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„Auf der Suche nach Gott“

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Das Flugzeug, das die .Vertreter Österreichs zur 1. Internationalen Christlichen Fernsehwoche in Englands nobles Seebad Brighton brachte, glitt über das wie auf dem Reißbrett gezeichnete Land, ließ Felder und Wälder in frühlingshaftem Grün und im satten Gelb der Kapsblüte erscheinen. Nach einer verhältnismäßig kurzen. Flugzeit (2 Stunderl) wurde der Ärmelkanal überquert, die Insel lag unter uns. Beim Anflug auf London fiel mir ein, daß“ Tnrvhice-k, jener typisch wienerische Banause, sicher 'gesägt hätte': „Alles sieht so englisch aus.“ Womit er recht gehabt hätte, denn alles sieht ja etwas anders aus als bei uns, oder in Deutschland oder in Frankreich. Wie in einem Sandkasten lag das Land da, jedes Haus, jeder Bauernhof, ja jedes Feld mit einer Naturhecke umgeben, so daß die englische Landschaft noch intensiver grün erschien. Der Wählspruch der Engländer „Myhomeismy castle“ scheint sich auch in dieser Form zu manifestieren.

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Das Flugzeug, das die .Vertreter Österreichs zur 1. Internationalen Christlichen Fernsehwoche in Englands nobles Seebad Brighton brachte, glitt über das wie auf dem Reißbrett gezeichnete Land, ließ Felder und Wälder in frühlingshaftem Grün und im satten Gelb der Kapsblüte erscheinen. Nach einer verhältnismäßig kurzen. Flugzeit (2 Stunderl) wurde der Ärmelkanal überquert, die Insel lag unter uns. Beim Anflug auf London fiel mir ein, daß“ Tnrvhice-k, jener typisch wienerische Banause, sicher 'gesägt hätte': „Alles sieht so englisch aus.“ Womit er recht gehabt hätte, denn alles sieht ja etwas anders aus als bei uns, oder in Deutschland oder in Frankreich. Wie in einem Sandkasten lag das Land da, jedes Haus, jeder Bauernhof, ja jedes Feld mit einer Naturhecke umgeben, so daß die englische Landschaft noch intensiver grün erschien. Der Wählspruch der Engländer „Myhomeismy castle“ scheint sich auch in dieser Form zu manifestieren.

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Die Reise nach London war kürzer als die Fahrt nach Brighton mit Autobus und Eisenbahn. Und diese Eisenbahn sah auch so „englisch“ aus; kleine Waggons, jedesi Abteil mit einem eigenen Ausstieg, genauso, wie man es aus den englischen Krimis gewohnt ist. Brighton ist ein Seebad alten Stils. Riesige Hotelbauten entlang dem Strand, bunte Glüh-bimenketten. Hinter der etwas antiquierten Prachtfassade eine eher vernachlässigte ärmliche Kleinstadt.

Und Travnicek würde weiters gesagt haben: „Und was gibt mir das schon?“ Diese ersten Eindrücke, die sich im Laufe der Woche verstärkten, vermittelten die Erkenntnis, daß England wirtschaftlich schwer zu kämpfen hat. Denn eine Million Arbeitslose, eine steigende Inflationsrate und die scheinbar noch nicht verkrafteten Rückwanderer aus den Kolonien belasten das Land. Auf der anderen Seite hat man den Eindruck, daß man neuerdings sehr darum bemüht ist, geistige Zäune und Hek-ken, die Großbritannien von der übrigen Welt abschimrteni niederzureißen, man gewährt einte ©lh in die „Burg England“. Di# Menschen sind freundlich, wenn auch noch nicht alle die anerzogene Reserviertheit aufgegeben haben.

Die lokale Festspielleitung hat sich sehr viel Mühe gegeben, damit diese Großveranstaltung reibungslos und für alle Delegierten so angenehm wie möglich ablaufen konnte. Man arrangierte Empfänge an den Abenden, die Besichtigung von Arondel-Castle und Goodwood, das im Besitz des Herzogs von Norfolk ist, man führte Diskussionen, eine

davon auf der Universität Sussex, und man bot Gelegenheit, dazu noch ein reichhaltiges Fernsehprogramm außer Konkurrenz genießen zu können. Aber wer kann das, wenn er täglich sechs Stunden lang Fernsehproduktionen aus aller Welt, in verschiedenen Sprachen und mit verschiedenen Stilmitteln gestaltet, offiziell sehen muß? Aus 16 Ländern gimgen Beiträge ein, die von 35 verschiedenen Organisationen gestaltet und vom Auswahlkomitee in fünf Kategorien eingeteilt worden waren.

Dieses Auswahlkomitee gab in seinem Bericht der Enttäuschung Ausdruck über die „Qualität und mangelhafte Originalität“ im Kinder-und Familienprogramm, wie bei dem Thema „Versöhnung“.

