar nicht bis in die Hände zu kommen brauchte, sondern daß er sich in einem Zunicken, in einem verliebten Anlächeln, in einem behaglichen Summen offenbarte“. Natürlich galt das für das neue Riesenhaus am Ring nicht mehr. Wohl aber das Prinzip des .Vorhangverbots.

Dieser exklusive, Distanz gebietende höfische Brauch wurde auch nach der Loslösung des Theaters vom Sitz der Herrschers beibehalten, ja gilt für das Burgtheater auch heute noch. Oft wurde dagegen angekämpft. So zum Beispiel dekretierte eines schönen Tages der mit großen Vollmachten ausgestattete Generaldirektor Franz Schneiderhan, der seit dem 1. September 1926 die Leitung der Bundestheaterverwaltung innehatte, selbstherrlich die Aufhebung des Vorhangverbots. Als ich vor Beginn einer Probe in das Konversationszimmer kam, entdeckte ich am sogenannten Schwarzen Brett den Ukas Schneiderhans. Empört riß ich ihn herunter und übergab ihn dem damaligen Doyen des Hauses, Max Devrient, mit der Bitte, im Namen des Ensembles sofort dagegen Einspruch zu erheben.

Dies geschah auch, und alles blieb beim alten. Ich bin heute noch ein überzeugter Anhänger des Vorhangverbots für das Burgtheater. Die Meinung der Gegner des Verbots, es läge darin eine gewisse Geringschätzung des Publikums sowie eine Minderung der Erfolgsmöglichkeiten für Stück und Darsteller, kann ich nicht teilen. Zu oft habe ich es während meiner fast 50jährigen Tätigkeit am Burgtheater erlebt, daß bei gegebenem Anlaß ganze Zwischenaktspausen bis zum Wiederaufgehen des Vorhangs durchapplaudiert wurden. Ich finde es gräßlich, wenn Personen, die auf der Bühne unter unserer Anteilnahme den Tod erlitten, sich gleich darauf verbindlich lächelnd zu verbeugen haben. Ich bin felsenfest davon überzeugt, daß die aus dem Vorhangverbot resultierenden Vorteile dessen eventuellen Nachteil weit übertreffen. Vor allem bewahrt einen diese weise und noble Einrichtung vor den grauenhaften Auswüchsen des Claquenwesens. Die Oper, die kein Vorhangverbot kannte weiß ein traurig Lied davon zu singen.

Dort herrschte auf der vierten Galerie der quasi offizielle Claquechef Josef Schostal, im Stehparterre aber der gefürchtete Otto Stieglitz. Ihnen das Handwerk zu legen, versuchte ungefähr ein Jahr nach seinem Amtsantritt der Generaldirektor Franz Schneiderhan. Er richtete am 26. September 1927 an die Direktion der Staatsoper ein Schreiben, in dem es unter anderem hieß:

„In letzter Zeit wurde über die Auswüchse des Claqueunwesens wiederholt Klage geführt. Die Generaldirektion hat Mitteilungen erhalten über die Art, wie die die Claque besorgenden Personen ihr Handwerk zu erpresserischem Vorgehen gegenüber den Künstlern mißbrauchen. Gäste werden dem Vernehmen nach, kaum daß sie im Hotel abgestiegen sind, von den Mitgliedern der Claque aufgesucht und unter Androhung sonstigen unbedingten Mißerfolgs zu Geldleistungen an die Mitglieder der 'Claque genötigt. Es bedarf keiner weiteren Erörterung darüber, daß die Art, wie derzeit die Claque betrieben wird, eines Instituts vom Range der Wiener Staatsoper absolut unwürdig ist und daher mit allen Mitteln dahin gearbeitet werden muß, diesem Unfug und den damit im Zusammenhang stehenden Erpressungen an den Künstlern endlich energisch zu steuern. — Dies kann aber nur erreicht werden, wenn vor allem anderen sämtliche Damen und Herren des Solopersonals untereinander und gegenüber der Direktion eine unbedingt zuverlässige Bindung eingehen, unter gar keinen Umständen Claqueuren, von wo immer sie kommen mögen. und wer immer sie sind, irgendwelche materiellen Vorteile zu bieten, ihnen also weder Eintrittskarten zu den Vorstellungen noch Geld oder Geldeswert für die Übernahme der Claque zu geben. — Verweigern die Künstler die Gefolgschaft in diesem Kampfe gegen die Claque, dann allerdings wird es nicht möglich sein, diese immer mehr und mehr ausartende Unsitte zu beseitigen.“

Die Solisten der Wiener Staatsoper verweigerten die Gefolgschaft im Kampf gegen das Claqueunwesen natürlich nicht, sondern verpflichteten sich in einer am 21. November 1927 abgehaltenen- Vollversammlung durch einen Revers eherenwörtlich, „alles zu unterlassen, was auf die Gewinnung eines durch die berufsmäßige Claque hervorgerufenen Beifalls gerichtet ist“. Auch die Sänger empfanden den damaligen Zustand des Claquewesens als unwürdig und äußerten sich dahin, nur gezwungenermaßen diesen Unfug mitgemacht zu haben. Die Abschaffung der gewerbemäßigen Claque, deren Anmaßung und Zumutungen bereits unerträglich geworden waren, wurde einstimmig beschlossen. Um der Claque jede Möglichkeit zu einer Betätigung zu nehmen, dem Publikum aber den einmütigen Willen des Solopersonals zur Abschaffung der unleidlichen Zustände zu demonstrieren, wurde ein Vorhangverbot für die Dauer von vierzehn Tagen vorgeschlagen.

