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Der Abschluß der Frühjahrssession des Nationalrates in der vergangenen Woche hat auch die Frage der Parlamentsberichterstattung im Fernsehen wieder aktuell werden lassen. Wir sahen zwar fast an jedem Abend Auszüge aus der Parlamentsdebatte; diese Auszüge konnten aber, abgesehen von der späten Zeit, in der sie gesendet wurden, kaum ein rechtes Bild über die Materie der Beratungen, noch viel weniger über deren Atmosphäre geben. Meist war es so, daß gerade jene Stellen aus den Reden der Abgeordneten übertragen wurden, die sich mit allgemeinen Bemerkungen, um nicht zu sagen: Gemeinplätzen befaßten. Die kritischen Situationen, an denen es gerade bei diesen Schlußsitzungen nicht mangelte, schienen kaum auf.

Das ist nicht Schuld des Fernsehredakteurs, der diese Ausschnitte zusammenstellt und der auf alle möglichen und unmöglichen Empfindlichkeiten Rücksicht nehmen muß, das liegt eher im Gesamtkonzept. Wie aus Andeutungen sowohl des Parlamentspräsidenten als auch der Rundfunkleitung zu entnehmen ist, beabsichtigt man, ab Herbst die ganze Frage der Parlamentsberichterstattung neu zu regeln. Es gibt Parlamente, darunter die Mutter aller Parlamente, das britisch Unterhaus, die eine Fernsehübertragung ihrer Beratungen strikt ablehnen. Und dies wahrscheinlich mit guten Gründen, denn das Aufleuchten der Scheinwerfer und das Surren der Kameras mag manchen Redner dazu verleiten, mehr zum Fernsehpublikum als zum „Hohen Haus“ zu sprechen. Dazu kommt, daß die rhetorischen Qualitäten der Abgeordneten naturgemäß sehr unterschiedlich sind, was aber absolut in keiner Korrelation zu den fachlichen Qualitäten eines Abgeordneten stehen muß.

Natürlich könnte man auch eine Parlamentssitzung zur Gänze „live“ übertragen. Bei den Monstersitzungen, zu denen sich das parlamentarische Leben in Österreich bei Sessionsschluß zusammendrängt, würde das wahrscheinlich einen Sturm der Entrüstung bei den Fernsehern hervorrufen. Zum anderen würden solche „Live“-Übertragungen wahrscheinlich rasch das Interesse an den Parlamentssitzungen erlahmen lassen. Das heißt aber nicht, daß man nicht versuchen sollte, wenn einmal eine besonders aktuelle Parlamentsdebatte zu erwarten ist, diese zur Gänze direkt zu übertragen. Normalerweise wird man sich aber auf jeden Fall mit Ausschnitten behelfen müssen.

Daß Dr. Nenning in seinen Forumgesprächen immer wieder versucht, auch die großen geistigen Fragen der Zeit in seine Diskussionen einzubauen, ist ihm hoch anzurechnen. Das Gespräch zwischen Christentum und Marxismus ist eines der großen Probleme unserer Zeit. Wenn das Fernsehen seine Aufgabe auf dem Gebiet der Bildung und Information erfüllen will, wird es an diesem Phänomen nicht vorübergehen können. So galt auch das letzte „Forumgespräch“ unter Leitung von Dr. Nenning der Frage „Können Christen und Marxisten miteinander reden“?

Schon bei der Formulierung des Themas zeigt sich die Schwierigkeit, die wir schon des öfteren bei diesen Forumgesprächen bemerken konnten. Die Thematik ist viel zu allgemein gehalten, sie ist viel zu umfassend, um in einem Gespräch von einer halben Stunde oder einer Stunde auch nur annähernd klargestellt werden zu können. So war es auch diesmal. Dr. Csoklich wies richtigerweise zu Beginn der Diskussion darauf hin, daß im allgemeinen über die Notwendigkeit solcher Gespräche gewiß Übereinstimmung herrsche, daß man aber klarstellen müsse, wer mit wem in welchem Land zu welcher Zeit über welche Probleme reden soll. Der Marxismus sei heute keine geschlossene Front mehr, es gebe verschiedene Marxismen. Dr. Prager als Marxist unterstrich ebenfalls die Pluralität des Marxismus und lehnte von seiner Seite jeden Staatsatheismus ab. Da aber das Thema, wie gesagt, zu weit gesteckt war, kam es über grundsätzliche Feststellungen bei diesem Gespräch kaum hinaus, und die Diskussion plätscherte ohne besondere Höhepunkte dahin. Neben der allzu unbestimmten Thematik, der mangelnden Konkretisierung, leiden solche Diskussionen, deren grundsätzliche Bedeutung hier nicht in Zweifel gezogen werden soll, vor allem an einer allzu großen österreichischen Verbindlichkeit. Es kommen immer Gespächspartner zusammen, die sich im prinzipiellen ohnedies einig sind. Es fehlen Vertreter extremer Standpunkte, die die Diskussion anheizen könnten. Es gibt gewiß Christen und Marxisten in Österreich, die kritischer eingestellt sind und die sich über Möglichkeiten und Grenzen eines solchen Gesprächs keine Illusionen machen. Sie vor den Fernsehschirm zu bringen, scheint allerdings schwierig zu sein.

Vor den Forumsgesprächen hatten die Fernseher Gelegenheit, einen der Gesprächsteilnehmer, Prälat Dr. Ungar, in einer Sendung „Das österreichische Porträt“ genauer kennenzulernen. Diese Sendereihe entsprang dem sehr löblichen Vorsatz, jene Österreicher, es sind nicht allzu viele, die über den Kreis ihrer beruflichen Arbeit hinaus in Österreich, aber auch im Ausland einen gewissen Namen besitzen, einer breiteren Öffentlichkeit vorzustellen. Die Gefahr dieser Sendung liegt in einer gewissen Schablone. \

Um diese Männer (bisher hat nur eine einzige Frau in die Sendereihe Eingang gefunden) dem Fernsehpublikum auch menschlich nahezubringen, versucht man, sie auch in ihrem häuslichen und familiären Umkreis zu zeigen. Hier sind bei einem Prälaten naturgemäß Grenzen gesetzt. Und so sahen wir, wie schon des öfteren, daß ein bekannter Mann mit einem Auto ins Büro fährt, daß er vor einem Schreibtisch sitzt und daß er zu Hause es sich gelegentlich in Hemdärmeln bequem macht. Wahrlich keine erschütternden Tatsachen. Prälat Ungar ist auch Direktor der Wiener und Präsident der österreichischen Caritas. Wir sahen viele Bilder von den Leistungen der Caritas, ohne daß natürlich der Aufgabenkreis der Caritas auch nur annähernd umrissen werden konnte. Prälat Ungar ist aber mehr als ein Caritasdirektor. Er gehört zu jenen wenigen österreichischen Priestern, die auch im gesellschaftlichen und politischen Leben Österreichs eine Funktion zu erfüllen haben und darüber hinaus auch internationales Ansehen genießen. Davon war in der Sendung nicht allzuviel zu spüren. Daß die Person des Prälaten Doktor Ungar trotzdem die Sendung beherrschte, ist weniger auf das etwas konventionelle Drehbuch zurückzuführen als auf sein vielerprobten telegenen Eigenschaften und die Ausstrahlungskraft seiner Persönlichkeit. Er hat die Gabe, in jeder Situation glaubhaft zu wirken.

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