Man war bei dieser Fernsehwoche

wohl geneigt, Vergleiche zu ziehen zwischen Salzburg, wo vor zwei Jahren, von der WACC (World Association for Christian Communication) und der- UNDA (Katholische Weltorganisation) veranstaltet, die 3. gemeinsame Internationale Christliche Festwoche stattfand, und Brighton. Der Vergleich fiel eindeutig zugunsten Salzburgs aus, und zwar deshalb, weil in Salzburg die eingereichten Produktionen vielfältiger, einfallsreicher und, man muß wohl sagen: schwungvoller waren. Brighton brachte, aufs Ganze gesehen, nicht nur eine Stabilisierung, sondern eher auch einen Rückschritt.

Die Kirche an sich, als Institution, erfuhr weder eine positive noch eine negative Kritik, ja man hätte geradezu den Eindruck gewinnen können, man gehe absichtlich an ihr vorbei. Oft wurden mit einer kleinen Story einzelne Produktionen eingeleitet, ein Stilelement, das man gerne verwendet, um den Fernsehzuschauer aus seiner gegenwärtigen Situation abzuholen. Aber diese Sto-ries hatten keinen oder nur sehr werag-BeaBg äuirrThama:

Bebänderen Beiträgen wurde wieder die Natur in die Sendungen miteinbezogen. Was aber vom Bild her gekonnt und stimmungsvoll war, ließ jede Art von Interpretation für den Betrachter zu. Dasselbe gilt für die Musik. Sie wirkte vielfach ornamental, rätselhaft, tiefsinnig.' Aber Bild und Ton fielen oft auseinander.

Was das Fernsehspiel anbelangt, so konnte man von einer gewissen Verbesserung sprechen, wobei zu dieser Beurteilung allein der Streifen „Die Kornettstunde“ von der

BBC durch seine hervorragende künstlerische Darstellung, Heiterkeit und Leichtigkeit beitrug.

Gegenüber früheren Jahren ist leider bei der Ubertragungr oder Gestaltung des Gottesdienstes im Fernsehen kein Fortschritt zu verzeichnen gewesen. Man zeigte nur Experimente, und diese waren vielfach unbefriedigend, so daß in dieser Kategorie auch kein Preis, sondern nur eine Hervorhebung auagesprochen wurde. Es stellt sich nun die Frage, ob sich ein Gottesdienst für das Fernsehen eignet? Und wenn ja, in welcher Form? Das Fernsehen darf ja auf keinen Fall Ersatz für die Kirche sein. Aber, so muß man überlegen, werden in den Kirchen keine neuen Gottesdienstformen gefunden, wie kann das Fernsehen dann Neues

anbieten? Im wesentlichen beschränkte sich die Christliche Fern-sehwoche in Brighton auf eine Reflexion der Kirche in der Gesellschaft.

Nicht nur das Komitee, auch die Delegierten waren enttäuscht. Dieser Bericht kann nur Streiflichter bieten, indem er auf einige Produktionen, aus der Sicht der Berichterstattung interessant, hinweist. So etwa auf den vom ZDF produzierten Streifen „Und Gott schuf den Igel“ (Gedanken zu Pfingsten). Was stellen sich Kinder eigentlich vor, fragte man sich, wenn sie zu Pfingsten singen „Komm Schöpfer, Heiliger Geist“? Können sie begreifen, was das ist — ein Gott, der alles schafft? Vielleicht begreifen Kinder viel unmittelbarer, was der biblische Bericht sagen will. Im vorliegenden Streifen erklären drei Geschwister (sechs, neun und elf Jahre alt) mit ihren eigenen Zeichnungen und Gedanken die Schöpfungsgeschichte und die Evolution. Sie malen und sprechen spontan aus ihrer Erfahrungswelt und von dem, was sie je nach Alter am meisten beschäftigt. Für die Sechsjährige hat sich der Schöpfer-Gott am intensivsten mit den Tieren beschäftigt, wäre sie selbst dieser Schöpfer — sie hätte es genauso gemacht. Aber auch die Eroberung des Weltraumes, Eindrücke aus Museumsbesuchen und das Problem, wie Gott es schafft, „daß ihm seine Lesebrille nicht, wie dem kleinen Künstler, immer wieder von der Nase rutscht“, wird gelöst.

Das vom WDR eingereichte Musical „Menschensohn“ wollte wissen, wie Jesus heute leben und wie er auf Probleme jünger Leute antworten würde. Eine Umfrage unter über 1000 jungen Christen ergab 6 Typen, von denen man drei für die Fernsehfassung verwendete. Das Experiment waH“-beaehteWswert,-- letztlich- - aber nicht so überzeugend, daß man“ es als völlig gelungen ansehen könnte. „Eine Botschaft in einer Minute“, vorgelegt von der christlichen Vereinigung für Fernsehsendungen in Australien, setzte sich die Aufgabe, das Evangelium für das kommerzielle Fernsehen in Kurzform, also in Werbespots, zu senden. Eine Form der Verkündigung, die, noch nicht genützt, sicher Zukunft hätte. Ob man es einmal versuchen sollte?

