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QUIZ - UND ANDERE FRAGEN

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Am 16. Oktober lief die erste Folge der neuen Reihe „Einer wird gewinnen“ über die Bildschirme fast ganz Europas, da die Eurovision dieses überaus beliebt gewordene Quizspiel aus Westdeutschland übernommen hat Diesmal ging man sogar weiter, es war schon ein Kandidat aus den USA dabei und einer aus Rußland eingeladen, der allerdings aus technischen Gründen nicht An Erscheinung treten konnte. Aber schon besteht die Zusicherung, daß durch eine russische Teilnahme an dieser Quizsendung aus einer europäischen eine Weltsendung werden könnte. Schon im letzten Jahr waren ja Kandidaten aus Ostblockstaaten an der genannten Quizsendimg beteiligt Daß die Sendung wieder ausgezeichnet gemacht war, daß sich das westdeutsche Fernsehen die Angelegenheit nicht nur etwas kosten, sondern vielmehr immer etwas Neues einfallen ließ, zeigt daß man weit über die Grenzen des deutschsprachigen Raumes hinaus mit einer erfolgreichen Sendung auch erfolgreich vordringen will.

Dabei ist auch an der Sendung von Hans-Joachim Kulen-kampff einiges auszusetzen. Nicht an der Ausstattung und vor allem nicht an „Kuli“ selbst der jede Situation beherrscht und jede auftretende Schwierigkeit während der Sendung klug, geschickt und vor allem mit Humor zu überwinden versteht. Aber beim Technischen beispielsweise ist es für den Fernseher unmöglich mitzuraten, wenn Bilder von Malern gezeigt werden und die Frage an die Kandidaten gestellt wird, welches Bild von welchem Maler saL Es läßt sich dies sicher im Aufführungssaal feststellen, aber auf dem kleinen Bildschirm in Schwarzweiß und oft nur in Ausschnitten gezeigt, wird es zur Unmöglichkeit, und daher verliert die Sendung in diesen wenigen Momenten an Interesse.

In Osterreich machen wir es uns leichter. Das österreichische Fernsehen kann wie im Fall „Einer wird gewinnen“ aus dem deutschsprachigen Ausland um viel Geld, aber mit weit weniger eigenem Einsatz eine erfolgreiche Reihe übernehmen, oder es kann eigene Versuche unternehmen, Quiz-Reihen auf die Beine zu stellen, und es kann schließlich auch den Weg des geringsten Widerstandes gehen und dort in gleicher Art weiterzumachen, wo es vor vielen Jahren begonnen hat Die erste Frage ist damit beantwortet, daß jede der großen deutschen Quiz-Reihen übernommen wird, sei es nun das Spiel von „Kuli“ oder auch das heitere Beruferaten von Robert Lembke. Die zweite Frage ist auch sehr rasch beantwortet. Man geht mit viel zu geringer Vorbereitung, viel zu geringem Aufwand und recht schwacher Schulung aller Beteiligten in neue Quiz-Reihen hinein und erreicht dann etwa das „Quartett“. Heinz Fischer-Karwin hat sich hier als überlegener, lehrhafter, etwas sarkastischer Quizmaster gefühlt, und so sah schließlich auch die ganze Sendereihe aus. Sie war für das breite Publikum zu „hochgestochen“.

Versucht wurde im letzten Jahr auch die im Rundfunk so erfolgreiche Sendung „Vier gegen vier“ unter Ernst Hilger. Fachleute waren von Haus aus der Meinung, diese im Rundfunk erfolgreiche Serie ließe sich nicht einfach ins Fernsehen übertragen, es sei .denn, man hätte gute zusätzliche Ideen. Diese Ideen hatte man aber nicht Auf kleinstem Raum vier gegen vier Personen zum geistigen Wettkampf antreten zu lassen und sie zusätzlich noch mit technischen Details zu belasten, also von der Konzentration zur jeweiligen Fragebeantwortung abzuhalten, war dem österreichischen Fernsehen vorbehalten, das wesentlich besser daran getan hätte, noch ein Jahr zuzuwarten und einen Städtewettkampf dieser Art — gut durchgedacht, in entsprechender Dekoration und mit allen technischen Finessen — auszustatten.

Eine Sendereihe aber blieb, und sie besteht seit Jahren. Es ist dies „Quiz 21“. Ein sympathischer älterer Herr, ein wirklicher Herr, Rudolf Hornegg, ist der Hauptakteur dieser Sendung. Hinter den Kulissen leitet Peter Dörre als Regisseur das Unternehmen, an dem wir nun einiges im Sinne einer „positiven Kritik“ auszusetzen haben. Fernsehdirektor Freund hat in einer seiner Sendungen des Vorjahres auf Verbesserungen, die in dieser Sendereihe vorgesehen seien, hingewiesen. Man stelle sich vor, daß diese Verbesserungen tatsächlich durchgeführt wurden! Man sieht seither die Kasterln, die ausgetauscht werden; man sieht in die Kabinen der Kandidaten, die schwitzend mit Kopfhörern vor dem Mikrophon stehen und die an sie gestellten Fragen beantworten, man sieht zu Beginn die Sesselreihe der kommenden Kandidaten, und auch die Heimhörerfragen wurden durch Photofragen ergänzt während es früher reine Textfragen waren.

Zur Sendung selbst die wir gar nicht grundsätzlich ablehnen wollen, da sie auch bildenden Charakter hat, sind aber noch einige andere Anmerkungen notwendig. Die „Vorstellung“ der Mitarbeiter beispielsweise ist primitiv und witzlos. Das Publikum ist auch nicht interessiert, das öffnen und Schließen von Duschkabinen, sprich Prüfräumen, zu sehen, sondern es möchte den Kandidaten kennenlernen, aber vielleicht in einer direkten und nicht durch Glaswand getrennten Vorstellung. Dazu kommt daß seit Monaten, wenn nicht seit Jahren auch in der Durchführung selbst nur Kleinigkeiten geändert wurden. Quizmaster Hornegg hat es sicher nicht leicht, aber in jeder Sendung, zumindest einmal beim Mischen der Karten, aus denen Kästchen und Fragenreihe gezogen werden, von einer „Mischkulanz“ zu sprechen, scheint uns nun doch schon etwas zu einfallslos. Er begeht, so meinen zumindest viele Fernsehteilnehmer, auch des öfteren den Fehler, bei der Frage nach dem Beruf des Kandidaten eine Zusatzbemerkung anzubringen, wie etwa bed einem Philosophiestudenten im letzten Semester, daß es hoffentlich gutgehen werde, oder einen Maturanten zu fragen, was er denn nun gedenke weiterzutun, und damit lenkt er den Kandidaten von den bevorstehenden, oft sehr schwierigen Quizfragen*ab. Außerdem haben sich eine Reihe sogenannter witziger Zwischenbemerkungen als nicht ganz so witzig, wie sie gemeint waren, erwiesen.

Nach der „Mischkulanz“ für die Auswahl der Kästchen werden die Kandidaten vorgestellt, und der übrige Ablauf ist bekannt. Man kann nur, wenn man lange Zeit hindurch die Sendung genau verfolgt, zu der Beobachtung kommen, die sichtlich noch nicht gemacht wurde, selbst von den Herren in der Produktionsleitung dieser Sendereihe nicht. Es handelt sich hier um den Abstrich der Beantwortungspunkte. Das Publikum findet es ungerecht, wenn ein Kandidat durch Beantwortung von zwei oder drei Fragen etwa 17 Punkte erreicht und dann bei einer anderen Frage durch Zufall oder Nichtwissen versagt, die Punktezahl der unbeantworteten Frage abgezogen erhält. Wenn also bei*-spielsweise, um es kraß auszudrücken, wie dies bei der letzten Sendung war, ein „Einundzwanziger“ des ersten Spiels im zweiten Spiel mit null Punkten ausgeht. Hier wäre wohl eine Reform notwendig, die man sich recht genau überlegen müßte.

Ebenso genau müßte man sich aber die Fragen selbst überlegen. Unzählige Male tritt der Fall auf, daß eine Frage 6 viel leichter, viel einfacher zu beantworten ist als eine Frage 3. Der Grund hiefür liegt oft auch darin, daß das jeweils behandelte Problem gerade zur Zeit im Mittelpunkt des Tagesinteresses steht, was natürlich der Erarbeiter der Fragen nicht Wochen im voraus wissen kann. Allerdings könnten Ersatzfragen so vorbereitet sein, daß sie auch noch wenige Tage vor der Sendung in Austausch gebracht werden könnten. In diesem Zusammenhang sind nach unserer Meinung auch noch andere Dinge zu überlegen, wie zum Beispiel die Frage der Altersschichtung. Einem jungen Kandidaten wird es schwerfallen, in der heutigen Zeit Fragen nach Operetten zu beantworten, was wieder bei einem älteren Herrn wesentlich leichter ist als Fragen über Atomphysik erfolgreich zu bestehen. Es ist dies wohl das schwierigste Kapitel dieser ganzen Quiz-21-Sendung. Aber man sollte, ja man müßte sie sogar genau überlegen. Denn zur Zeit ist Quiz 21 zu einer ziemlich langweiligen Sendung geworden.

Von den gleichen Worten der Mitarbeitervorstellung durch Rudolf Hornegg angefangen, über seine „Mischkulanz“, seinen Kästchenaustausch, seiner stets gleichbleibenden Art der Kandidatenvorstellung bis zur Dekoration hat sich nichts verbessert und daran ist keineswegs der angeblich notorische Geldmangel des österreichischen Fernsehens schuld, sondern es fehlt einfach an neuen Ideen, die diese Sendung auflockern.

Uns schien wichtig, diese Frage einmal ausführlicher zu behandeln, weil Quiz 21 im Gegensatz zu der großen Kulen-kampff-Show weit mehr bildenden als unterhaltenden Charakter hat Auch der bildende Charakter einer Sendung aber sollte nicht enttäuschen, nicht entmutigen, nicht stören, sondern er soll den Fernsehteilnehmer sozusagen „mitnehmen“. Die Sendung muß ihn also interessieren, damit die bildende Absicht auch ihren Erfolg zeitigen kann.

Da wir bei der bildenden Absicht einer Fernsehsendereihe sind, hätten wir nun einige Quizfragen an das Fernsehen selbst. Eine davon betrifft zum Beispiel die Sendereihe

„Streiflichter aus Österreich“, die einmal in der Woche ausgestrahlt wird. Auch sie gehört nicht an die Spitze der beliebtesten Sendereihen. Diese Serie, die das Neueste aus Österreich vermittelt wurde und wird von Zeitungskritikern, aber auch vom Publikum deshalb kritisiert, weil man nur oder fast nur Politiker beim Eröffnen irgendeiner Anlage, beim Durchschneiden eines Brückenbandes usw. sieht. Und überraschenderweise wanderte diese Sendereihe vom Vorabendprogramm, wo sie vor allem den Jugendlichen zugänglich war, in das Spätabendprogramm, also ganz an die letzte Stelle der Programmfolge überhaupt. Das Fernsehen in Österreich hat ein Staatsmonopol. Ohne nun auf die politischen Abgrenzungen näher eingehen zu wollen, die ja sehr kritisch zu betrachten sind, muß man doch feststellen, daß einmal in der Woche im Lauf von 20 Minuten ein Uberblick über die Leistungen in Österreich gegeben werden kann, soll und auch im Interesse der gesamten Staatspolitik muß. Wozu unterhält zum Beispiel unser Staat eine „Austria-Woehenschau“, subventioniert sie und hat sie ebenfalls monopolisiert, wenn er nicht diesen Gedankengang gehabt hätte? „Streiflichter aus Österreich“ ebenso wie beispielsweise die Sendung „Sieben Tage Zeitgeschehen“ kommen einer solchen Wochenschau, einem solchen Leistungsbericht im Staate gleich. Auch die Sendung „Sieben Tage Zeitgeschehen“ ist aus dem Vorabend- in das Spätabendprogramm gewandert.

Unsere Aktualitätenschau „Zeit im Bild“ zeigt zwar sehr viel davon, was irgendwo in der Welt passiert, aber sehr wenig, was in Österreich selbst geschieht, es sei denn, es kommt gerade jemand am Schwechater Flughafen an. Die echte Leistungsschau aus Österreich liegt in der Sendung „Streiflichter aus Österreich“, und dies vor allem der Jugend vorzuenthalten, die ja immer skeptisch dem Geschehen gegenübersteht, scheint sehr im Gegensatz zur zitierten Bildungsarbeit des Österreichischen Fernsehens zu liegen. Es mag sein, daß ein Minister eine Brücke eröffnet oder ein Bürgermeister ein Kraftwerk, aber die Information liegt nicht auf dem Minister, nicht auf dem Bürgermeister, sondern auf dem neuen Kraftwerk, der Brücke oder der neuen Straße. All dies führt den Österreichern, auch den älteren, klar vor Augen, daß in unserem Land tatsächlich sehr viel geleistet wird. Es bleibt also die Frage: Warum wurde und wer hat angeordnet, daß diese Schau, die einmal in der Woche das Geschehen aus Österreich zeigt, wo doch vor allem die Jugend zuschauen kann, in das Nachtprogramm verlegt wurde?

Eine andere Quiz-Frage beispielsweise ist jene der Pro-porzbildenstellung. Wir greifen für heute nur einen Fall heraus, nämlich jenen der Sendung „Welt der Jugend“, die an jedem Sonntagnachmittag über die Bildschirme läuft und für Kinder und Jugendliche gedacht ist. Nach einem meist interessanten internationalen Teil kommen Lokalnachrichten aus Österreich, die zum Teil mit Bildern unterlegt sind. Diese Lokalnachrichten und Bildberiohte aus Österreich selbst sind brav nach Proporz eingeteilt, so glaubt man wenigstens sichtlich auch in den Parteizentralen. Jemand aber, der etwa ein Jahr hindurch genau diese Sendereihe verfolgt, ist enttäuscht; enttäuscht in zweierlei Hinsicht: Einmal, weil tatsächlich jede Meldung und jeder Bildbericht genau proporzmäßig auf die zwei großen Parteien abgewogen ist, und man fragt sich, ob denn in Österreich gar nichts anderes für die Jugend los sei oder von der Jugend veranstaltet werde als nur von den Roten Falken oder der ÖJB; und die zweite, weit kompliziertere Frage, die sich allerdings nicht so sehr das breite Publikum stellt, als sie sich die Parteisekretariate zu stellen hätten: Was zählt zu wem? Man kann bei Kontrolle der Sendungen „Welt der Jugend“ bzw. ihren Lokalberichten aus Österreich im Lauf des letzten Jahres ganz genau feststellen, daß auf der sozialistischen Seite Berichte und Bilder von Veranstaltungen der Kinderfreunde, der Roten Falken, des ASKÖ aufscheinen, und für die ÖVP-Seite werden Veranstaltungen der österreichischen Jugendbewegung, der Katholischen Jugend, ja sogar der Pfadfinder gebucht. Nun, also auch hier die Quiz-Frage: Wer gewinnt bei diesem Proporzspiel? Doch wohl nur jene, die die Leistungen ihrer Parteijugendorganisation dadurch in den Vordergrund rücken können, weil sie der anderen Jugendorganisation einer Partei auch die Veranstaltung von Jugendorganisationen hinzurechnen, die keineswegs (und dagegen würden sich diese sehr wehren!) zu dieser Partei gezählt werden können. Sollten wir uns mit der Beantwortung dieser selbstgestellten Quiz-Frage geirrt haben, dann lassen wir uns gerne eines Besseren belehren, allerdings nur von den wirklich Verantwortlichen, mit denen wir dann gerne unsere Unterlagen vergleichen.

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