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Vor dem Bildschirm

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NOCH IMMER NICHT LÄNGER GEWORDEN ist die Sendung „Christ in der Z e i t“; dafür scheint sie in einem, der Sache keineswegs adäquaten, obendrein billigen (im wörtlichen Sinn) Schematismus zu erstarren: Man kann solchen wesentlichen Themen im Fernsehen nicht dauernd durch eine Reihe von Stehbildpassagen gerecht werden, gleichgültig, ob sie so wenig sorgfältig ausgewählt sind, wie bei der vorletzten, oder so außergewöhnlich gut gestaltet wie in der letzten Sendung. Es wäre hoch an der Zeit, für diese Sendungen eine neue, würdige Form von angemessener Dauer (und vielleicht zu einer günstigeren Zeit!) zu finden. Vielleicht könnte man darüber hinaus auch die evangelische Kirche für eine ähnliche Sendereihe interessieren.

DIE EVANGELISCHE KIRCHE trat jedenfalls zum Reformationstag im Fernsehen mit zwei Sendungen in Erscheinung. Vom Deutschen Fernsehen (Sender Freies Berlin) wurde die Martin- Luther-Sendung „Ein Mensch mit vielen Gesichtern?“ übernommen, die — nach einer sehr guten Einleitung — über den Wandel des Luther-Bildes in den fünf Jahrhunderten seit der Reformation berichtete: sauber gemacht und mit etlichen guten Ideen. Sehr eindrucksvoll waren beispielsweise die stu m m e n Szenen des „Herrn Jedermann“ von der Straße, während die tatsächlichen Befragungen den gleichen zwiespältigen Eindruck hinterließen wie in allen anderen derartigen Fällen. Die zweite Sendung brachte die Direktübertragung einer Feierstunde aus der Lutherischen Stadtkirche in Wien. Die Kameraführung hat ihre heikle und kaum völlig lösbare Aufgabe in ansprechender Weise bewältigt. Daß das Fernsehen in der Pause zwischen den beiden Sendungen ausgerechnet ein katholisches Meßlied spielte, war wohl kaum als Demonstration für die Una sancta ecclesia gedacht…

IN DIE BILDSPRACHE DES FERNSEHENS sehr gut übersetzt hat Theodor Gradier die „V e r s c h w ö r u n g des Fi esco zu Genua“ von Friedrich Schiller. Mit dieser Sendung wurde wieder einmal deutlich, daß auch ein „Klassiker“ auf dem Bildschirm zu eindringlicher Wirkung kommen kann. In den eindrucksvollen Bauten von Robert Hofer-Ach entwickelte sich ein spannungsgeladenes Geschehen, das von einem prominenten Ensemble getragen wurde, aus dem nur Heinrich Schweiger mit seiner faszinierenden Darstellung des Muley Hassan genannt sei.

SEHR VERDIENSTVOLL sind die Bemühungen des Österreichischen Fernsehens um das moderne Ballett. Die „Tänze aus der Neuen Welt“ brachten in der Choreographie von Norman Thomson „Spirituals“ — eine Uraufführung — und „Ein Amerikaner in Paris“ von George Gershwin, in einer sehr netten Darstellung und mit vielen origmellen Einfallen (wie etwa die Besteigung des Eiffelturmes oder der Besuch des Louvre), ln einem einleitenden Gespräch mit dem Choreographen und dem Regisseur Hermann Lanske wurde wieder einmal aus berufenem Munde darauf hingewiesen, daß für das Fernsehen eine ganz andere Choreographie erforderlich ist als für die Bühne. Leider waren dann in der Ausführung Bildregie und Choreographie nicht immer ideal aufeinander abgestimmt. Vorbildlich war diese Aufgabe hingegen in dem Ballett „Peter Schlemihl“ (Buch und Regie: Leopold Hainisch) gelöst. Nie hatte man den Eindruck, daß die Kamera etwas versäumt, und die ausgezeichnete Cheoreographie von Richard Adama kam, unterstützt durch die eindrucksvolle Musik von Peter Ronnefeld, auf dem Bildschirm zu voller Wirkung. Schade war nur, daß dem Zusammenspiel zwischen den Figuren und ihren Schatten oft die gerade hier besonders wünschenswerte Präzision fehlte.

ECHTE ZEITKRITIK brachten wieder zwei „Scheiderbauer"- Filme. Der „Zeitverkauf“ (Buch: Jörg Mauthe, Regie: Walter Davy) wies nach einer ganz hervorragenden Einleitung auf die Probleme jener Kinder hin, für die ihre Eltern in unserem Wohlstandszeitalter keine Zeit haben. Wenn auch Inszenierung und Gestaltung dieses kleinen „Fernsehspiels“ einige Wünsche offenließen, die Dialoge waren vorzüglich und sehr treffend, die vier Darsteller ganz ausgezeichnet. Der Film „Oh, diese Fachleute“ in der Reihe „So leben wir alle Tage“ zeigte in sehr humorvoller Weise auf einige Zeiterscheinungen, die — auch wenn manche sie nicht wahrhaben wollen — letztlich uns aile betreffen.

EIN SEHR PROBLEMATISCHES UNTERFANGEN ist es wohl, das Fernsehpublikum so einfach mit Teilen aus der Geheimen Offenbarung zu konfrontieren. Vor allem müßte man dazu wohl eine andere Form finden als die des „illustrierten Rundfunks“, wie sie in dem Film „Die sieben Leuchter“ zu finden war, und tvo so wenig klar wurde, welchen Standpunkt der Autor und Gestalter nun eigentlich einnimmt.

EINE NEUE SENDEREIHE, „Im Kreuzfeuer der Press e“, wurde den Fernsehteilnehmern, die bereit sind, Sonntag mittag ihr Gerät einzuschalten, kürzlich vorgestellt. Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens werden durch Vertreter der Presse „befragt“. Hier war es Verteidigungsminister Doktor Schleimer, der die oft sehr kritischen und wohlfundierten Fragen beantwortete. Der zu Beginn der Sendung gebrachte Hinweis darauf, daß diese Sendung nicht geprobt und die Fragen völlig unvorbereitet seien, verliert allerdings ein Gutteil seines Gewichtes, wenn die Sendung, wie hier, als Aufzeichnung ge- bracht wird!

VIELVERSPRECHEND war auch die erste Folge einer Reihe von Nachbarschaftssendungen „W i en — Münch e n“. Diese beiden Paraphrasen über die Themen „schöne Wienerin“ und „schöne Münchnerin“ waren sehr nett gemacht und vor allem auch gut gestaltet. Man kann mit Interesse die nächste Sendung erwarten.

WAS KAUM ZU ERHOFFEN WAR, es ist eingetreten: „D e r Fenstergucker“ hat eine von dem bisher üblichen starren Schema stark abweichende Form erhalten. Diese Tatsache ist so erfreulich, daß übet etliche der Folge „Aus der Waldheimat“ anhaftende Mängel hinweggesehen werden soll.

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