Die Zeitung „Der Tag“, die den Kampf gegen das Claqueunwesen publizistisch eingeleitet hatte, triumphierte. „Die Opernclaque ist abgeschafft! Sensationelle Erklärung der Staatsopernsolisten: Sie werden 14 Tage lang auch dann nicht vor dem Publikum erscheinen, wenn dieses#feeifall klatscht. Während dieser Zeit wird der Applaus der bezahlten Claque mangels Nahrungszufuhr frischer Freikarten elendiglich zugrunde gehen und nach dieser vierzehntägigen Quarantäne wird das Publikum ruhig und unbekümmert in der früher üblichen Weise seinen Beifall zollen dürfen, ohne daß in die Arien, in die Orchesterübergänge hineingebrüllt und hineingejohlt wird.“

Doch dieser Wunschtraum war bald ausgeträumt. Es war noch kein Jahr vergangen, und schon sah sich Staatsoperndirektor Franz Schalk genötigt, am 19. September 1928 an die Generaldirektion der Bundestheater zu schreiben:

„Schon zu wiederholten Malen und namentlich bei der gestrigen Aufführung von ,AIda' haben sich die Exzesse der Claque, manchmal bis zu einem fast tierischen Gebrüll ausartend, auf das peinlichste bemerkbar gemacht. Das Claquenunwesen hat ärgere und unerträglichere Formen angenommen denn je. Die Direktion hält es für unerläßlich, daß namentlich gegen die .Brüller' die strengsten polizeilichen Maßregeln ergriffen werden.“

Der einstige Direktor des Raimund- und des Kaiser-Jubiläums-Stadttheaters, also der heutigen Volksoper, Adam Müller-Gutten-brunn, der in seinen Häusern die Claque abgeschafft hatte, erklärte 1909 einmal: „Das Burgtheater verzichtete von jeher auf allzu geräuschvolle Kundgebungen des Publikums. Es untersagte seinen Künstlern, für den Beifall zu danken. Der einmal niedergesunkene Vorhang hob sich nicht mehr. Nur die Erstaufführung machte eine Ausnahme. Und die galt dem Dichter. In einem solchen Haus hat die Claque keinen Nährboden. Ich habe nie begriffen, warum in der kaiserlichen Hofoper von jeher ein anderer Maßstab an den Wert des Beifalls gelegt wurde als im kaiserlichen Hofburgtheater. Sind die Sänger um soviel eitler und beifallsdurstiger als die Schauspieler? Warum haben alle Operndirektoren, die einen Anlauf zur Beseitigung der Claque nahmen, nicht den Hervorruf der Sänger verboten? Es ist nicht bekannt, daß ein solcher Schritt jemals unternommen worden wäre. Und doch wäre dies, falls sich wieder einmal die Überheblichkeit der Lohnklatscher in der Hofoper fühlbar machen sollte, eines ernsten Versuchs wert.“

Natürlich genügte ein Vorhangverbot von vierzehn Tagen, das am Ende auf die Zeit vom 30. November bis 6. Dezember 1927, also auf nur acht Tage reduziert wurde, nicht. Nur ein totales Vorhangverbot, wie es im Burgtheater durch bald zweihundert Jahre hindurch geübt wird, ist imstande, dem Claqueunwesen erfolgreich zu begegnen.

Burgtheaterengagements erfolgten in der Regel auf Grund von Probegastspielen. Dabei war es dem Gast erlaubt, vor den Vorhang zu treten, um den Beifall entgegenzunehmen. Das hatte Hand und Fuß, da sich daraus erkennen ließ, ob der Burgtheaterdebütant dem Publikum gefallen hatte oder nicht. Wurde man engagiert, dann war es mit dem Verbeugen vorbei. Erst im Verlaufe der verschiedenen Dienst Jubiläen durfte man wieder vor den Vorhang. Da ich zum Beispiel ohne Probegastspiel engagiert worden war, mußte ich volle 40 Jahre darauf warten. Dafür aber wurde der Augenblick, da der Inspizient den Vorhang ein wenig lüpfte und ich, begleitet von den guten Wünschen der anwesenden Kollegen, an die Rampe treten durfte, zu einem echten und großen Erlebnis.

Treue, die Doderer stets und unbedingt erwiderte.

Vom Lehrer kann man sich lösen — und wenn man dazu ein Menschenleben braucht. Gesinnungen, Positionen ändern sich: Freunde bleiben Freunde. Und gleichso gilt: einmal dein Leser, immer dein Leser. Beides ist verhängt, anzunehmendes Schicksal.

Es mag im Winter 1956 oder 1957 gewesen sein, da versammelte sich eine Horde mehr oder weniger wilder Jungliteraten und artverwandtes Gelichter aus einem Grunde, der mir entfallen ist, ausgerechnet und nächt-

Statt dessen ließ man mich zu vorgerückter Stunde in völliger Nichtachtung am Vortragstische schrumpfen, verdorren und frieren.

So schien es — eine halbe, entsetzliche Zigarettenlänge wohl. Dann jedoch ward ich, der sich wütend stellen wollte, der indes nichts zu stellen hatte, aus meiner Lächerlichkeit erlöst: denn nun stand der heutige wohlbestallte Lektor und Jugendbuchautor auf, winkte mich überlegen lächelnd in - die schützenden Schatten zurück und sprach:

„Ihr seids natürlich alle A ... und Sie eingeschlossen, lieber Tramin!

„Au!“ sagte sie. „Vom Doderer, natürlich.“

Gott hab' sie selig. Sie hat mittlerweile längst das Lesen aufgegeben und statt dessen ein Philharmoniker-Abonnement sowie einen gut verdienenden, gesund-amusischen Gatten erworben, der in allen Konzertsälen Wiens schlafend neben ihr erblickt werden kann, sowie, wenn schon nicht vier, so doch mindestens drei Kinder in die Welt gesetzt, die hoffentlich alle so vernünftig w,ie ihre Eltern werden.

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