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IN DEN LETZTEN WOCHEN TRAT das Osterreichische Fernsehen, wie stets im Sommer, mit relativ wenig interessanten Abenden hervor. Doch gerade diese Sendungen haben zum Teil sowohl was die Auswahl, als auch die Gestaltung und Darstellung betrifft, oft ein ausgezeichnetes Niveau erreicht. Hier muß an die erste Stelle die Gedenk-Sendung für Franz Werfel gestellt werden. Im Grunde genommen war diese Sendung in ihrer Zusammensetzung mit Gedichtsvorträgen und Kurzszenen, verbunden durch überaus menschliche und herzliche Worte Friedrich Torberg* ausgesprochen untelegen. Jeder Fachmann müßte sagen, so kann man einfach eine Gedenksendung an diesen großen Dichter nicht gestalten, doch Walter Davy bewies hier seine exzellente Meisterschaft. Diese einstündige Sendung wurde zu einem Erlebnis. Was dem Fernseher hier geboten wurde, war beste Qualität und höchste Spitzenleistung, nicht nur der mitwirkenden bekannten Schauspieler, wie Hilde Krahl und Ernst Deutsch, sondern auch Spitzenleistung der Kamera und als Bindeglied zwischen Dichtung und Leben, ein Mensch der über einen Menschen berichtete.

MIT SEHR VIEL LIEBE hat Heribert Meisel auch seine in zwei Teilen erschienene Reportage über Fußballwalzer —i Fußballcsardas gestaltet. Es gelang hier einmalige Archivbilder aufzutreiben und mit Interviews aus unseren Tagen lebendig zu gestalten. Lebendig nicht nur für die jungen und alten Fußballfreunde, sondern auch für jene, die dem Fußball als Sportart gar nicht so aufgeschlossen gegenüberstehen, denn die zweiteilige Sendung war ja schließlich auch ein Rückblick auf 50 Jahre Leben in Ungarn und in Österreich, ohne daß die Politik im Vordergrund stand. Ein technisches Gustostückel waren der ungarische Fußballsturm mit Csardasmelodien unterlegt und die österreichischen Stürmer, die nach Walzertakten liefen.

OBWOHL SICH DAS ÖSTERREICHISCHE FERNSEHEN in den Augustwochen die Programmgestaltung durch Hereinnahme sehr vieler Spielfilme etwas erleichterte, ist doch ein österreichischer Film besonders hervorzuheben. Anläßlich des 80. Geburtstages von G. W. Pabst wurde sein österreichischer Nachkriegsfilm „Der letzte Akt“ gezeigt. Dieser Film bewies allen, die während der letzten zwanzig Jahre an österreichischen Spielfilmproduktionen kein gutes Haar ließen, daß dieser Österreicher sich auch auf dem Filmsektor zu ganz großen Leistungen aufraffen konnte. Lange bevor irgend jemand in der Welt den Versuch unternahm, filmisch die jüngste Vergangenheit zu bewältigen, hat der Österreicher G. W. Pabst mit bekannten Schauspielern unserer Wiener Theater das Geschehen der letzten zehn Tage in der Reichskanzlei dargestellt. Es war in den späten vierziger Jahren ein großer österreichischer Film und es war für den Fernseher von heute ein erlebnisreicher Filmabend.

DIE AUS DEUTSCHLAND ÜBERNOMMENE Sendereihe „Japan im Spiegel seiner Filme“ ist ebenfalls sehr lobend hervorzuheben. Die Sendereihe basiert auf dem ausgezeichneten Einfall, ein Volk, sein Leben oder speziell das Leben seiner Jugend und seiner Frauen an Hand von Ausschnitten eines Spielfilmes darzustellen. Sich also nicht mit der Kamera in Lokalen, auf Märkten, bei Volksfesten aufzustellen und einfach das Geschehen zu photographieren, sondern vielmahr die Japaner sich selbst in ihren eigenen Filmen darstellen zu lassen. So sehen sich die Japaner selbst und so wollen sie auch gesehen werden, sonst würden sie ja solche Spielfilme nicht herstellen.

EINE ZUMUTUNG FÜR DEN FERNSEHER ist allerdings der Versuch der Fernsehdirektion, im Vorabendprogramm nunmehr jenen Gitarrekurs zu bringen, den man im Vorjahr für das technische Versuchsprogramm hergestellt und in diesem auch ausgestrahlt hat. Billiger kann man es sich einfach nicht mehr machen.

BILLIG HAT MAN ES SICH AUCH beim Bericht über die dreißig Jahre Großglockner-Hochalpenstraße gemacht. Daß man über dieses große Werk der Österreicher nur mit Stehbildern und mit einem technisch interessanten Interview mit Hofrat Wallack berichten konnte, war denn doch für die Fernseher ebenso wenig wie für die Erbauer dieser großen und europäisch anerkannten Straße.

EINE INTELLEKTUELLE SPIELEREI mit sehr ernstem Hintergrund war das Fernsehspiel „Die Chinesische Mauer“ am 16. September. Diese moderne Auffassung zur undramatischen Entkleidung historischer Führerpersönlichkeiten und ihre eigene Preisgabe durch Wiederholung bekannter Phrasen mag zwar nicht ganz fernsehgerecht sein und entspricht sicher nicht dem Unterhaltungsbedürfnis des Publikums, es regt aber zum Nachdenken an und versteht verschiedentlich sogar ganz stark zu packen.

SEHR VIEL STAUB — im wahrsten Sinne des Wortes — hat die Berichterstattung über die Wahlen in der deutschen Bundesrepublik aufgewirbelt. Man warf dem österreichischen Fernsehen eine tendenziöse Berichterstattung in den Tagen vor der Wahl vor und es hagelte Proteste. Diese Protestaktionen muten insoweit eigenartig an, als doch den protestierenden Personen und Organisationen die politische Einstellung des österreichischen Fernsehens nicht unbekannt sein konnte, weil sie es ja waren, die in Parteienverhandlungen vor vielen Jahren den eigenen Einfluß preisgaben. Dazu kommt, daß man Proteste doch erst nach Abschluß einer Fernsehreihe loslassen sollte, weil nur ein Gesamtbild auch eine Gesamtkritik ermöglicht. In dieser Angelegenheit wurde ein wenig zu viel politisches Pulver vergeudet. Es schiene richtiger, darauf hinzuweisen, daß über keinen Wahlkampf in einem anderen Land so ausführlich berichtet wurde, wie über jenen vor wenigen Tagen in der deutschen Bundesrepublik. Hier stellt sich nämlich die Frage: Ist das österreichische Fernsehen rein wirtschaftlich und programmtechnisch schon so sehr mit Bundesdeutschland verbunden, daß man nicht nur auf dem Sektor der Fernsehspiele, der Shows usw., sondern auch auf dem der politischen Ereignisse engstens „zusammenarbeitet“?

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