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Vor dem Bildschirm

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ÜBERALL IN DER WELT, wo das Fernsehen Fuß gefaßt hat, haben die Wochenschau-Unternehmungen versucht, den Kino-Wochenschauen eine neue, meist magazinartige Form zu geben, und zwar aus der richigen Erkenntnis heraus, daß sie mit der Schnelligkeit und Aktualität der Femsehberichterstattung auf keinen Fall konkurrieren können. Es blieb wieder einmal dem Österreichischem Fernsehen vorbehalten, diese einmalige Möglichkeit des Femsehens — durch die es sich von anderen Massenmedien wesentlich unterscheidet — ungenützt zu lassen. Es hat seit einiger Zeit ausgerechnet den Bildberichten seines sogenannten aktuellen Dienstes — Magazincharakter gegeben.

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PLÖTZLICHE ÄNDERUNGEN im Programm des Österreichischen Femsehens sind für den Zuschauer nachgerade keine Überraschungen mehr. Daß aber ausgerechnet die Sendung „Anschluß oder Annexio n?“ von Hermann Langbein aus „programmtechnischen Gründen“ in letzter Minute abgesetzt wurde, ist doch einigermaßen merkwürdig. Jedenfalls wird sich der Zuschauer, der die Kompromißlosigkeit und Offenheit kennt, mit der Hermann Langbein Themen behandelt, über die wahren Gründe dieser Programmänderung seine Gedanken gemacht haben.

IN SEINEM ELEMENT ist Heinz Fischer-Karwin ganz offen- • sichtlich in seiner Sendung „Ihr Auftritt, bitte“. Immer gibt es interessante Begegnungen, aufschlußreiche Gespräche und zum Theaterbesuch animierende Probenausschnitte. Besonders zu vermerken ist aber, daß Heinz Fischer-Karwin an dem Grundsatz der Ehrlichkeit dem Zuschauer gegenüber konsequent festhält und den Zuschauer nie im Unklaren darüber läßt, ob er gerade eine Live-Sendung oder eine Aufzeichnung sieht. So kann der Zuschauer im ersten Falle immer gewiß sein, das Geschehen — von ihm nur räumlich getrennt — zeitlich unmittelbar mitzuerleben. Dafür wird er es bestimmt ohne weiteres hinnehmen, wenn er einzelne Teile oder auch ausnahmsweise einmal die ganze Sendung aus Termingründen in einer Aufzeichnung zu sehen bekommt.

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GETEILTER MEINUNG kann man über die Bedeutung des Schlagerwettbewerbes „Grand Prix Eurovision“ sein. Die diesjährige Sendung aus London verdient jedenfalls deshalb vermerkt zu werden, weil hier nicht (wie es, soweit erinnerlich, in früheren Jahren geschah) eine Veranstaltung für ein im Saal anwesendes Publikum inszeniert und dann vom Femsehen übertragen wurde, sondern weil man hier die Sendung primär für das Fernsehen, das heißt aber für die vielen Millionen Zuschauer gestaltet hat.

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DAS KARWOCHENPROGRAMM - der Zeit in erfreulicher

Weise angepaßt — begann am Gründonnerstag mit der Aufzeichnung einer Aufführung der St.-Margarethner Passionsspielgemeinde. Es war geradezu erschütternd, mit welcher Hingabe von allen Beteiligten der Leidensweg des Herrn nachgestaltet wurde, und das in einer „Dekoration“, die zum Teil von der Natur selbst wie gerade für diesen Zweck geschaffen worden ist. Der Bildregie (Dr. Karl Stanzt) gelang es, das Geschehen in überzeugender Weise auf den Bildschirm zu bannen, die verschiedenen Schauplätze mit den Mitteln des Femsehens noch zusätzlich voneinander zu trennen und damit die notwendige szenische Auflösung zu schaffen. So wurde durch Verzicht auf den von der grandiosen Gesamtszenerie ausgehenden Anteil der Atmosphäre, der sich kaum auf den Fernsehempfänger übertragen ließe, eine durchaus femsehgemäße und damit auf dem Bildschirm zu starker Wirkung kommende Interpretation der „Passio Domini“ geschaffen.

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BEFREMDLICH mußte es für den Teilnehmer am Abendprogramm sein, wenn er eine Schulfemsehsendung, nämlich das „Besinnliche Kalendarium“ über das Bußsakrament, vorgesetzt bekam, ohne daß sie ausdrücklich als solche gekennzeichnet war. Schließlich ist eine Schulfernsehsendung — und sollte es auch! — nach anderen Gesichtspunkten aufgebaut als eine Sendung für Erwachsene. Für keinen der beiden Fälle aber dürfte die hier verwendete Form das erstrebenswerte Ideal sein: Wieder war es größtenteils ein „Vortrag mit Bildern“; und wenn in einzelne Bilder erläuternde Titel eingeblendet werden, während zu gleicher Zeit ein Text gesprochen wird, so zeigt das wohl am besten, mit welcher Unbekümmertheit man an die Gestaltung solcher Sendungen herangeht.

DER EVANGELISCHE KARFREITAGSGOTTESDIENST wurde aus der Verklärungskirche am Tabor übertragen. Die unglückliche Fernsehgestaltung war die gleiche wie bei früheren Gelegenheiten. Und es erübrigt sich wohl, zu wiederholen, was schon mehrmals zu diesem Thema gesagt wurde.

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EINEN NEUEN WEG wies das Deutsche Femsehen mit der „Johannes-Passion“ von Johann Sebastian Bach, die als Eurovisionssendung aus Frankfurt übertragen wurde. Verdienstvollerweise hatte man hier auf die bei solchen Sendungen beliebte Einblendung von Bildern irgendwelcher Art verzichtet und sich bei der Bildführung (Regie: Rudolf Jugert) zum Teil auf die Architektur des Kircheninneren, vor allem aber auf die Ausführenden beschränkt; diese waren — in stilisierte Gewänder von höchster Einfachheit gehüllt — dem Inhalt der einzelnen „Szenen“ entsprechend, an verschiedenen Plätzen postiert, so daß sich eine manchmal geradezu faszinierende zusätzliche optisch-dramatische Wirkung ergab. Der Einwand, daß man sich damit vielleicht zu sehr von den Intentionen des Komponisten entfernt, ist kaum stichhaltig; Bach hat seine Passion ja für seine Zeit geschrieben; wollen wir sie mit Hilfe der modernen Medien realisieren, so müssen wir versuchen, sie mit den Mitteln dieser Medien in einem höheren Sinne stilgerecht zu gestalten. Auf jeden Fall ist aber dem Deutschen Fernsehen für diesen Mut zum Experiment zu danken, für einen Mut, der unserem Fernsehen von Grund auf zu mangeln scheint.

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