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Bemerkungen

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Ich beneide den Doktor Giese um die jugendliche Begeisterung, mit der er die von Arthur Kö stier vorgeschlagene Dfeision zwischen unserem emotionellen Urhirn und unserem rationalen Neuhirn a) als gegeben, b) als wissenschaftlich akzeptiert. Als uns unsere schönen hippizaner, in voller Lebensfreude durch die Landschaft galoppierend, als Illustration für die böse Wirksamkeit des Vrhirns gezeigt wurden, wußte man gleich, warum das Ganze nicht stimmen kann: Man nehme der Ratio den emotionellen Antrieb (bei dem Gut und Böse immerdar untrennbar vermischt sind) und sie wird nie vom Platz kommen. Umgekehrt gilt immer noch die nicht nur Von Freud gemachte Feststellung, daß wir nur durch die von Ratio motivierte Sublimierung welch immer unse-

rer Triebe einigermaßen ertragbare Zeitgenossen werden können. Und damit kommen sowohl Religion Wie Weltanschauung (die Köstler, ein Enttäuschter, mit einer Handbewegung beiseite schiebt) wieder zu ihrem Recht.

Teddy Kollek, Jerusalems Bürgermeister, der einige wichtige Kapitel der Geschichte Israels machen half, von Herrn Fischer-Kartcin interviewt, das ist denn doch ein bißchen inadäquat. Laßt uns nichts weiter darüber sagen.

Und weil wir schon beim Theater sind: M o l n a r s Komödie „Panoptikum“ war mir von Herrn Tannert ein bißchen zu überheblich aufgefaßt. Was immer man der Aristokratie von gestern vorwerfen kann, so hatte sie den sogenannten Meritokraten von heute (über deren Meriten man oft genug streiten kann) einiges voraus. Zum Beispiel gute Erziehung, Manieren und ein Gefühl der Verantwortung. Und für sämtliche Kriege nach 1918 zeichneten durchweg Herren ohne Adelstitel. In letzter Zeit sind sogar Proletarier darunter, die sich ihren Platz im Panoptikum bereits verdient haben.

Herrn O. F. Schuh von einer „Salzburger Dramaturgie“ im Vergleich zu Lessings „Hamburgischer“ sprechen zu hören, kommt mir ein bißchen überschätzt vor. Den Regisseur, der überhaupt imstande oder tüillens tuäre, ein Dramaturg zu sein, den muß man mir erst zeigen. Das Theater wird bereits die längste Zeit von Inszeneuren und Schauspielern beherrscht. Wo, in welchem Theater, hat ein Mann, der von der schreibenden Seite her kommt, noch etwas zu reden?

„Der gute Ton in allen Stimmlagen“ tut es noch nicht, wo die Geschichte sich da-zuschlägt. Otto Czerwenka brachte in seiner jüngsten Sendung die Habsburger ein bißchen durcheinander. Er präsentierte uns ein Porträt Leopolds I. in vollem Barockaitiree als das Karls V. und vice versa. Auch, fürchte ich, ging die Rechnung nicht auf, Herrn Portisch den Baron Scarpia interviewen zu lassen. Berufsschauspieler mit Dilettanten auftreten zu lassen, wirkt meist peinlich. Dabei wäre es wahrlich übertrieben, Herrn Portisch als Dilettanten zu bezeichnen. Zumindest auf seinem Gebiet. „Eine Mischung von Brecht und Strehler“ nannte sich die Verdra-matisierung C. H. Meyers von alten Volksliedern aus Herders Sammlung. Von Brecht waren nur die Fetzen und Hadern für die Kostümierung, und den Namen Strehlers auch nur zu erwähnen, war Blasphemie. Eine

Anzahl unglücklicher Schauspieler tat so, als ob sie Schauspieler wären, die so tun, als ob sie Volk wären.

Theodore Bi ekel hingegen ist ein echter Volkssänger und noch mehr. Er sang diesmal vorwiegend Zigeunerlieder aus verschiedenen Ländern. Am wenigsten gelangen ihm die FUimen-cos, um so besser die russischen und rumänischen Lieder. Bichel ist ein Showmän durch und durch, und ich glaube ihm die umflorte Stimme nicht, wenn er gegen den Krieg singt. Aber er ist trotzdem ein prächtiger Kerl und man bedauerte diesmal die Kürze der Sendung. Aktualitäten. Etwas

schmerzlich empfand man's unlängst in einer Nachrichtensendung, als zuerst Gestein vom Mond gezeigt wurde und danach die Steine, welche „neue Linke“ auf Westberliner Polizisten warfen. Weil Bundeswehrdeserteure aus West-Berlin in die Bundesrepublik ausgeliefert worden waren. Ich möchte wissen, wann die •schon einmal gegen etwas demonstriert hätten, das in Ost-Berlin zu bemängeln war. Unlängst eine alte Wochenschau aus dem Jahre 1919, Staatskanzler Karl Renner in Paris bei seiner Ankunft zu den Friedensverhandlungen von Saint-Ger-main. In Zylinder, schwerem Wintermantel und mit dicker Aktentasche bepackt. Das war der Stil noch bis in den zweiten Weltkrieg hinein. Sogar Chamberlain kam 1938, toietcohl per Flugzeug, zu den Münchner Verhandlungen mit Zylinder und dem Regenschirm. Seit Kennedy steigen die Herren aus dem Flugzeug als träten sie aus einem Zimmer ins andere. Nur österreichiscrTe Staatsfunktionäre halten sich noch ans alte Protokoll, nicht zu vergessen die niemals angezogenen Handschuhe in der Hand.

Passiert wirklich so wenig in diesen Tagen zwischen Abend- und Nachtausgabe der Nachrichten, daß die letzteren kaum etwas anderes als eine Wiederholung der ersteren sind?

Entweder dem Autor oder dem Regisseur oder dem Kameramann der „Fensterguckef-Sendung „Wienerwald“ ist zu sagen, daß eine Metapher im Text nicht ins Bild übertragen werden darf. So, wenn der Sprecher in Hinblick auf die bevorstehenden Germanenstürme der Völkerwanderung gegen den römischen Limes in Österreich „Sturmwolken verdüstern den Himmel“ sagt, und prompt darauf diese feinsäuberlich Photographien erscheinen. Ich sehe schon nächstens eine Sängerin „Vorüber, vorüber, geh wilder Tod“ singen und ungeduldig mit der Hand „So geh schon!“ winken.

Wieder einmal erwies sich an den Übertragungen von den internationalen Radrennmeisterschaften, daß der Sport ein wunderbarer Gegenstand fürs Fernsehen ist. Der Zuschauer sieht beim wirklichen Geschehen am Straßenrand die Fahrer für den Bruchteil einer Minute und nicht wieder. Der Femseher erhält das ganze Rennen vom Anfang bis zum Ende mit den aufregendsten Episoden. Die Übertragungen der österreichischen Leichtathletikmeisterschaften ermöglichten durch geradezu phantastische Close-ups ein Ausmaß von Identifizierung des Zusehers mit dem Sportler, wie dies sonst nur durch den Spielfilm mit seinen erfundenen und gestellten Handlungen möglich ist. Leider ließen die Übertragungen vom Zeltweger Autorennen in dieser Beziehung zu wünschen übrig. Es waren einfach nicht genug Kameraleute hingeschickt worden. .

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