6752822-1967_34_15.jpg
Digital In Arbeit

Mitgesehen — mitgeredet

Werbung
Werbung
Werbung

Als die Absicht des Fernsehens bekannt wurde, die Sendung „Christ in der Zeit“ am Sonntag im Anschluß an das erste Nachrichtenprogramm vorzuverlegen, da war es jedem klar, daß dies eine große Chance und eine schwere Verpflichtung bedeutet. Diese Maßnahme des Fernsehens war geradezu ein Musterbeispiel für die große Chance und die schwere Verpflichtung, die die Kirche heute in Österreich hat. Natürlich läßt sich ein abschließendes Urteil über Bewährung in Chance und Verpflichtung noch nicht abgeben. Aber einige Beobachtungen konnte man indessen schon machen.

Es war selbstverständlich, daß man mit der Vorverlegung ins Hauptprogramm die früher praktizierte Methode, die Sendung „Christ im, der Zeit“ zu einer Art fortlaufender Christenlehre zu verwenden, nicht beibehalten konnte. Die Sendung mußte und sollte aktuell sein. Die aktuellste Form ist natürlich eine Live-Sendung. Ist es wirklich unmöglich, sie durchzuführen? Gibt es nicht einige wenige GeistUche in Österreich, die imstande sind, direkt frei in die Fernsehkamera zu sprechen, womöglich im Anschluß an eine Nachricht, die der Aktuelle Dienst gerade vor ein paar Minuten gebracht hat? Wenn man die Sendung aufzeichnet, ob nun fünf Tage, acht Tage oder acht Wochen vorher, besteht immer die Gefahr, daß sie zu einer allgemeinen Betrachtung wird, und gerade das sollte sie ja nicht sein. Wer zwischen Nachrichtendienst und Hauptprogramm an einem Sonntagabend fünf Minuten vor dem Fernsehschirm zu finden ist, uMd das ist wahrscheinlich ein Vielfaches der Sonntagsmessebesucher, der soll nicht mit allgemeinen, milden und unverbindlichen Redewendungen sanft moniert, er soll schockiert werden. Denn nur durch den Schock kann er eventuell zum Nachdenken veranlaßt werden.

Die Menschen zum Nachdenken zu bringen, 'das ist das Größte und auch das Beste, das eine religiöse Sendung im Fernsehen zuwege bringen kann. Dazu bedarf es aber einer härteren Sprache, auch auf die Gefahr hin, daß der eine oder andere indigniert abdreht. Dazu bedarf .es aber auch, so meinen wir zumindest, einer gewissen Kontinuität, auch in der Person des Sprechers. Der Redner und die Hörer müssen zuein-anderkommen. Dazu wäre es notwendig, nicht jedesmal den Redner auszuwechseln, sondern ihm die Möglichkeit zu geben, zumindest ein halbes Jahr lang sich einzusprechen, und dem Publikum die Möglichkeit, sich einzuhören.

Die Sendereihe „Das österreichische Porträt“ kann einmal eine Art österreichisches biographisches Lexikon, ein filmisches „Who's who in Austria“ werden. Eine solche Sendung kann natürlich kein starres Schema haben. Aufbau und Gestaltung muß der jeweiligen Persönlichkeit angepaßt sein. Am Sonntag sahen wir einen der wenigen österreichischen Künstler, die internationalen Rang haben, den Bildhauer Fritz Wotrüba. Nahezu die ganze Sendezeit war ausgefüllt mit einem Gespräch im Atelier Wotrubas, wobei Wotruba fast allein sprach, die anderen waren nur Stichwortbringer. Die Selbstinterpretation eines Künstlers ist sicherlich wichtig, es wäre aber auch interessant gewesen, zu hören, was die anderen über ihn denken.

Klassische Filme der Vergangenheit im Fernsehen zu zeigen, ist ein lobenswertes Beginnen, doch. muß man sich bewußt sein, daß man dabei nicht nur die Größe manchen vergangenen Filmkunstwerkes, sondern auch den menschlichen und künstlerischen Abstand dazu zeigt. Für keine Kunst ist die Zeit mörderischer als für den Film und natürlich auch für das Fernsehen. G. W. Papsts Film „Westfront 1918“ war in den dreißiger Jahren, als er entstand, ein revolutionäres, die Menschen zutiefst aufwühlendes Werk gewesen. Im Äußeren mag heute davon nicht mehr allzuviel zu spüren sein, die Kriegsszenen sind eher harmlos, das Pathos übertrieben, Mimik und Gestik der Schauspieler noch zu sehr der Stummfilmzeit verhaftet, zu sehr outriert, zu sehr ausgespielt. Wo er anklagen will, bleibt er entweder in seiner Aussage unitypisch, wie in dem bitteren Heimaterlebnis des Frontsoldaten, oder zu sehr im allgemeinen stecken. Wenn es am Schluß heißt „Wir alle sind schuld!“, so ist das sicherlich richtig. Aber nur zum Teil, denn gerade hinter einem so allgemeinen Schuldbekenntnis können sich jene am besten verstecken, die nicht -nur allgemein, sondern ganz konkret schuldig waren und sind..

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung