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Vor dem Bildschirm

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DER AKTUELLE DIENST stellte ans Ende des Jahres 1962 einen vorzüglich komponierten Jahresrückblick. Wichtige und „wichtige“ Ereignisse des abgelaufenen Jahres waren — oft geschickt miteinander verbunden — in bunter Folge zusammengestellt und von einem blendend gemachten, oft sarkastisch-kritischen Kommentar begleitet. Man könnte dagegen einwenden, daß sich ein solcher Bericht auf eine objektive Darstellung der Ereignisse beschränken sollte. Aber schon die Auswahl ist notwendigerweise höchst subjektiv, und die Bedeutung der einzelnen Geschehnisse oft so problematisch, daß eine Stellungnahme des „Autors“ durchaus gerechtfertigt ist, eine Stellungnahme noch dazu, die oft nicht nur zum Schmunzeln, sondern auch zum Nachdenken herausfordert. Schade, daß man sich mit den Schhtßtiteln in ständig sich steigernder Geschmacklosigkeit verloren hat.

SCHON ZUR TRADITION GEWORDEN ist es, daß am Beginn des neuen Jahres eine Klassikeraufführung des Deutschen Fernsehens steht. Diesmal war es Calderöns Schauspiel „Das Leben ein Traum“, das vom Westdeutschen Rundfunk übertragen wurde. In einer außerordentlich dichten und alle Poesie des Werkes ausstrahlenden Fernsehinszenierung hat Ulrich Erfurth dieses wundersame Märchen von dem gefangenen und geläuterten Königssohn auf den Bildschirm gebracht. Von faszinierenden Ganzgroß-Einstellungen, die oft nur den Teil eines Gesichtes bildschirmfüllend zeigten, bis zu Totalen von überwältigender Raumwirkung, von „gedachten“ Monologen bis zu den außerordentlich fernsehgemäßen Szenenbildern (Theo Zwierski) und Kostümen (Brigitte Scholz) wurden hier die Gestaltungsmittel des Fernsehens in vorbildlicher Weise in den Dienst des Dichters gestellt.

EINE VORZÜGLICHE FERNSEHINSZENIERUNG eines Theaterstückes bot auch der Fernsehfilm der Bavaria Ateliergesellschaft „Hexenjagd“ von Arthur Miller. Dieses Drama, mit dem Miller an Hand eines historischen Geschehens schwerste — und zielsicher treffende — Kritik an unserer Zeit übt, wurde unter der Regie von Ludwig Cremer zu einem bedrückend-fasz nierenden Erlebnis. In den großartigen Dekorationen von Gerd Richter boten die zahlreichen Darsteller allesamt so hervorragende Leistungen, daß nur ein Name stellvertretend für alle genannt sei: Beatrice Schweizer, die mit ihrer Darstellung des

Mädchens Abigail auch nicht den kleinsten Wunsch offen ließ.

AUCH DAS ÖSTERREICHISCHE FERNSEHEN trat wieder einmal mit einer außerordentlich interessanten Fernsehinszenierung in Erscheinung. Josef Meinrad hatte das selten aufgeführte Zwischenspiel „Don Juan in der Hölle“ aus „Mensch und Übermensch“ von George Bernard Shaw als eine Art Leseaufführung inszeniert. Die Darstellung beschränkte sich, abgesehen von einigen Gesten, vorwiegend auf die Mimik, die unter der Bildregie von Theodor Gradier auf dem Bildschirm vorzüglich zur Wirkung kam. Dadurch, durch die faszinierende Ausdruckskraft von Josef Meinrad, Ewald Baiser, Willy Birgel und Eva Servaes, und durch Verlesung der wichtigsten Regiebemerkungen des Autors war es möglich, die Aufführung ganz auf das Wort zu konzentrieren, und doch eine dem Fernsehen vollkommen gerecht werdende Inszenierung zu schaffen.

EINEN AKZEPTABLEN WEG für die Darbietung von Musikwerken im Fernsehen zeigte die letzte Sendung der Reihe „Kleine Kostbarkeiten großer Meister“. Das Münchner Kammerorchester spielte das Weihnachtskonzert von Corelti, in einem in jeder Hinsicht stilgemäßen Rahmen, nämlich in der Kirche Maria-Thalkirchen, die ihre heutge Gestalt in der Zeit Corellis erhalten hat. Durch äußerst eindrucksvolle, behutsame Fahrten und Schwenks gelang es der Bildregie (Peter Tügel), sich über weite Strecken auf die Darstellung der ausübenden Künstler zu beschränken. Die wenigen Schnitte waren meist sireng synchron der Musik angepaßt. Die Einblendungen architektonischer Details des Kircheninneren fügten sich gut in den Gesamtrahmen, lagen aber qualitativ bereits an der Grenze des für eine Musiksendung Zuträglichen. Ganz hervorragend waren die einleitenden Worte (Kurt Dieman), mit denen der Komponist und sein Werk dem Zuschauer vorgestellt wurden. Insgesamt jedenfalls eine stimmungsvolle und sehr ansprechende Sendung.

FÜR DIE FERNSEHTEILNEHMER ist es heute schon eine Selbstverständlichkeit, an bedeutsamen Sportereignissen via Bildschirm teilhaben zu können. In zahlreichen Direktübertragungen und abendlichen Wiederholungen bietet das Fernsehen wieder einen Überblick über die internationalen Wintersportveranstaltungen der Saison. Daß bei diesen mit großem Aufwand und unter oft sehr schwierigen Bedingungen durchgeführten Sendungen gelegentlich technische Pannen auftreten können, soll die Erkenntnis nicht verhindern, daß damit dem Zuschauer Informationen auf eine Art geboten werden, von der er sich vor zehn Jakren noch nichts träumen ließ.

ERFREULICH IST, daß zwei Sendereihen schließlich ihr Ende gefunden haben: Sendungen vom Niveau der „musikalischen Spielshow“ „Sing mit mir — spiel mit mir“ sollten im Fernsehen wenigstens keinen Platz haben. Die Sendungen der Reihe „Papier und Kuli“ waren zumindest ein mißglückter Versuch mit untauglichen Mitteln Es ist besonders erfreulich, daß das Österreichische Fernsehen aus dieser Erkenntnis die Konsequenz gezogen und die Sendereihe nach verhältnismäßig kurzer Zeit wieder abgesetzt hat.

UNERFREULICH IST, daß das neue Jahr im Fernsehen mit einer Unpünktlichkeit begann. Und es ist eine Unpünktlichkeit besonders übler Art, wenn eine Sendung vor der angesetzten Sendezeit beginnt, so daß der „Selektiv-Seher“ die ersten, oft sehr wesentlichen Minuten dieser Sendung versäumt. Eine Verspätung ist, wenn sie auch nach Möglichkeit vermieden werden sollte, noch eher zu ertragen und außerdem noch eher zu rechtfertigen. Wenn eine Senduns aber früher zu Ende ist als vorgesehen, dann muß man eben die Zeit bis zum programmgemäßen Beginn der nächsten mit dem altbewährten Mittel der Pause überbrücken.

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