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Vor dem Bildschirm

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EINE GÜNSTIGERE SENDEZEIT hat die Reihe „Christ in der Zeit“ nun endlich erhalten: und sie ist sogar — wenn auch im Widerspruch zur offiziellen Programmankündigung — etwas länger geworden. Leider hat man in der letzten Sendung den seinerzeit begonnenen vielversprechenden Weg allzusehr verlassen: Nichts mehr von den packeud-malwenden Worten früherer Sendungen, nichts mehr von den allgemeinmenschlichen Problemen aus christlicher Sicht gesehen. Was blieb, war eine verkürzte Unterrichtsstunde über den Apostel Paulus und über die Verbreitung der Bibel. Ein für den Laien unter Umständen sehr schwerwiegendes Problem, die Gegenüberstellung von Bibelworten mit Erkenntnissen der modernen Wissenschaft, wurde mit einigen Sätzen abgetan. Und man spürte förmlich den erhobenen Zeigefinger, mit dem der Zuschauer aufgefordert wurde, die Bibel zu lesen. Außerdem muß man doch annehmen, daß diese Sendung auch von Zuschauern gesehen wird, die dem katholischen oder überhaupt dem christlichen Glauben nicht von vornherein mit vollem Verständnis gegenüberstehen. Wenn man mit der Sendung auch solche Kreise ansprechen will, müßte man wohl auch das Augenmerk auf verschiedene Äußerlichkeiten richten.

VON DEN THEATER ÜBERTRAGUNGEN, die längst zw einer liebens- und lobenswerten Gewohnheit des östefreic'-'schen Fernsehens geworden sind, sei Karl Schönherrs „Frau S u i t-n e r“ in der Inszenierung von Gustav Manker am Volkstheater, Wien, besonders hervorgehoben. Durch eine einfallsreiche Kameraführung (Bildregie: Hermann Lanske) wurde da die Bühnenaufführung in fast optimaler Weise auf den Bildschirm gebracht. An der Spitze des Ensembles standen Dorothea Neff in der Titelrolle, Martha Hartmann als Zipfl-Moidl und Hilde Sochor als Gretl. Otto Woegerer, in Maske und Gestaltung als Kaspar außerordentlich eindrucksvoll, war leider oft wenig verständlich. Trotzdem: ein eindrucksvoller Abend.

EINEN EINDRUCKSVOLLEN ABEND bescherte uns auch das Deutsche Fernsehen (WDR) mit Scholem Alcjchems ,.T e v y a und seine Töchter“ in der Dramatisierung von Arnold Perl. Das Pseudonym des Dichters, das „Friede sei mit euch“ bedeutet, wurde zum Leitgedanken des Abends. Eine vorzügliche Fernsehinszenierung (Gerhard Klingenberg), die von großartigen schauspielerischen Leistungen (Ida Ehre, Gisela Fischer, Liselotte Kuschnitzky. Alfred Balthoff und viele andere) getragen wurde, machte hinter einem Feuerwerk von Geist und Witz das zutiefst menschliche Anliegen des Dichters sichtbar. Und über dem kleinen Gluck dieser Leute, das ihnen das Leben lebenswert machte, ahnte man den Schatten jenes großen Leides, das gerade diese Menschen treffen sollte. Ein Abend, der zur Besinnung rief: was gerade in der heutigen Zeit nicht oft genug ffSfUehen kamt: und was als eine ganz besondere Aufgabe des Fernsehens anzusehen ist.

ENTTÄUSCHEND war die Fernsehinszenierung der Lehdr-Operette „Paganini“. Enttäuschend insbesondere deshalb, weil man sich von dem vielfach bewährten Fernsehspielregisseur Theodor Gradier etwas anderes erwartet hatte. Mit weitausgeladenen Gesten wurde hier agiert, mit wilden Gebärden und entfesselter Mimik: Man fühlte sich in die Zeit des Stummfilms zurückversetzt. Dabei wurden für diese Inszenierung ganz offensichtlich weder Kosten noch Mühen gescheut. Schade.

VIEL ÖFTER sollte das Fernsehen über Kunstausstellungen berichten, wie es etwa in der Sendung „W i r besuchen eine Ausstellung - 5000 Jahre ägyptische Kunst“ geschehen ist (Buch und Regie: Dr. Otto Kamm). Hier wurde dem Zuschauer ein guter Überblick über die ausgestellten Objekte geboten, und sicher wurde mancher durch die Sendung zum Besuch der Ausstellung angeregt. Dann allerdings wird ihm aufgefallen sein, daß man der Sendung vielfach keinen Anhaltspunkt über die Größenverhältnisse entnehmen konnte und sich deshalb oft recht falsche Vorstellungen machte. Was in Zukunft leicht zu vermeiden wäre.

URSPRÜNGLICH wollten wir hier leise Bedenken anmelden und die Frage stellen, ob durch die wöchentliche Wiederholung der Sendung „W a s gibt es Neues?“ und durch die Ausdehnung auf fast eine Stunde nicht die Gefahr besteht, daß sich diese wenig anspruchsvolle und daher sehr behebte Sendung zu rasch „abspielen“ würde, daß sie zu sehr zur Routine werden und für den Zuschauer an Reiz verlieren würde. Heinz Conrads selbst hat uns den Wind aus den Segeln genommen: mit seinem Besuch im Theater in der Josefstadt. Mit solchen Exkursionen (der Josef Städter Besuch war nicht die erste) kann nicht nur die angedeutete Gefahr gebannt werden, hier wird auch das innerste und ureigenste Wesen des Fernsehens ausgeschöpft. Diese Art von Live-Sendungen, nach denen wir immer wieder verlangt haben, zeigt das Fernsehen in einer seiner Grundlunktionen. Insonderheit war der Besuch im Theater in der Josefstadt, mit seiner vorzüglichen Mischung von Improvisation und Planung, mit seinem mustergültigen Ablauf, mit seinem persönlichen Ton und seinem „Blick hinter die Kulissen“, ein Vorbild für solche Übertragungen. Es bleibt nur zu wünschen, daß derartige Sendungen öfter als bisher zu sehen sind und daß sie auch immer live-gesendet werden. Dann gäbe es immer etwas „Neues“, jedenfalls im Fernsehen.

ERFREULICH ist, daß sich die „neuen“ Sprecherinnen so gut in ihre nicht leichte Aufgabe hineingelebt haben, daß sie heute genauso sicher und so charmant die Zuschauer ansprechen wie ihre dienstälteren Kolleginnen; und daß diese es stets verstehen, die zwangsläufig vorhandene Routine nicht einmal spürbar werden zu lassen. Auf unsere Fernsehsprecherinnen können wir jedenfalls stolz sein.

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