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Vor dem Bildschirm

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DIE EVANGELISCHE KIRCHE war am österlichen Fernsehprogramm unter dem Titel „Du großer Schmerzensmann“ mit einem Karfreitagsgottesdienst beteiligt. Eine solche Übertragung stellt an die Bildgestaltung ganz besondere Anforderungen. Das ständige Bemühen, dem Zuschauer nur ja ein immer neues und interessantes Bild zu bieten, erscheint hier nicht unbedingt angebracht. Wer dem Gottesdienst auf dem Bildschirm mit Andacht folgt, kann die ständige Bildbewegung entbehren, und ein Schauspiel ist der Gottesdienst nun einmal nicht. So wurde beispielsweise die an sich sehr eindrucksvolle Fahrt durch den Mittelgang viel zu oft angewendet; je einmal zu Beginn und am Ende der Sendung hätte genügt. Und die im Gotteshaus anwesenden Gläubigen in Nahaufnahmen von vorne zu zeigen, entbehrt wohl jeder Notwendigkeit. Unabhängig von diesen prinzipiellen Erwägungen war jedoch diese Übertragung eine sehr verdienstvolle und würdig gestaltete Sendung.

EIN NETTES OSTERGESCHENK für die jungen (aber auch für die nicht mehr ganz jungen) Zuschauer war die Fernsehinszenierung des Bühnenstückes von Thekla und Guido vexn Kaulla, „Der kleine Lord“, in einer Fernsehbearbeitung von Mina Alth und Johannes Hoflehner. In den zauberhaften Dekorationen von Helmut Wokaun gestaltete Karl Stanz! mit einem Ensemble namhafter Darsteller ein richtiges, echtes Fernsehspiel. Ganz entzückend war der kleine Titeldarsteller; er wäre noch besser- zur Wirkung gekommen, hätte er einen kindgemäßeren Text zu sprechen gehabt.

WELCH INTENSIVE WIRKUNG auch Bühneninszenierungen über den Bildschitm ausstrahlen können, wurde mit der Übertragung von Arthur Millers „Alle meine Söhne“ aus dem Theater in der Josefstadt wieder einmal besonders deutlich. Eine sorgfältige Kameraführung (Bildregie: Hermann Lanske) vermochte die vorzügliche Inszenierung von Heinrich Schnitzler tadellos in die Dimension des Fernsehens zu übersetzen. Und der Gedanke Schillers von der „Schaubühne als moralische Anstalt“, den auch Arthur Miller zu seinem Anliegen gemacht hat, über-trug sich im besten Sinne auch auf das Fernsehen.

FÜR EINE FERNSEHÜBERTRAGUNG besonders prädestiniert erscheint John van Drutens „So war Mama“, besonders durch die Figur der Katrin, die in den Zwischenakten den Zuschauer direkt anspricht. In der Tat konnte die Übertragung aus dem Theater in der Josefstadt den ganzen Charme dieser Inszenierung (Edwin Zbonek) auf den Bildschirm bringen (Bildregie: Hermann Lanske).

DEM SENDER FREIES BERLIN blieb es vorbehalten, uns eine ganz entzückende Raimund-Inszenierung zu bescheren: „Der Alpenkönig und der Menschenfeind“. In den Szenenbildem von Ita Maximowna und Werner Schöne ließ unter der Regie von Ludwig Berger ein ganz ausgezeichnetes Ensemble (Kurt Jaggberg, Hans Putz, Eva Lissa, Ulli Philipp, Inge Brücklmeier, Werner Pochath, Karl Hellmer und viele andere) den ganzen Raimundschen Märchenzauber über den Bildschirm leuchten.

EIN WEITERER BEWEIS dafür, daß das „Schauspieler-Sänger-Playback“ eine eigenständige und durchaus legitime künstlerische Ausdrucksform des Fernsehens darstellt, wurde mit der Inszenierung von Leo Falls Operette „Der fidele Bauer“ erbracht, die unter der Regie von Kurt Wilhelm als Gemeinschaftsproduktion des Westdeutschen und des Österreichischen Fernsehens über Millionen Bildschirme ging. Hier war der akustische Teil (Heinz Maria Lins, John van Kesteren, Rita Bartos und andere) mit dem optischen (in den großzügigen Dekorationen von Walter Dörfler und Dieter Reinecke spielten unter vielen anderen Hermann Thimig — einmal außerhalb jeder Schablone — Albert Rueprecht, Michl Lang, Gudrun Erfurth und der bezaubernde kleine Peter Toifl) zu einer nahtlosen Einheit verbunden-, das Playback war hier praktisch zur Vollendung getrieben.

EINE VERSÄUMTE GELEGENHEIT zu einer eindrucksvollen Live-Übertragung war der Durchstich des St.- Bernhard-Tunnels. Die Aufzeichnung der Eurovisionssendung des schweizerischen und des italienischen Fernsehens, die bei uns übertragen wurde, war außerordentlich interessant und ließ auch durch einige kleine Blicke „hinter die Kulissen“ die technischen Schwierigkeiten der Fernsehübertragung ahnen. Ihre eigentlichen Sinn und ihren wesentlichen Wert hätte diese Sendung aber aus der Tatsache des Miterlebens der Ereignisse durch den Zuschauer bezogen.

EIN FERNSEHBERICHT, wie er sein soll, war der Film über den Strafvollzug unter dem Titel „Wissen aus erster Hand“: Sachlich, objektiv, ohne künstliche Dramatisierung und ohne die so beliebten „Fachleuteinterviews“. Schade, daß er in formaler Hinsicht nicht ganz befriedigen kannte; um ein konkretes Beispiel anzuführen: Warum muß, nachdem bereits der Kommentar geschickt auf ein neues Thema übergeleitet hat, der Bildfluß durch Ab- und Aufblenden plötzlich unterbrochen werden? Wenn man sich beim Fernsehen etwas mehr Gedanken über die Funktion der filmischen Gestaltungsmittel machte, wären solche Fehler leicht zu vermeiden.

BESONDERES TALENT scheint das Österreichische Fernsehen für das Auffinden von Fernsehfilmreihen zu haben, die aus der untersten Niveaulade stammen. Jedesmal glaubt man daß nun das Extrem erreicht ist, aber immer geht es noch tiefer. Derzeit halten wir bei „Typisch Lucy“. Was wird uns da noch bevorstehen?

SEHR GUT GEMACHT war der Kurzfilm der Österreichischen Telefilm AG „Sein Steckenpferd“ nach einer Novelle von Frederic Brown mit Bruno Hübner und Egon von Jordan (Regie: Wolfgang Glück). Hier handelt es sich offenbar um eine Sponsorsendung der in dem ■anschließenden Werbest reifen genannten Institutionen: Diese Form des Werbefernsehens sollte Schule machen!

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