6755183-1967_43_15.jpg
Digital In Arbeit

Zukunftstendenzen

Werbung
Werbung
Werbung

Während andere Filme — besonders amerikanischer Herkunft — immer wieder den kometenhaften Aufstieg von künstlerisch völlig unbedeutenden Schlagersängern als den Inbegriff alles Erstrebenswerten schildern, stellt der englische Streifen „Privileg“ die Sache einmal von ihrer gar nicht so rosigen Kehrseite dar. Die Story rollt im Jahr 1970 ab, und sieht die Zukunft in einer sehr pessimistischen Schau. Peter Watkins, der Regisseur dieses ungewöhnlichen Streifens, versucht mit diesem Werte das Bewußtsein der heutigen Jugend wachzurütteln. Er zeichnet das Schreckgespenst einer Jugend, die für ihr Idol (sprich: „Führer“) in Ekstase gerät und zu einem lenkbaren Instrument der Manager wird. Die Anklänge an ein NS-Regime, die Watkins ganz bewußt einflicht, sind makaber, entbehren aber nicht der Grundlage. Watkins malt das düstere Zukunftsbild eines „1970“, das nicht vom „großen Bruder“, sondern von einem Schlagersänger beherrscht wird, der als menschlicher Leithammel die Massen dorthin führt, wo eine geschäftstüchtige Führungsschicht sie haben will. Der schon vom Inhalt her außergewöhnliche Streifen ist auch formal nicht nach gewohnten Maßstäben zu beurteilen. Er ist eine Mischimg aus Report und Spielfilm, junger deutscher Film auf englisch, wenn man will. Eine brillante Farbfilmtechnik und eine ebenso eigenwillige Schnittfolge beherrschen den bei uns in Originalfassung gezeigten Streifen, der die Schrecken einer gefühllosen, nur auf Profit und Eigennutzen bedachten Zeit mit außergewöhnlicher filmischer Gestaltungskraft heraufbeschwört.

Das Thema der in Wien soeben beendeten „VII. Internationalen Filmwissenschaftlichen Woche“ lautete „Zukunftstendenzen von Film und Fernsehen“. Im Gegensatz zu den vergangenen, meist eher filmhistorisch orientierten Tagungen, ergab sich diesmal die Möglichkeit einer Analyse des Mediums Film im Hinblick auf die noch keineswegs voll erschlossenen Anwendungsgebiete auf dem Bildschirm. So waren auch die verschiedenen Demonstrationsfilme nach diesem Gesichtspunkt ausgerichtet und brachten eine Reihe hochinteressanter Beispiele, auf die wir in einer Sonderseite näher eingehen werden.

Am Sonntag waren oberösterreichische handtagswahlen. Am Sonntag gab es im Fernsehen auch die Sendung „Christ in der Zeit“, bei der ein Oberösterreicher, der hinzer Kaplan hiss, zu eben dieser Wahl und zur Entscheidung des Christen in der Demokratie sprach. Hier schien also zum ersten Mal dem wiederholt gestellten Verlangen nach Aktualität der Sendung entsprochen worden zu sein. Natürlich war es nicht insoferne eine brennheiße aktuelle Sendung, als ob Kaplan hiss direkt' nach Vorliegen der Wahlresultate gesprochen hätte, die Sendung wurde früher aufgezeichnet. Warum aber hat man sie nicht auch früher gesendet? Dem, was Kaplan hiss sagte, kann man nur beipflichten, so, wenn er meinte, der Christ habe die Pflicht, die Menschen, die sich zur Wahl stellen, zu prüfen. Wie er aber wähle, das könne ihm niemand vorschreiben, auch keine Kirche. Aber werden denn Menschen gewählt? Gerade Oberösterreich beweist doch das Gegenteil. Die sehr wohlmeinenden, aber doch vielleicht etwas romantischen Vorstellungen von der Wahl von Persönlichkeiten entsprechen nicht den österreichischen Tatsachen. Auch diese Tatsachen müßte man berücksichtigen.

In der Woche vorher und gewiß nicht ganz ohne Hinblick auf die oberösterreichischen Wahlen gab es im Fernsehen eine Reihe von politischen Interviews, die vom neuen Chefredakteur des Aktuellen Dienstes, dem früheren Arbeiter-Zeitung-Chefredakteur Franz Kreuzer, recht geschickt gemacht wurden. Diese Interviews für die Wahlniederlage der ÖVP verantwortlich zu machen, scheint doch eine zu einfache Erklärung. '

Niemand redet so viel und so ausschließlich vom lieben Gott wie ein Atheist. Daher wird auch bei einem Sartre-Stück immer von Gott gesprochen, auch dann, wenn es ihn nicht — wie „Der Teufel und der liebe Gott“ — im Titel trägt. Es geht um die alte'Frage der Existen-tialisten: W,enn Gott ist, kann ich nicht sein, bin ich nicht frei. Wenn ich frei bin, dann kann Gott nicht sein. Sartre hat daraus wie immer ein handfestes Theaterstück gemacht, er hat es in der Zeit der deutschen Bauernkriege angesiedelt, um damit jenen Typ des Deutschen vorführen zu können, vor dem der Franzose ein mit Bewunderung gemischtes Grauen hat. Sartre zeichnet keine Idylle. Die erste Folge der Erkenntnis, daß Gott tot sei, ist ein Mord. Viele Morde werden ihm folgen.

Man könnte fragen, warum das österreichische Femsehen die deutsche Produktion eines Sartre-Stückes übernimmt. Nicht, weil wir meinen, das österreichische Publikum dürfe Sartre nicht sehen, aber vielleicht hätte man bei einer österreichischen Produktion manche Akzente etwas anders setzen können. Eines aber muß man dem österreichischen Fernsehen hier vorhalten: Am Donnerstag gibt es kein zweites Programm. Gerade dieses Stück aber wäre ein typisches Stück für das zweite Programm gewesen, zumindest hätte man den Fernsehern die Möglichkeit einer Auswahl lassen müssen. Im zweiten Programm, das ja ein Kontrastprogramm sein will, hätte man vielleicht auch das machen können, was hier immer wieder gefordert wird: Bei problemreichen Stücken, in denen es wirklich um wesentliche Aussagen geht, diese in einer anschließenden Diskussion einem interessierten Zuseherpublikum nahezuführen.

Daß dieser Sartre bis weit über 23 Uhr dauerte, ließ sich wahrscheinlich nicht vermeiden. Wohl aber müßte es sich vermeiden lassen, interessante politische Diskussionen, wie zum Beispiel die über die Budgetpolitik, so spät anzusetzen, daß man einen Großteil des Fernsehpublikums ausschließt. Oder die äußerst interessante Sendung über die Stalintochter Swetlana, die uns eine kluge, anziehende und menschlich sehr ansprechende Persönlichkeit zeigte, so spät über den Bildschirm laufen zu lassen, daß man entweder die Sendung oder den Schlaf opfern mußte. Warum der alte amerikanische Film „Das Himmelb ett“ für Jugendliche ungeeignet war, bleibt unerfindlich. War es nur der Name? Gewiß, der Film war sentimental, aber das allein ist doch nicht so gefährlich, oder?

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung