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Vor dem Bildschirm

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DIE LIVEÜBERTRAGUNG der Eröffnung des ökumenischen Konzils unterstrich wie kaum eine andere Sendung die Bedeutung des Fernsehens als Informationsmittel auch für das religiöse Leben. An keinem der früheren Konzile hat die gesamte Christenheit auch nur'im entferntesten solchen Anteil genommen und nehmen können, wie es heute durch die modernen Massenpublikationsmittel und insbesondere durch das fernsehen möglich ist. Und es ist ein weiterer Beweis dafür, welche Bedeutung auch die katholische Kirche diesen Möglichkeiten beimißt, daß sie diese mit großem technischen Aufwand durchgeführte Übertragung zuließ. Und tatsächlich konnte der Zuschauer am Bildschirm den ganzen Ablauf der Feierlichkeit mit ihrer Vielfalt an liturgischen Zeremonien (die Übertragung dauerte nahezu fünf Stunden) bis ins Detail verfolgen, wobei ihm der sachkundige Kommentar eine unentbehrliche Hilfe war. Es ist kaum zu bezweifeln, daß solche Übertragungen, über den aktuellen Anlaß hinaus und auf weite Sicht gesehen, auf die Ausbreitung und Vertiefung des Glaubens einen, wenn auch nicht kontrollierbaren, Einfluß haben werden.

EINE VORZÜGLICHE EINFÜHRUNG zu dem Thema „Ökumenisches Konzil“ brachte die vom Deutschen Fernsehen (Bayrischer Rundfunk) übertragene Sendung „Das Heil und die Last der 2000 Jahre“. Es war eine Sendung, die vom Wort lebte, von dem klaren, temperamentvollen Wort des Autors und Sprechers Hans Heigert, der vom Standpunkt des gut informierten Laien wichtige Aspekte des Konzils beleuchtete und durch seine sehr objektive und zugleich sehr persönliche Art einen starken Eindruck erzielte. Die dazu gezeigten Bilder waren kaum mehr als manchmal sehr treffende, manchmal auch entbehrliche Illustrationen.

AM VORABEND der Konzilseröffnung brachte das Österreichische Femsehen eine Ansprache Kardinal Erzbischof Dr. Königs. Die äußerste Beschränkung, die sich die Bildführung dabei auferlegte, war nicht nur dem Anlaß durchaus angemessen, sondern unterstrich auch zweifellos die Bedeutung der Worte und der Persönlichkeit des Kardinals. Man hätte diese Sendung ruhig als Aufzeichnung deklarieren könnenl

EINE EINDRUCKSVOLLE THEATERÜBERTRAGUNG brachte das Österreichische Fernsehen aus dem Volkstheater in Wien mit „Stützen der Gesellschaft“ von Henrik Ibsen. Dieses Gesellschaftsdrama, dessen grundlegende Gedanken auch heute noch von zwingender Aktualität sind, wurde von einer Schar vorzüglicher Darsteller (Otto Woegerer, Helmi Mareich, Edd Stavjanik, Margarete Fries, Kurt Sowinetz, Helga David, Joseph Hendrichs u. a.) getragen, und Erich Neuberg konnte ah Bildregisseur die von ihm selbst besorgte Inszenierung auch auf dem Bildschirm zu starker Wirkung bringe.

EINEN GIPFELPUNKT an Programmplanlosigkeit leistete sich das Österreichische Femsehen\damit, daß es zwei verschiedene Sendereihen über das gleiche Thema nebeneinander, d. h. also ineinander verschachtelt, ablaufen läßt: Einmal eine Sendung aus der einen und einmal eine aus der anderen Reihe. Das Thema der beiden Sendereihen — unsere Erde — ist außerordentlich interessant. Aber schon nach den ersten Sendungen zeigt sich bei beiden Sendereihen der gleiche Mangel: Jede einzelne Sendung ist mit so viel Stoff vollgepfropft, daß sie den Laien mehr verwirren ats informieren muß. Darüber hinaus hat die Reihe von Professor Heinz, Haber, „Der Mensch und seine Erde“, nicht mehr — wie früher — die ansprechende persönliche Form. Die einzelnen Teile jeder Sendung sind außerdem oft völlig unorganisch aneinandergefügt, und die Fragen des „zweiten Mannes“ — wie auch die Antworten, die er nicht selten gibt — wirken unecht. Trotzdem fällt die amerikanische Reihe „U u s er Planet Erde“ noch weit dagegen ab. Sie ist ganz nach dem Schema „Vortrag mit Bildern“ aufgebaut (gestaltet kann man in diesem Zusammenhang nicht sagen); mit Bildern um jeden Preis: Wenn sich gar nichts anderes finden läßt, schreckt man auch nicht davor zurück, völlig nichtssagende Trickaufnahmen zu zeigen.

EINEM WEITEREN FEHLER in der Programmplanung verdanken wir dafür immerhin die Bekanntschaft mit einem Werk des berühmten schwedischen Dokumentarfilmschöpfers Arne Sucksdorff: „Menschen am Fluß.“ Mit ganz hervorragenden Aufnahmen und in einer zum Teil kühnen Schnitttechnik, wird hier ein packendes Stimmungsbild von Landschaft und Bewohnern des Kaschmir-Tales gegeben.

VERDIENT GEMACHT hat sich das Österreichische Femsehen dadurch, daß es auch die Wiederholung von Wolfgang Borcherts „Draußen vor der Tür“ vom Deutschen Fernsehen (NDR) übei tragen hat. Rudolf Noelte hat mit einem vorzüglichen Ensemble (Paul Edwin Roth war einfach „der“ Beckmann) das Stück in einer Art inszeniert, die einem durch Mark und Bein gehen konnte. Hoffentlich haben diese Aufführung recht viele von den Zeitgenossen gesehen, die all das nicht wahrhaben wollen, was der junge Dichter, der selbst ein spätes Opfer des letzten Krieges geworden ist, hier anprangert,

VÖLLIG MISSLUNGEN ist der österreichische Beitrag zur letzten Sendung „M ü n c h e n-W i e n“. Wenn man schon nicht die Frage aufwerfen will, ob der Feldmarschall Radetzky und der Komiker Karl Valentin das richtige Paar für eine Gegenüberstellung sind, so müßte doch die Tatsache, daß sich der Heldenberg nicht in Wien (wie man auf Grund des Titels und des Münchner Beitrages erwarten muß), sondern rund 50 Kilometer davon entfernt befindet, auch den Gestaltern dieser Sendung aufgefallen sein. Außerdem hätte man sich doch für diesen mehr als bescheidenen Beitrag wenigstens einen Sprecher leisten können. Warum man den Museumführer während seiner Ausführungen so oft von hinten photographierte - wodurch deutlich wurde, daß er zu dem menschenleeren Gelände spricht — bleibt jedenfalls unerfindlich.

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