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TELE-GESPRÄCHE

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A uf der letzten Fernsehseite haben wir unserer Besorgnis über die Entwicklung der Sendung „Zeit im Bild“ recht deutlich Ausdruck gegeben. Fernsehdirektor Gerhard Freund hat kürzlich in seiner Sendung „Dienst am Kunden“ zu diesem Problem Stellung genommen und erklärt, daß die Umwandlung von „Zeit im Bild“ in eine magazinartige Sendung bewußt und in voller Absicht erfolgt sei und daß dafür die Nachrichtensendungen mit aktuellem Bildmaterial illustriert werden.

Dazu ist vor allem zu bemerken, daß wir es erfreulich finden und zu schätzen wissen, daß auf diese Weise ein Gespräch zwischen dem Fernsehen und einer Zeitung zustande kommt; daß sich dabei beide Partner ihres eigenen Mediums bedienen, ist selbstverständlich zu begrüßen. So wollen wir gerne die Gelegenheit wahrnehmen, dieses Gespräch fortzusetzen.

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Wir haben keineswegs übersehen, daß dem Fernsehzuschauer im Rahmen des „Nachrichtendienstes“ eine ganze Menge aktuellen Bildmaterials geboten wird. Das Problem liegt jedoch woanders: Wir glauben, daß da eine sehr wesentliche Verschiebung der Akzente und eine Verkehrung eingebürgerter Begriffe stattgefunden hat, die nicht nur überflüssig, sondern der Sache an sich sogar abträglich ist.

Die Entwicklung der Sendung „Zeit im Bild“ begann — in den Uranfängen des Österreichischen Fernsehens — damit, daß ein Sprecher einige Photos von aktuellen Ereignissen zeigte und mit einem entsprechenden Kommentar begleitete — übrigens eine Entwicklungsphase, die man auf Grund der damals im Ausland bereits gemachten Erfahrungen ruhig hätte überspringen können. Bald jedoch wurden die Photos von Filmstreifen abgelöst, und im Laufe der Zeit entwickelte sich für die „Zeit im Bild“ eine feste Form. Durch Jahre hindurch war es diese Sendung, die den Zuschauer wichtige Tagesereignisse mit einem Mindestmaß an Zeitverzögerung, noch in ihrer unmittelbaren Aktualität miterleben ließ. Konnte man auch über Wort und Bedeutung einzelner Berichte geteilter Meinung sein, diese Sendung war jedenfalls zu einem Begriff für die rascheste und eindrucksvollste Information über aktuelle Tagesereignisse geworden.

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Da es aber unmöglich ist, über alle wichtigen Geschehnisse geeignetes Filmmaterial zu erhalten, war der Zuschauer, der eine vollständige Information verlangte, daneben noch auf den Rundfunknachrichtendienst angewiesen. Um dem zu begegnen, begann man eines Tages im Fernsehen auch einen zusätzlichen Nachrichtendienst — ohne Bilder — zu bringen. Jedenfalls konnte der wohlmeinende Betrachter den erwähnten Grund vermuten.

Als man dazu überging, zu diesen Nachrichten gelegentlich auch Photos zu zeigen, war das als ein weiterer Dienst am Kunden zu werten. Problematisch wurde die Sache erst, als in den Nachrichtensendungen einzelne -Filmberichte auftauchten. Warum, so konnte man sich fragen, wurden diese Filmberichte nicht in die Sendung „Zeit im Bild“ eingebaut? Natürlich gibt es verschiedene Gründe, die dieses Vorgehen rechtfertigen, und es wäre auch kaum etwas dagegen einzuwenden, wenn man nicht in der Folge das Gewicht der Aktualität zur Gänze in diese Nachrichtensendung verlegt hätte, die bisher immer nur eine zusätzliche Ergänzung war, während man der Sendung „Zeit im Bild“, die bisher als Begriff für eben diese Aktualität stand, ein ganz neues Wesensmerkmal gegeben hat, ein Wesensmerkmal, das der Einrichtung einer neuen Sendereihe wohl wert wäre.

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Die Sendung „Dienst am Kunden“, die als ein großer Pluspunkt unseres Fernsehprogramms anzusehen ist, sei nun gleich Anlaß zu einigen weiteren Gedanken.

Es ist sicher sehr erfreulich, daß das Fernsehen den Zuschauerzuschriften so sorgfältige Beachtung schenkt. Man kann sich aber des Eindruckes nicht erwehren, daß dabei auch manchmal eine Überbewertung dieser Briefe erfolgt. So erscheint es völlig verfehlt, allein aus den spontanen Zuschriften Schlüsse darüber ziehen zu wollen, ob eine Sendung gut ist oder schlecht, ob sie bei den Zuschauern „ankommt“ oder nicht. Sicher gibt es eine sehr beträchtliche Anzahl von Zuschauern, die es unterlassen, dem Fernsehen ihre Meinung mitzuteilen, sei es, weil sie Hem-

mungen haben, ihre Ansicht ungefragt kundzutun, sei es, weil sie nicht die Zeit finden, ihre Gedanken niederzuschreiben, sei es, daß sie in einer vielleicht falschen Bescheidenheit sich nicht für genügend kompetent halten. Man wird nicht fehlgehen, zu vermuten, daß sich gerade unter diesen Zuschauern viele befinden, die sich mit dem Fernsehen geistig sehr ernst auseinandersetzen und deren Meinung sehr bedeutungsvoll sein kann.

Zum anderen gibt es bekanntlich neben den Zuschauern, die dem Fernsehen durchaus ernst zu nehmende Ansichten mitteilen, viele Menschen, die einfach jede Gelegenheit wahrnehmen, zu Wort zu kommen. Was für ein Bild würde sich wohl ergeben, wenn ,.die Schreiber schweigen und die Schweiger schreiben“ würden?

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Manchmal entsteht auch der Eindruck, als würde man da und dort erwarten, daß der Fernsehkritiker bei seinen Beurteilungen auf die Schwierigkeiten, denen sich das Fernsehen gegen-* übersieht, entsprechende Rücksicht nimmt. Dieser Ansicht muß aber auf das entschiedenste entgegengetreten werden. Selbstverständlich soll der Fernsehkritiker auch über Probleme Bescheid wissen, mit denen das Fernsehen zu kämpfen hat, für die Beurteilung einer Sendung aber gibt es nur einen Maßstab: ob sie gut ist oder schlecht. Wenn eine Sendung deshalb schlecht ist, weil es etwa an den nötigen Mitteln dazu gefehlt hat, so wird sie dadurch nicht besser, im Gegenteil: sie hätte dann überhaupt unterbleiben müssen.

Diese Objektivität des Standpunktes muß für den Fernsehkritiker oberstes Prinzip sein. Er hat ja auch nicht darüber zu urteilen, ob die Sendung ihm persönlich gefällt, sondern er hat von einem höheren Standpunkt aus festzustellen, ob sie sachlichen Qualitätsmaßstäben entspricht, ob sie dem Wesen und den Aufgaben des Fernsehens gerecht wird und ob sie den ethischen Normen folgt, die einem Medium mit solch umfassender Wirkungskraft, wie es das Fernsehen ist, auferlegt werden müssen.

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