Mit dem Beitrag „Hat der Regen einen Vater“ versuchte Holland in

eindrucksvoller Weise den Tod zu enttabuisieren.

Hätte man von „Rundfunkkatechese“ oder „Glaufoensseminar“ gesprochen, sagte der Vertreter des Hessischen Rundfunks, wären die Leute abgeschreckt worden. Weshalb man den provokanten Titel „Glaubensstürmer“ wählte, um bei einer Straßenbefragung die Bedeutung des Kreuzes in unserer Zeit zu untersuchen. Ergebnis: Das Kreuz wird weniger als christliches Symbol denn als Schmuckgegenstand gewertet. Traurig, was die Aussage, und traurig, was die Gestaltung des Films anbelangt 1

Zum Thema „Versöhnung“ brachte der Sender Lusaka aus Sambia „Auf seinen Spuren“. Es geht um David Livingstone, dessen große Verdienste

volle Anerkennung auch heute noch im Lande finden.

Aber auch ein trauriges Beispiel sei erwähnt: Die Welt von heute ist noch sehr weit von der Versöhnung entfernt. Das bewies der „Belfast Berich?'. Was nützt es, muß man fragen, wenn Katholiken und Protestanten aus Belfast alles daransetzen, um den Haß in der Welt zu überwinden, man aber ihr Bekenntnis, ihre Bemühungen im eigenen Land nicht zeigen kann, da sonst das Leben der bei dieser Sendung beteiligten Sprecher gefährdet wäre? Hier hat man sich tatsächlich noch nach außen und innen durch dicke Mauern abgeschirmt, hier gilt also noch „My home is my Castle“?

Auf derselben Ebene lag auch die Dokumentation „Reverend Parker sagte Goodbye“. In diesem persönlichen Bericht wird auf den tragischen Konflikt in Nordirland hingewiesen.

Österreich war mit seinen Beiträgen, dem Adventgespräch „Der Strafentlassene“, einem Zusammenschnitt des Versöhnttnpisgfottesdien-stes vom Katholikentag sowie dem Ballettfilm „Okzident“ gut und würdig vertreten.

Beachtlichen Erfolg errang der Beitrag der BBC (Britische Fernsehgesellschaft) „Eine Art von Vergeltung“. Der vielbeachtete Roman von Susan Hill „Im Frühling des Jahres“ erzählt die Geschichte der Bitterkeit und Trostlosigkeit einer jungen Wit-

we, aber auch der Annahme ihres schweren Verlustes. Das Drehbuch ist stark auf die Ostererfahrung „Tod und Auferstehung“ hin ausgerichtet. Susan Hill berichtet persönlich von ihrer erschütternden Erfahrung, ihrem schweren Weg zur Versöhnung und Stärkung ihres Glaubens. Ein überzeugender, vor allem durch das persönliche Bekenntnis von Susan Hill getragener Report.

Unter den Dramen sei der Beitrag des Zweiten Deutschen Fernsehens „Unser Walter“ hervorgehoben. Er zeigt diö Probleme, denen Eltern behinderter Kinder (in diesem Fall ist es ein mongoloides Kind) oft begegnen.

Es ist leider in diesem Rahmen nicht möglich, auf alle Filme und Produktionen im einzelnen einzuge-

hen. Eines aber sei noch hervorgehoben. Ein Höhepunkt der Tage von Brighton war ohne Zweifel am Himmelfahrtstag der ökumenische Gottesdienst in der Universitätskirche von Sussex, bei dem Vertreter verschiedener Kirchen, Rassen und Kontinente ein persönliches Bekenntnis zu diesem Tag ablegten. Die Predigt hielt Miss Barbara Ward (Lady Jackson). Sie ist Katholikin und ist dadurch bekanntgeworden, daß sie als einzige Frau am Vatikanischen Konzil teilnahm. Ihre Worte rissen jeden mit (ob er die Sprache verstand oder nicht), bei ihr war das innere Engagement überzeugend.

Man wird, heimgekehrt, nun fragen, ob es sich gelohnt hat, nach Brighton zur Christlichen Fernsehwoche zu fahren. Brighton war eine Reise wert. Man war über das Ergebnis enttäuscht, man konnte sehen,-daß die 'kirchlichen Sendungen im ORF wohl keine Spitzenleistungen sind, aber in Relation zur Weltproduktion gut bestehen können.

Anstrengende Bemühungen werden aber vonnöten sein, um die Botschaft des Evangeliums in vielfachen Formen dem Menschen unserer Zeit übermitteln zu können. Jeder weiß: Diese Botschaft wird gesucht und auch weiterhin gebraucht.

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